Nach der Aussetzung der Wehrpflicht blicken 40 Mitarbeiter ungewiss in die Zukunft. Die Entscheidung soll Mitte des Jahres fallen.

Stade. Es wirkt beinahe gespenstisch. Im Kreiswehrersatzamt an der Albert-Schweitzer-Straße in Stade herrscht kaum noch Betrieb. Dort wo vor wenigen Monaten noch täglich mehr als 30 junge Menschen ein- und ausgingen, um sich mustern zu lassen, sind die Flure heute weitgehend leergefegt. Hier und da trifft man noch vereinzelt Mitarbeiter, die freundlich grüßen. Die Bundeswehr hat die vorerst letzten Wehrpflichtigen eingezogen. Was mit dem Kreiswehrersatzamt in Stade passiert, ist noch völlig unklar.

Als sich Marco Jentsch im Mai des vergangenen Jahres für den Chefsessel im Stader Kreiswehrersatzamt bewarb, ahnte er noch nicht, dass die Bundesregierung die allgemeine Wehrpflicht so schnell aussetzt. Schließlich war diese gerade erst auf sechs Monate reduziert worden.

Doch am 18. November, als Jentsch den Posten des Leiters übernahm, deutete sich die einschneidende Reform bereits an. Dass zum Beginn dieses Jahres schließlich die vorerst letzten Wehrpflichtigen eingezogen worden, überraschte den 39-jährigen Oberregierungsrat dann doch. "Ich dachte, es wird zumindest noch bis April gemustert", sagt Jentsch.

Im Jahr 2010 wurden in Stade etwa 4500 zum größten Teil junge Menschen gemustert Das heißt, sie wurden auf ihre körperliche und geistige Eignung für den Wehrdienst untersucht. Im Jahr 2009 wurden in Stade noch zirka 8000 Musterungen gezählt. Die Behörde in der Hansestadt ist zuständig für die Stadt Bremerhaven sowie die Landkreise Cuxhaven, Osterholz, Rotenburg/Wümme, Verden und natürlich Stade. Vor kurzem waren dort 56 Mitarbeiter beschäftigt, heute sind es nur noch 43. Schon mit Blick auf die sich abzeichnende Aussetzung der Wehrpflicht wurde das Personal reduziert. Wurden Mitarbeiter an einen anderen Standort versetzt oder in den Ruhestand verabschiedet, wurden diese freien Stellen nicht wieder besetzt.

So schieden beispielsweise zum 30. November des vergangenen Jahres allein acht Mitarbeiter aus Altersgründen aus. Weitere drei Mitarbeiter werden das Amt Ende dieses Monats verlassen und künftig in anderen Bereichen der Bundeswehr tätig sein. Die übrigen Mitarbeiter leben momentan in Ungewissheit. Sie wissen nicht, ob es ihren Arbeitsplatz in einigen Monaten überhaupt noch gibt.

Einige schauen sich bereits nach freien Stellen um, schreiben Bewerbungen, bitten um Arbeitszeugnisse. Auch Leiter Marco Jentsch kann noch nicht sagen, was mit dem Stader Standort passiert. Selbst die übergeordnete Behörde, die Wehrbereichsverwaltung Nord, hält sich noch bedeckt, verweist auf ausstehende Entscheidungen.

"Die Zukunft der Kreiswehrersatzämter wird erst Mitte 2011 feststehen. Standortentscheidungen wurden noch nicht getroffen", sagt Nicole Burbach-Wilm, Pressesprecherin der Wehrbereichsverwaltung Nord. Eigentlich gibt es jedoch nur wenig Alternativen für den Standort Stade. Entweder das Kreisehrersatzamt wird geschlossen und die Bundeswehr verkauft das Gebäude an der Albert-Schweitzer-Straße oder es wird ein Zentrum für künftige Rekrutierung von Nachwuchssoldaten. Bisher gewann die Bundeswehr etwa ein Drittel ihres Nachwuchses aus Wehrpflichtigen.

Das heißt, in Zukunft muss die externe Werbung verstärkt werden. In Stade wird derzeit geprüft, wie die Kompetenz des Kreiswehrersatzamtes in den neuen Strukturen der Bundeswehr genutzt werden kann. Das gilt allerdings nicht nur für den Standort Stade, sondern für alle 52 Kreiswehrersatzämter bundesweit. Zudem plant die Bundesregierung künftig mit bis zu 15 000 Freiwilligen in der Armee. Diese sollen unter anderem mit finanziellen Anreizen überzeugt werden.

Da diese auch in Zukunft auf ihre Eignung untersucht werden und die Bewerber auf passende Stellen verteilt werden müssen, könnten die Kreiswehrersatzämter auch dafür genutzt werden. Marco Jentsch selbst fühlt sich wohl in Stade und würde gern länger bleiben, beeinflussen kann er diese Entscheidung aber nicht.

Genau wie seine Mitarbeiter bleibt auch ihm nur abzuwarten. Sollte der Standort tatsächlich geschlossen werden, müssten sich die Mitarbeiter aus Stade neu orientieren. Alternative Bundeswehrstandorte in der näheren Umgebung wären beispielsweise in Seedorf, Hesedorf, Rotenburg, Cuxhaven, Bremerhaven oder in der Hansestadt Hamburg zu finden.