Ottenser Bürger wollen verhindern, dass eine 1,6 Hektar große Fläche in ihrem Ort als Baugebiet ausgewiesen wird

Buxtehude. Es war einmal ein Ort, der war so hübsch, dass viele Leute ihn in ihr Herz schlossen und sich nichts sehnlicher wünschten, als dort zu leben. Sie bauten sich Häuser, legten kleine Gärten an und freuten sich über die Ruhe des ländlichen Idylls. Als es aber immer mehr Leute wurden, die dort ein Haus bauen und einen kleinen Garten anlegen wollten, merkten die, die schon da waren, dass es um ihre Ruhe bald vorbei sein könnte. Und weil sie das befürchteten, nahmen sie sich vor, etwas dagegen zu tun.

Der Name des Ortes ist Ottensen. Es könnte aber auch jeder andere Ort in Deutschland sein, denn vor diesem Problem stehen viele Kommunen, die neue Baugebiete ausweisen. In Ottensen haben sich die Bewohner nicht damit abgefunden, dass ihr Ort über die Jahre immer mehr sein Gesicht verliert. Es gibt eine bislang nur lose organisierte Interessengemeinschaft (IG), die sich vor fast 15 Jahren gründete, rund 100 Mitglieder hat und die es sich zu einem ihrer Ziele gemacht hat, etwas gegen das in ihren Augen unkontrollierte Wachstum des Ortes zu tun.

"Wir hatten in den vergangenen Jahren einen Anstieg der Bevölkerung um mehr als 100 Prozent", sagt Hennig Rückert, der seit 1976 in Ottensen lebt und gemeinsam mit Ilse und Herbert Tweer und Horst Roßdeutscher zu den Sprechern der IG zählt. Keiner anderen Ortschaft sei ein solcher Zuwachs zugemutet worden, aktuell habe Ottensen rund 1200 Einwohner. Es sei vielen Bürgern unverständlich, warum die Stadt Buxtehude jetzt ein 1,6 Hektar großes Baugebiet am Grasweg im Flächennutzungsplan neu ausweisen will, wo doch gleich daneben ein acht Hektar großes Areal, das sogenannte Baugebiet Ottensen II, noch auf seine Erschließung wartet, fährt Rückert fort.

Wann die Erschließung dieses Gebiets in die Tat umgesetzt wird, ist jedoch noch lange nicht klar. Die Stadt hatte vor knapp anderthalb Jahren entschieden, dass sie von ihrem Vorkaufsrecht für das Grundstück Gebrauch machen will. Der Eigentümer akzeptierte das nicht, nun ist ein Gerichtsverfahren anhängig.

Die IG Ottensen rechnet trotzdem mit dem Schlimmsten. Mehr als 100 Wohnungen würden mit dem Baugebiet Ottensen II hinzukommen, die Ausweisung eines weiteren, wenn auch kleineren, Baugebietes am Grasweg sei vor diesem Hintergrund nicht hinnehmbar. Eines wollen die Bürger dabei aber klarstellen: "Wir sind nicht gegen eine Bebauung an sich", sagt Herbert Tweer. Ihnen gehe es um die Art und Weise. Wenn Ottensen moderat wachse, habe niemand etwas dagegen. Als Beispiel führen die Bürger die zusätzlich zum 1,6-Hektar-Areal vorgesehene Einreihenbebauung zwischen Grasweg und dem Reiterhof an. Die zwei zusätzlichen Grundstücke seien ein für den Ort verträgliches Wachstum.

Hinzu kommen zwei Fragen, die sich die Ottenser Bürger stellen. Obwohl die Stadt Buxtehude immer wieder als Richtlinie für neue Baugebiete die Nähe zur Innenstadt, die Bebauung von Lücken und die Vermeidung von Folgekosten angibt, erfülle das Gebiet am Grasweg ihrer Ansicht nach keines der drei Kriterien. Wie kann es sein, dass es dennoch ausgewiesen werden soll? Auch fragen sie sich, wie es mit der Erschließung aussieht. Ihre Vermutung: Das Areal soll über den vorhandenen Streifen am oberen Ende des Graswegs, der den Grasweg mit dem Baugebiet Ottensen II verbindet, erschlossen werden. Für viele Bürger eine unerträgliche Vorstellung - mitunter sogar eine schlimmere, als das neue Baugebiet selbst. "Wenn wir das schon nicht verhindern können, wollen wir wenigstens eine Erschließung über den Grasweg verhindern", sagt Henning Rückert. Der Verkehr könne auf keinen Fall durch den Ort gehen, sondern müsse über die Apensener Straße geführt werden.

Von den Buxtehuder Politikern gibt es nur bedingt Verständnis für die Position der IG Ottensen. "Man kann im Zweifelsfall auf jedes Baugebiet verzichten", sagt Hans-Uwe Hansen, Fraktionsvorsitzender der SPD, räumt aber zugleich ein, dass es sich bei den zwei Baugebieten um strategisch günstige Gebiete handele. Buxtehude könne nun mal nicht weiter ins Moor wachsen, sondern müsse über die Geest gehen. "Und da bietet sich Ottensen an." Mehr als besagte zwei Baugebiete will er dem Ort aber nicht zumuten. "Für die nächsten zehn Jahre ist dann erst mal Schluss."

Völlig leidenschaftslos sieht FDP-Fraktionsvorsitzender Rudolf Fischer die Sache. Seine Partei sei beim Baugebiet am Grasweg offen. Er verweist zudem darauf, dass die Bürger Gelegenheit genug haben, gegen das neue Baugebiet Stellung zu beziehen.

"Wenn die Politik sagen würde, die acht Hektar sollen wieder raus, ist das durchaus möglich", sagt CDU-Fraktionsvorsitzende Arnhild Biesenbach. Baugebiete könnten immer modifiziert werden. Dass nun die 1,6 Hektar hinzukommen sollen, habe aber nichts mit dem auf Eis liegenden Acht-Hektar-Baugebiet zu tun. Auch sei das 1,6-Hektar-Areal bei den großen Fraktionen nicht strittig. "Es ist ja fast eine Lückenbebauung", erklärt sie und widerspricht damit der Position der Ottenser Bürger.

Michael Lemke von den Grünen stimmt ihr in diesem Punkt zu. Das Baugebiet am Grasweg sei eine Art Lückenschluss, gleichwohl bedeute eine Ausweisung als Bauland ja nicht, dass es mit dem Häuserbau sofort losgeht. Er könne verstehen, dass sich einige Bürger gegen allzu starke Veränderungen in ihrem Ort wehren. Aber nach dem Motto zu verfahren "Die Leute können gern überhall hin, nur nicht nach Ottensen", das gehe nicht. Buxtehude müsse genügend Bauland bereithalten, habe aber zugleich ein Problem, Bauwilligen erschwingliche Grundstücke anzubieten. Gerade gegenüber dem günstigeren Apensen könne man etwas gewinnen, wenn man Baugebiete in Ottensen ausweise.