An eine Konservenfabrik im Lipperland liefern sechs Höfe aus der Region täglich bis zu 16 Tonnen des Gemüses

Borstel. Schon bevor die eigentliche Grünkohlsaison in Gasthäusern und Hofläden Ende Oktober beginnt, läuft die Ernte auf den Feldern bei Winsen auf Hochtouren. Der Hof Löscher aus Hoopte und fünf weitere Erzeuger aus dem Raum Winsen liefern das Gemüse im großen Stil für die bekannte Konservenmarke Heinrich Lüders. 16 Tonnen täglich gehen aus Winsen an die Grünkohlfabrik in Lage bei Bielefeld.

Die Bauern werden in diesem Jahr weniger Grünkohl ernten, sagt Heinrich König. Der Landwirt aus Borstel wird nur der "Grünkohl-Manager" genannt, weil er das Geschäft der Vertragslieferanten aus Winsen organisiert. Die Hitze im Juli sei Schuld, sagt er, habe das Wachstum gebremst. Bei mehr als 30 Grad mache der Grünkohl schlapp. Deshalb werden die Erzeuger aus Winsen nur etwa 90 Prozent der vereinbarten Menge liefern können.

Auf sechs Hektar baut der Hof Löscher Grünkohl an, das wegen seiner Form auch "Oldenburger" oder "Friesische Palme" genannt wird. Diese Regionen sind Hochburgen des Grünkohlanbaus in Niedersachsen. 407 Hektar umfasst die Anbaufläche in dem Bundesland. In Deutschland wird Grünkohl auf etwa 934 Hektar angebaut. Seit 20 Jahren ist Familie Löscher Vertragslieferant für Lüders. Sein Hauptgeschäft macht der Betrieb mit Spargel und Erdbeeren. Der Grünkohl ist eine willkommene Zwischenfrucht - diese Abwechslung hält den Boden fruchtbar.

Ein Feld in der Winsener Ortschaft Borstel: Vier polnische Erntehelfer rupfen hier mit der Hand das Meer der "Friesischen Palmen". "Handgerupft" ist ein wesentliches Marketingmerkmal für "Lüders"-Grünkohl. Denn die Konkurrenz, sagt Heinrich König, ernte mit der Maschine. Die könne aber gelbe, verwelkte Blätter nicht von den grünen unterscheiden. In zwei Stunden haben die vier Erntehelfer mit flinken Händen etwa 500 Kilo saftig-grünen Kohl gerupft.

Der Weg des Grünkohls bis in die Konserve beginnt Mitte April oder spätestens zum 1. Mai mit der Aussaat. Anfang Juli wird das Gemüse in den Boden gepflanzt. Die "Friesenpalme" ist dann etwa 20 bis 25 Zentimeter groß.

Der Erntetag im Oktober beginnt um sieben Uhr morgens. An Ende des Tages kommt der Hof Löscher auf zweieinhalb Tonnen des Gemüses. Die Ware erreicht noch am selben Tag gegen 22 oder 23 Uhr die Fabrik der Lipperland Konserven GmbH im 240 Kilometer entfernten Lage. Gegen fünf Uhr morgens wird der Grünkohl aus Winsen gewaschen, vorgekocht, in die Dose verpackt, erhitzt und zum Schluss im Wasserbad abgekühlt. Ohne Zutaten - fertig ist die Konserve.

Schon Ende September und im Oktober kann Grünkohl geerntet werden - warum beginnt die eigentliche Grünkohlzeit erst später im November? Verbreitet ist die Erklärung, der Grünkohl brauche den ersten Frost, damit die Kälte dem Gemüse die Bitterstoffe entziehe. Erst dann sei er so richtig lecker. Das mag früher so gewesen sein. Heute können die Erzeuger auf Züchtungen zurückgreifen, denen die Bitterstoffe entzogen sind. Grünkohl mit Bitterstoffen, selbst die bekannte Sorte "Lerchenzungen", sei rückläufig, sagt Heinrich König.

Tradition und das Essverhalten der Verbraucher seinen die tatsächlichen Gründe für den Saisonbeginn im November: "Die Leute mögen den Kohl, wenn es kälter und dunkler wird", sagt Florian Löscher. "Im Spätsommer, wenn es noch warm ist, isst das keiner."

Grünkohl aus eigenem Anbau serviert das Hofcafé Löscher am Hoopter Elbdeich 77 dann auch erst ab Sonnabend, 13. November: Dann gibt es hausgemachten Grünkohl mit Kartoffeln, Kohlwurst, Pinkel, Bauchfleisch oder Kasseler.