Die Interessenvertretungen der Händler versuchen, mehr Kunden in ihre Orte zu ziehen. Doch nur wenige Gewerbetreibende engagieren sich selbst

Drochtersen/Stade/Buxtehude. Thomas Nehrke sitzt entspannt auf der Bank vor dem Drochterser Rathaus. Der Vorsitzende des Gewerbevereins der Gemeinde Drochtersen wirkt zufrieden. Der Verein entwickelt sich prächtig. Die Mitgliederzahl stieg in den vergangenen vier Jahren von 90 auf 130. Doch ein Problem hat Nehrke. Nur die wenigsten Mitglieder arbeiten aktiv mit. Die meiste Arbeit hängt am Vorstand. Ein Problem, das nicht überall als eines angesehen wird.

Vor vier Jahren wurde Thomas Nehrke in den Vorstand des Gewerbevereins der Gemeinde Drochtersen gewählt. Seitdem hat sich im Kehdinger Gewerbe einiges getan. "Wir haben vieles umstrukturiert und einiges neu geschaffen", sagt Nehrke. Bereits vor 26 Jahren wurden örtliche Kaufleute und Handwerker erstmals aktiv und organisierten gemeinsam die "Drochterser Markttage". Der Erfolg dieser Veranstaltung führte schließlich zur Gründung des Gewerbevereins in der Gemeinde Drochtersen.

Ein Gewerbeverein ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Werbetreibenden, die zum Beispiel mit gemeinsamen Werbeaktionen oder Veranstaltungen die Kaufkraft lokal bündeln wollen. Der Gewerbeverein Drochtersen feiert in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag. Auf dem Terminkalender stehen unter anderem drei verkaufsoffene Sonntage oder die zweite Kehdinger Messe. Der Verein versucht, alle seine Veranstaltungen mit einem interessanten Rahmenprogramm aufzuwerten, um auch auswärtige Kunden nach Kehdingen zu locken. Dazu gehören neben Musik beispielsweise Hubschrauberrundflüge oder Oldtimerausstellungen.

Viel Arbeit für den Verein, die allerdings in der Regel vom Vorstand erledigt wird. "Wenn es um die Gemeinschaft geht, halten sich viele Mitglieder zurück", sagt Nehrke. Dieses Problem kennt auch Rolf Helmecke, Vorsitzender der Werbegemeinschaft in Fredenbeck, die zurzeit 60 Mitglieder zählt. Zwar funktioniere die Arbeit der Händler in Fredenbeck seiner Ansicht nach sehr gut, trotzdem wünsche er sich manchmal ein wenig mehr Anteilnahme von den Mitgliedern, beispielsweise bei den Jahreshauptversammlungen.

Peter Schmidt, Vorsitzender des Buxtehuder Altstadtvereins, findet es hingegen weniger tragisch, dass sich nicht alle Mitglieder aktiv beteiligen. Er vermutet sogar, dass es eher hinderlich sein kann, wenn zu viele unterschiedliche Personen mitreden.

Dass sich viele Mitglieder eines Vereins bei der eigentlichen Arbeit eher zurückhalten, sei ein allgemeines Problem in der Gesellschaft, sagt Frank Deppe von der Werbegemeinschaft Jork, der 15 Jahre lang als Vorsitzender aktiv war. Ehrenamtliche Arbeit werde generell nicht besonders honoriert, sagt Deppe. Die Jorker Werbegemeinschaft, die zurzeit 58 Mitglieder zählt, hat jedoch ganz andere Probleme.

Für die Jorker ist das größte Problem die Nähe zu den Städten Stade, Buxtehude und Hamburg. Wenn es nicht um die Nahversorgung wie zum Beispiel Lebensmittel geht, fahren viele Menschen zum Einkaufen in die größeren Zentren. Wer ein neues Geschäft eröffnen möchte, orientiere sich ebenfalls nicht unbedingt nach Jork, sagt Deppe. Demgegenüber stehe allerdings das Touristengebiet Altes Land, von dessen Anziehungskraft und Gästen auch die Händler profitieren.

Auf den Tourismus will auch der Gewerbeverein Drochtersen künftig stärker setzen. Eigentlich soll der Touristikverein Kehdingen mit Sitz in Wischhafen die gesamte Region vermarkten. "Davon merken wir in Drochtersen allerdings kaum etwas", sagt Thomas Nehrke. Ein erster Schritt ist die Tourist-Information im Ort, die zwar in Zusammenarbeit mit der Gemeinde eingerichtet worden ist, laufende Posten wie Mietvertrag oder Personal werden jedoch über den Gewerbeverein abgerechnet. Dass die Zusammenarbeit zwischen Politik und Händlern gut läuft, ist Nehrke wichtig.

Der Verein selbst agiere im Allgemeinen jedoch nicht politisch. Aus der Politik halten sich auch die Fredenbecker Händler heraus. "Das ist sehr wichtig und muss getrennt werden", findet der Werbegemeinschaftsvorsitzende Rolf Helmecke. Das jedoch sieht Peter Schmidt vom Buxtehuder Altstadtverein ganz anders.

"Wir dürfen uns als Vertreter der Kaufmannschaft nicht aus dem Politischen heraushalten", sagt Schmidt. Schließlich seien viele Entscheidungen wie zum Beispiel Buxtehudes Autobahnanschluss für die Händler von großer Bedeutung. Der knapp 120 Mitglieder starke Altstadtverein versteht sich aber auch nicht als Werbegemeinschaft im klassischen Sinn. "Wir kümmern uns auch um Stadtentwicklung", sagt Schmidt. Auch deshalb bliebe eine politische Positionierung häufig nicht aus. "Wir setzen dabei jedoch auf Kooperation statt Konfrontation", sagt Schmidt.

Wer sich für einen Ort einsetzt, der betreibe auch Politik, sagt Frank Deppe von der Werbegemeinschaft Jork. Aus der Parteipolitik müssten sich Händler seiner Meinung nach allerdings heraushalten. "Wir sind nicht für eine Partei und das kann auch nicht sein. Schließlich sind wir in erster Linie Geschäftsleute", sagt Deppe.

Dass politische Arbeit für eine Werbegemeinschaft wichtig sei, findet auch Peter Corleis, Vorsitzender vom "Sympathischen Harsefeld". So sitze beispielsweise auch ein Vereinsvertreter im Harsefelder Wirtschaftsförderungsausschuss. Die Arbeit zwischen Werbegemeinschaft und Politik sei sehr gut, sagt Corleis und ergänzt: "Die Politik wäre aber auch schlecht beraten, wenn sie uns nicht fragt und die Händler wären schlecht beraten, wenn sie keine gute Antwort darauf hätten."

Thomas Nehrke vom Gewerbeverein Drochtersen sitzt auch im örtlichen Gemeinderat. Er trennt nach eigener Aussage diese beiden Ämter strikt voneinander. Einen Vereinsvertreter als beratendes Mitglied im Wirtschaftsausschuss würde er dennoch begrüßen.