Bewegte Bilder auf einer runden Platte: Mit der historischen “Camera Obscura“ ermöglicht der Stader Fotoclub faszinierende Bilder.

Stade. Da werden die Augen ganz groß: Bei diesem außergewöhnlichen Panorama-Blick auf Stade kommen Erwachsene wie Kinder ins Staunen. Bewegte Bilder vom Leben rund um den Hafen. Schiffe auf dem Wasser, Autos an der Kreuzung oder die Kirchen in einer faszinierenden Perspektive, all das so schön auf eine runde Platte gezaubert, dass man süchtig danach werden kann.

So muss es wohl bei Jörg Kessler, dem Vorsitzenden des Stader Fotoclubs "Das Auge" gewesen sein.

"Als ich im Frühjahr 2006 in Marburg eine begehbare Camera Obscura gesehen habe, wurde ich mit dieser Idee schwanger", scherzt der Fotoenthusiast. Doch bis seine Idee Wirklichkeit wurde, dauerte es noch bis zum Jahr 2008. Es kostet viel ehrenamtliche Arbeit und Geld.

Spendengeld und Engagement ermöglichten das Projekt

"Wir haben unser Konzept bei der Sponsorenjury der Dow eingereicht und hofften, das Projekt mit Spenden verwirklichen zu können", erinnert sich Keßler. Und tatsächlich gewannen sie 5000 Euro, mit denen der finanzielle Grundstein gelegt werden konnte. Viele Stader Firmen spendeten und unterstützten das Projekt. Zudem ermöglichte der Stader Kunstverein, dass die "Camera Obscura Stadea" im Obergeschoss des denkmalgeschützten Schleusenhauses an der Altländer Straße 2 einen Platz bekommen konnte.

Mehr als ein Vierteljahr werkelten die Fotoclub-Mitglieder, um das glasfaserverstärkte Kunststoffrohr einzubauen. Fotoclubmitglied Dietmar Kraushaar arbeitete wochenlang kriechend auf dem niedrigen Boden des Schleusenhauses, damit für die Installation alles perfekt vorbereitet war. Fotofreunde wie Hans Nau sorgten für die Dow-Patenschaft und Stader Handwerker halfen, mit speziellen Einzelanfertigungen die Camera Obscura bis ins Detail zu perfektionieren.

Gemeinsam mit dem Stader Fotoclub engagierten sich auch Schüler der Realschule Am Hohenwedel und der Jobelmann-Schule. Zu verdanken hat Stade die beliebte Installation aber hauptsächlich der Hartnäckigkeit des Technik-Tüftlers Jörg Kessler. Der 68-Jährige holte sich fachlichen Rat aus Marburg, Ingolstadt oder Zittau, wo es solche optischen Geräte bereits gab.

Aristoteles entdeckte das Prinzip der Lochkamera

Die technische Voraussetzung ist so simpel wie genial: Ein Rohr, ein Spiegel, eine Linse, eine Platte. All das in einem dunklen Raum. "Camera Obscura" wird dieser Raum genannt, in dem das optische Phänomen zu erleben ist.

"Das Geheimnis der dunklen Kammer ist ein faszinierendes Erlebnis, das auf dem Prinzip einer so genannten Lochkamera beruht", weiht Kessler bei seinen Führungen die Besucher in die optischen Gesetze ein. Damit war schon Aristoteles (384 bis 332 vor Christus) im 4. Jahrhundert vor Christus vertraut. In seiner Schrift "Problemata physica" beschrieb der griechische Philosoph und Wissenschaftler bereits die Erzeugung eines auf dem Kopf stehenden Bildes, das entsteht wenn Licht durch ein kleines Loch in einen dunklen Raum fällt. Auch Leonardo da Vinci (1452 bis 1519) untersuchte den Strahlengang und stellte fest, dass dieses Prinzip auch im menschlichen Auge zu finden ist.

Nachdem es im Mittelalter gelang, Linsen zu schleifen, ersetzte man das kleine Loch durch eine größere Linse. Im Jahre 1686 konstruierte Johann Zahn eine transportable Camera obscura. Ein Spiegel projizierte das Bild nach oben auf eine Mattscheibe. Da es von dieser Mattscheibe bequem abgezeichnet werden konnte, nutzten Maler die Camera Obscura. Die Künstler konnten so Landschaften und Gebäude in realistischen Proportionen malen. Der berühmte Architekturmaler Bernardo Belotto, genannt Canaletto, schuf so seine weltberühmten Gemälde von Dresden und Warschau. Der Astronom Johannes Kepler entwickelte um 1568 eine Spiegelreflextechnik, die bis heute das optische Herzstück jeder Kamera ist.

Mit der technischen Weiterentwicklung gelang es später, entstehende Bilder mit verschiedenen photochemischen Verfahren auf lichtempfindlichem Material, Glasplatten, Zelluloid und heute sogar über einen elektronischen Bildwandler digital auf Speicherchips zu konservieren.

Besucht man die Camera Obscura des Stader Fotoclubs "Das Auge" führt Jörg Kessler sehr anschaulich und gut verständlich durch die Entwicklungsgeschichte der Fotografie. Dann führt er die Gäste zu einem runden Tisch mit glatter weißer Oberfläche, die als Projektionsfläche für die Bilder dient. Darüber hängt eine Apparatur, die mit einem Rohr zum Dach des Schleusenhauses führt. Mit Hilfe einer optischen Kombination aus Spiegel und Linse fängt Kessler lebendige Bilder aus der Umgebung ein. Dazu dreht der die Vorrichtung nach Wunsch in jede Himmelsrichtung. Die Linse hat einen Durchmesser von 200 Millimetern, der Spiegel, der die einfallenden Lichtstrahlen auf den Projektionstisch lenkt, misst 27 mal 27 Zentimeter.

Diesen Panoramablick wollen immer mehr Schüler und Lehrer, aber vor allem Besucher der Hansestadt sehen. "Es ist eines unserer Ziele, dass Schüler hier Unterricht am optischen Gerät haben und in den Bereichen Physik, Optik und Mathematik Fachwissen erwerben können", sagt Kessler.

Anmeldungen für Führungen durch die Camera Obscura Stadea sind telefonisch unter 04141/66 67 62 möglich. Ausführliche Informationen gibt es auf der Homepage des Fotoclubs. www.fotoclub-das-auge.de