Das Buxtehude-Museum hat ein Buch aus dem Jahre 1579 restaurieren lassen

Buxtehude. Vorsichtig berührt Bernd Utermöhlen den Deckel des Buches, die Handschuhe an seinen Händen schützen das Werk vor möglichen Flecken oder anderem Schaden. Wie ein rohes Ei behandelt der Leiter des Buxtehude-Museums das Schriftstück, das in einer Vitrine in der oberen Etage des Sakralturms seine neue Heimat gefunden hat.

"Postilla - Das ist: Auslegung der Episteln und Evangelien" lautet der Titel des aufwendig restaurierten Buches, das aus dem Jahr 1579 stammt und sich seit 1881 in der Sammlung des Buxtehuder Heimatvereins befindet. Es ist das älteste Druckerzeugnis im Besitz des Museums. Nur das handgeschriebene Pergament, das in der Vitrine direkt nebenan liegt, ist älter.

Holzwürmer hatten sich am Holzdeckelband zu schaffen gemacht

Über die Jahre hatte jedoch der Zahn der Zeit an dem Buch aus der Feder des evangelischen Theologen und Reformators Simon Musaeus genagt. An dem Holzdeckelband, der ursprünglich in Leder eingeschlagen war, hatten sich Holzwürmer zu schaffen gemacht und Einstiche hinterlassen. Ein Wasserschaden sorgte dafür, dass sich an dem Papier Wasserränder ausbreiteten. Schimmel entstand, die Seiten, von denen noch dazu einige fehlten und stark verschmutzt waren, bekamen Knickfalten und Risse. Da das Werk nicht geleimt war, war es generell sehr geschwächt.

Christian Beintker, Restaurator und Buchbinder vom Hamburger Atelier für Buch- und Graphikrestaurierung Henriques und Beintker, nahm sich des Buches an. Der Profi für historische Erzeugnisse reinigte zunächst die Seiten mit Gummischwämmchen, dann tauchte er jede einzelne von ihnen in ein alkalisches Bad. Für die Restaurierung hatte er das Buch extra auseinandergenommen.

Die Innenhaut der Maulbeerbaumrinde stabilisiert die restaurierten Seiten

Beintker ergänzte die Fehlstellen mit Hilfe eines Verfahrens, das dem des Papierschöpfens ähnelt. Die Seiten wurden "angefasert", das heißt, dass neue Papierfasern in Form eines Papierbreis zu den alten Seiten dazukommen. Dabei kam ein Hanf- und Baumwollzellstoffgemisch zum Einsatz, das sich mit dem Papier verbindet.

Das Ganze wurde dann mit einem Zellulose-Kleber nachgeleimt, woran sich eine Behandlung mit einer dünnen Schicht aus Kozofaser, das ist die Innenhaut der Maulbeerbaumrinde, anschloss. Diese Schicht trägt zur Stabilisierung der Seiten bei. Das getrocknete Werk hat der Restaurator dann geglättet und es am Ende in einen Einband gefügt. Um den Einband schlug Beintker helles Schweinsleder, um dem Original möglichst nahe zu kommen.

Er rekonstruierte ebenfalls die verlorenen Verschlüsse des Einbands, die sich mittels eines speziellen Verfahrens öffnen lassen. Bernd Utermöhlen zeigt, wie es geht: Mit einer Hand schlägt er auf die untere Hälfte des Buches - zack, springt die Sicherung auf. Dann schlägt er auf die obere Hälfte - und wieder löst sich sofort der Verschluss. Die Wendung "Ein Buch wird aufgeschlagen" erscheint dabei auf einmal in einem ganz neuen Licht.

Fast so teuer wie ein neuer Kleinwagen war die Restaurierung insgesamt. "Für Privatpersonen würde sich der Aufwand gar nicht rechnen", sagt Utermöhlen. Das Buxtehude-Museum hätte die Summe alleine ebenfalls nicht stemmen können, ermöglicht wurden die Arbeiten erst durch eine Spende der Sparkasse Harburg-Buxtehude sowie einen städtischen Zuschuss.

Wie aber war das 513 Seiten starke Werk, das jahrzehntelang sein Dasein im Magazin des Museums fristete und im Dezember 2009 zum Restaurator gebracht wurde, überhaupt nach Buxtehude gekommen? Bernd Utermöhlen zuckt mit den Schultern "Über die Vorgeschichte weiß man nichts", sagt er. Nur so viel, dass der aus Brandenburg stammende Autor Simon Musaeus seine Abhandlung, die sich mit den Sonntagen des Kirchenjahres befasst, vor fast 500 Jahren in Frankfurt am Main drucken ließ und sie 1881 aufgrund einer Privatspende in den Besitz des Heimatvereins gelangte. Musaeus selbst war ein streitbarer Theologe auf stetiger Wanderschaft, innerhalb dreier Jahre soll er 14 Stellen inne gehabt haben, berichtet Utermöhlen.

Durch ein Sichtfenster kann man sich das aufgeschlagene Buch anschauen

Nach Lust und Laune herumschmökern werden die Museumsbesucher in der restaurierten Ausgabe jedoch nicht können. In der Vitrine im Sakralturm kann man durch ein kleines Sichtfenster lediglich eine aufgeschlagene Seite anschauen. Allzu lange wird das Werk an seiner jetzigen Stelle aber nicht bleiben können, denn im kommenden Jahr soll eine Klimaanlage in diesen Teil des Museums eingebaut werden. Die Exponate wandern während dieser Zeit in den Sonderausstellungsraum im Erdgeschoss des Hauses.