Ausstellung in Stade soll das Verständnis für die jeweils andere Religion stärken

Stade. Die Zukunft des Glaubens ist weiblich. Immer mehr Frauen in Deutschland und in der Welt, die von der globalisierten Welt verwirrt und verunsichert sind und die einen Fixpunkt für ihr Leben suchen, finden in ihrem Glauben den nötigen gesellschaftlichen und seelischen Halt. Das ist zumindest die Erkenntnis von Hamideh Mohagheghi.

Die Juristin mit iranischen Wurzeln kennt sich aus. Sie ist islamische Theologin und Referentin für interreligiösen Dialog, lehrt an der Universität Paderborn, ist Teilnehmerin der zweiten Deutschen Islamkonferenz und als Referentin der Ausstellung "Frauen zwischen Kirchturm und Minarett - Begegnungen rund im die Ausstellung: Gesichter des Islam", die bis zum 17. November im Gemeindehaus der Markuskirche in Stade gezeigt wird, zu Gast in Stade. Vor allem die Lage der Muslime in Deutschland kennt die Juristin und Theologin nur zu gut - und die vielen Probleme, mit denen sie kämpfen. Und die sind weiterhin umfangreich.

Das umstrittene Kopftuch ist teilweise nur ein Modeaccessoire

Da ist zum Beispiel die Debatte über das Kopftuchverbot. Fast wie zum Trotz trägt die aufgeklärte Akademikerin ein Kopftuch. Die Kopfbedeckung mit einer politischen Stellungnahme gleichzusetzen, davor warnt die Juristin. "Für viele Frauen ist ein Kopftuch ein Modeaccessoire, anderen gibt es ein Gefühl von Sicherheit, von kultureller Identität", sagt sie. Ähnlich einem Dirndl in Bayern oder einem texanischen Cowboyhut. Sie warnt davor, Kopftuchträger automatisch mit erzkonservativen oder gar fundamentalistischen Muslimen gleichzusetzen. Und ein Zeichen von Integrationsunwilligkeit seien die Kopftücher auch nicht.

"Natürlich wird es immer Gruppen geben, die abgegrenzt leben wollen," sagt die Juristin. Viele Migranten seien noch mit sich selbst beschäftigt, aber die zweite und dritte Generation der Muslime in Deutschland breche da heraus. "Sie wollen und müssen sich integrieren, denn sie wollen zur Gesellschaft gehören", sagt Mohagheghi. Und dass sie stärker die Initiative ergreifen müssen, sei den Menschen bewusst.

Geschätzte 70 bis 80 Prozent der Muslime in Deutschland hätten bereits ein starkes Interesse daran, ein integraler Bestandteil der deutschen Gesellschaft zu sein und würden daher auch viel in dieser Richtung unternehmen - auch im Kreis Stade. Dass politisch sowohl in Deutschland aber auch im Ausland immer wieder kontraproduktive Äußerungen hervorgebracht werden, sei nicht zu leugnen. "Das hier keine Besserung erfolgt, ist bedauerlich", sagt Mohagheghi. Denn eine Verständigung der Kulturen werde somit unnötig verkompliziert.

Pastor stellt wachsendes Interesse der Muslime am Christentum fest

Dass Christen und Muslime einander aber besser kennenlernen müssen, davon sind sowohl Mohagheghi als auch Pastor Volker Dieterich-Domröse von der Stader Markusgemeinde überzeugt. "Das Positive ist für uns zunächst, dass das Interesse der Christen am Islam und das Interesse der Muslime am Christentum beständig zunimmt", sagt der Pastor. Die Menschen erkennen, dass einander eine Wertschätzung entgegengebracht werden muss und dass ein fruchtbares Miteinander nur funktionieren kann, indem die Menschen einander kennenlernen. "Der Glaube spielt hierbei eine nicht unwichtige Rolle", sagt Dieterich-Domröse. Religion spiele nach wie vor einen wichtige Rolle als gesellschaftliches Fundament, als moralischer und ethischer Wegweiser. "Deshalb ist es wichtig, zu erklären, welche moralische und ethische Bedeutung die Religion für Muslime und Christen hat", so Dieterich-Domröse. Der Glaube sei, so Dieterich-Domröse und Mohagheghi, für zahlreiche Menschen eine unverzichtbare Identifikationsgröße, auch wenn es eine zunehmende Entfremdung vieler Bürger in Deutschland und im Nahen und Mittleren Osten von ihrer Religion gebe.

Dass sich viele Menschen vom Christentum oder vom Islam abwenden, sei, so Mohagheghi, oft eine direkte Folge des konsequenten Missbrauchs der Religionen für politische Zwecke. "Gerade im Iran ist diese Entwicklung sehr deutlich zu sehen", sagt Mohagheghi. Die Führer dieses Staates, die zugleich religiöse Ämter ausüben, würden und könnten nicht als Identifikationsfiguren für die große Mehrzahl der Muslime herhalten. Die Crux ist aber: Die Gesellschaft braucht immer wieder Identifikationspersonen. Vorbilder seien, für viele Menschen wichtig, um sich orientieren zu können. "Es darf aber nicht vergessen werden, jedes Vorbild kritisch zu betrachten. "Religiöse Führer, Musikstars oder Politiker eignen sich für eine Vorbildfunktion nur wenig", so Dieterich-Domröse.

Am Donnerstag, 4. November, können von 17 Uhr bis 20 Uhr Frauen aller Kulturen und Religionen im Gemeindehaus der St.-Markusgemeinde (Lerchenweg 10) beim Frauenfeierabend miteinander in Kontakt treten. Der Eintritt ist frei.

Am Dienstag, 16. November, referiert Ursula Rudnik von 17 Uhr an speziell für Frauen über die gemeinsamen Wurzeln von Judentum, Christentum und Islam anhand der alttestamentarischen Geschichte von "Sara und Hagar". Veranstaltungsort ist das Gemeindehaus, der Eintritt kostet fünf Euro.

Die Ausstellung "Gesichter des Islam" ist noch bis zum 17. November, zu sehen. Offene Führungen gibt es montags am 1., 8. und 15. November sowie am Donnerstag, 11. November, jeweils von 18 Uhr an.