Neuer Streit um die Querungshilfe in Jork. Wegen gestiegener Ausgaben erwägt die Gemeinde Klage gegen das Land

Mehr als fünf Monate gab es Streit um den Bau der Querungshilfe über die Landesstraße 140 in der Jorker Ortsmitte. Wegen der Vollsperrung der Straße Osterjork und der damit verbundenen Belastungen für Anlieger, wegen Dauerstaus, Umleitungen und mehrerer Bauzeitverlängerungen lagen die Nerven blank. Nun ist der Asphalt kaum ausgehärtet und schon braut sich ein weiterer Konflikt zwischen der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr und der Einheitsgemeinde Jork zusammen. Denn die Kosten für die Baumaßnahme sind stark angestiegen.

Die Steigerung des veranschlagten Gemeindeanteils von 86 000 Euro auf mindestens 200 000 Euro bringt Jorks Bürgermeister Rolf Lühmann auf die Palme. "Unser vorläufiger Kostenanteil liegt schon jetzt bei rund 114 000 Euro mehr und die Abschlussrechnung erhalten wir erst im kommenden Jahr", sagt Lühmann. Bei einer solchen Summe lohne es sich durchaus zu streiten. Jorks Verwaltungschef erwägt eine Klage gegen die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr.

"Wir werden diese höheren Kosten nicht klaglos hinnehmen", sagt der Chef der Einheitsgemeinde. Denn man habe durch die Verzögerung der Bauarbeiten und die damit notwendige längere Sperrung des Obstmarschenwegs beträchtliche Folgekosten zu tragen. Diese werde die Gemeine Jork der Straßenbaubehörde gegenrechnen, so Lühmann.

So müssen unter anderem Schäden an der Umleitungsstrecke Wellenstraße und am Osterminnerweg saniert werden. Auch Kosten für die Schulwegsicherung, Absperrungen am Schützenhofweg oder Behelfsampelanlagen mussten von der Gemeinde getragen werden, weil die Straßensperrung wegen der Bauarbeiten am Obstmarschenweg im Bereich Osterjork nicht, wie geplant, zum 5. August aufgehoben werden konnte. Auch im August, September und Oktober musste an dem rund 500 000 Euro teurem Straßenprojekt noch gebaut werden. Erst seit einer Woche rollt nun der Verkehr wieder in beide Richtungen.

Die Landesbehörde konnte kein Fehlverhalten erkennen

Jorks Verwaltungsvertreter und der Gemeinderat hatten der Leiterin des regionalen Geschäftsbereichs Stade der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, Gisela Schütt, fachliche Versäumnisse bei der Planung der Bauarbeiten vorgeworfen und eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht. Die Landesbehörde habe jedoch kein Fehlverhalten der Straßenbauamtsleiterin erkennen können, so berichtete Lühmann bei der jüngsten Jorker Ratssitzung über den Ausgang der Beschwerde.

"Beim Streit um die Baumaßnahmen, Kosten und Zeitpläne ist viel Politik im Spiel" sagt Markus Staebner von der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Stade. "Da wird nun der Schwarze Peter hin und her geschoben."

Kosten seien zu positiv kalkuliert worden, sagt ein Mitarbeiter

Die Gemeinde und die Straßenbaubehörde hätten die ursprünglich angesetzten Kosten zu positiv kalkuliert, nennt Staebner einen Grund für die Verteuerung. Als der Bau begonnen wurde, sei der Marktpreis für die Ausführungen bereits erheblich höher gewesen als erwartet.

"Auch die notwendigen Grundwasserabsenkungen, die mit einer Vakuumflachbrunnenanlage durchgeführt wurden, um die Erneuerung der Regenwasserkanalisation technisch zu ermöglichen, trieben die Kosten in die Höhe", sagt Staebner.

"Die Erfahrung zeigt, je weiter der Bauprozess fortschreitet, desto detaillierter zeichnen sich Zusatzkosten ab", sagt der Straßenbauexperte. So habe es im Vorfeld der Planungen keine Hinweise aus der Gemeinde Jork gegeben, wie es unter den Gehwegen und der Fahrbahn aussieht.

"Ich habe noch nie so ein Chaos wie dort unter der Straße gesehen. Beim Aushub für die Kanaltrasse stießen wir auf eine Elektroleitung, von der der Energieversorger Weser-Ems offensichtlich selbst nichts wusste", beschreibt Gisela Schütt die Situation. "Der Untergrund ist voller Leitungen, alles lag durcheinander wie Kraut und Rüben. Bevor die Straßenbaufirma überhaupt beginnen konnte, mussten Versorgungsunternehmen wie die Telekom ran. Das hat viel zusätzliche Zeit und Geld gekostet." Bevor mit dem Bau der Kanaltrasse begonnen werden konnte, habe man fortlaufend alte Brückenwiderlager und Fundamente ehemaliger Fleetbrücken freilegen müssen, so Schütt. Angesichts des schwierigen, schwingungsempfindlichen Bodens und der nahestehenden Bebauung sei ein Einsatz von Großgeräten zum Abbruch nicht möglich gewesen. Auch das hatte weiteren Zeitverzug und Mehrkosten zur Folge.

"Die Gemeinde wusste schon früh, in welcher Größenordnung es für sie teurer wird", sagt Staebner. Im Nachhinein mache es wenig Sinn, nun feilschen zu wollen und zu klagen.

"Das Bauvorhaben wurde im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung an das Unternehmen mit dem wirtschaftlichsten Angebot gegeben. Dieser Hauptauftragnehmer hat dann alle Bauabschnitte eigenständig organisiert, das ist völlig normal so", sagt Staebner. "Die Landesstraße wurde auf einem etwa 200 Meter langen Teilstück der Fahrbahn in Osterjork ausgebaut, dazu kamen die Erneuerung der Regenwasserkanalisation, der Rad- und Gehwege und eben eine sogenannte Querungshilfe für Fußgänger zwischen den Straßen Mattentwiete und Auf dem Kamp. Sie soll ein Überqueren der stark befahrenen Straße sicherer machen."

Nun, nachdem fast alle Arbeiten abgeschlossen sind, und der Verkehr wieder normal rollt, liegt die neue Querungshilfe wie eine kleine, einsame Insel in der Fahrbahn. Dass sie von den Jorkern intensiv genutzt wird, ist bisher allerdings nicht erkennbar. Von 18 befragten Passanten gaben 17 an, die vier Meter lange und 2,50 Meter breite Verkehrsinsel noch nie betreten zu haben. Ob mit Kinderwagen oder mit Paketen bepackt auf dem Weg zur nahen Post, kaum jemand geht über die Querungshilfe. "Das ganze ist doch sehr unglücklich an dieser Stelle", sagt eine Jorkerin. "Beim Altenheim hätte die Insel mehr gebracht."

Tatsächlich müssten die Senioren, wenn sie vom etwa 600 Meter entfernten Altenheim kommen und zur Post wollen, erst ein Stück in Richtung Ortsmitte gehen, wenn sie die Querungshilfe nutzen wollen. Auf dem Weg zum Einkaufsmarkt beim Rathaus ist die Verkehrsinsel allerdings besser gelegen.