In Teil 2 unserer Serie über Buxtehudes Stadtteile geht es um die vermeintliche Idylle in den Brunckhorst'schen Wiesen

Buxtehude. Wenn man so will, sind die Brunckhorst'schen Wiesen der Golf unter den Buxtehuder Stadtteilen. Keine Mercedes S-Klasse, aber auch kein Daihatsu Cuore. Das Gebiet rund um Hansestraße, Konrad-Adenauer-Allee und Harburger Straße im Osten der Stadt ist solide Mittelklasse, wenn es um die soziale Struktur seiner Bewohner geht.

Das zeigt sich schon bei einem Spaziergang durch die Straßen. Eine Frau putzt die Fenster ihres Hauses, die Deutschlandfahne weht neben der Garage im Wind, jemand fährt mit dem Rad vorbei. Adrette, grüne Vorgärten schmiegen sich an gepflegte Einfamilienhäuser, und selbst an der Reeperbahn, die parallel zur Halepaghenstraße verläuft, ist nichts von der Verruchtheit ihrer großen Hamburger Schwester zu spüren. Alles schön ordentlich und bestens in Schuss.

"Hier lebt man sehr ruhig", sagt Anka Nicolausen. Seit acht Jahren wohnt die 39-Jährige in dem Viertel und würde sich immer wieder neu dafür entscheiden. Ohne Aufsicht würde sie ihre drei Kinder Maria, Hanna, beide 6, und Rebecca, 8, aber trotzdem nicht auf der Straße spielen lassen, fügt sie hinzu. Selbst wenn nach außen hin alles so ruhig wirkt, wisse man ja nie, wie es tatsächlich sei.

Denn der schöne Schein kann mitunter trügen. Nicht alles, was in den Brunckhorst'schen Wiesen auf den ersten Blick so normal, durchschnittlich und unkompliziert aussieht, ist es tatsächlich auch. "Dass Kinder Probleme haben, beobachten wir unabhängig von den sozialen Schichten oder dem Bildungsstand der Eltern", sagt Anke Kairies, Leiterin der Grundschule Harburger Straße.

Es gibt immer mehr Familien, in denen beide Eltern berufstätig sind oder sein müssen, dementsprechend haben mehr als die Hälfte der Eltern theoretisch Bedarf für eine nachmittägliche Betreuung ihrer Kinder an der Grundschule angemeldet. Hartz-IV-Bezieher gebe es kaum, sagt Anke Kairies, dennoch merke sie, dass zum Beispiel die Anträge auf finanzielle Unterstützung für Ausflüge und Klassenfahrten zunehmen. "15 Euro für eine Busfahrt und den Eintritt in ein Museum sind auch für Eltern, die arbeiten, einfach sehr teuer."

Eine große Rolle spielt aus ihrer Sicht auch die psychische Belastung der Kinder. "Wir beobachten bei vielen Eltern eine gewisse Hilflosigkeit", sagt Anke Kairies. Viele Mütter und Väter würden ihren Nachwuchs als kleine Erwachsene ansehen und mit ihnen über ihre persönlichen Probleme sprechen. Die Kinder werden mit Dingen belastet, die nicht ihrem Alter entsprechen. Sie fühlen sich überfordert, es entstehen Ängste, etwa wenn sich die Eltern trennen und die Kinder nicht wissen, was sie überhaupt machen sollen. Vom Einfamilienhaus als Garant für ein harmonisches Familienleben keine Spur. Und doch ist es für viele ihr größter Traum.

"Bei der Stadtplanung wird die Frage immer wichtiger, welche Bebauung was nach sich zieht", sagt Andrea Lange-Reichardt, Leiterin der Fachgruppe Jugend, Soziales und Familie der Stadt Buxtehude. Anders als zum Beispiel im Gebiet rund um die Sagekuhle, wo es günstige Mietshäuser gibt, sind in den 80er-Jahren in den Brunckhorst'schen Wiesen fast ausschließlich Einfamilien- und Reihenhäuser entstanden, für die man ein bestimmtes Einkommen und einen damit einhergehenden gesellschaftlichen Status benötigt, wenn man dort wohnen will. Buxtehude wolle in Zukunft verstärkt auf die sozialen Auswirkungen der Stadtplanung achten, sagt sie.

Aus Verwaltungssicht seien die Brunckhorst'schen Wiesen generell ein Gebiet, in dem es nur wenige große Themen gibt, fährt Andrea Lange-Reichardt fort. Wichtig sei zum einen die Gestaltung der Spielplätze für die Jüngeren und zum anderen die Frage: Was bieten wir den Jugendlichen? "Die Jugendlichen brauchen Orte, an denen sie sich informell treffen können." Nur so könne verhindert werden, dass sich Anwohner beschweren, wenn sich junge Leute rund um das Schulzentrum Nord treffen. Einer dieser Plätze könnte etwa der Skaterplatz sein, der immer noch in den Planungen steckt.

"Erziehung ist immer eine Sache von beiden Seiten, von Schule und Elternhaus", sagt Anke Kairies. Dabei sei Schule eine Institution, die konfliktfähig sein muss - und das auch an die Eltern zurückgibt. Ihre Erfahrung zeige ihr jedoch, dass viele Eltern oftmals kein Verständnis für die Situation der Schule haben.

"Kinder verlangen einem unheimlich viel ab", sagt sie. Dabei sei es wichtig, dass man die Konfliktsituation nicht umgehe, sondern sich ihr stelle. Beobachte man eine Störung oder ein befremdliches Verhalten bei einem Schüler, müsse man eingreifen. Unterstützung gebe es unter anderem vom Beratungszentrum für emotionale und soziale Entwicklung (Bese) in Buxtehude, das bei aggressivem Verhalten eines Kindes, Schuleschwänzen oder mangelndem Selbstvertrauen eingreift.

So wie ihre Kollegin Heike Welle von der Grundschule Am Rotkäppchenweg setzt Anke Kairies vor allem auf die geplante Offene Ganztagsschule, bei der die Schüler lernen, sich stärker in eine Gruppe zu integrieren und somit eine Gesellschaft im Kleinen erleben. Die Schule gehe dann mit einem ganzheitlichen Ansatz an die Erziehung heran. Die Kinder sehen die Einrichtung als ihren ganz persönlichen Lebensraum, der ihnen vermittelt: Hier gibt es eine Struktur, und hier gibt es Ziele, die wir gemeinsam erreichen wollen.

Im dritten Teil unserer Buxtehude-Serie geht es morgen um die Ortschaft Ottensen.