Kaution auf 900 000 Euro festgelegt. Angeklagte im Verdacht, Container falsch deklariert zu haben

Stade. Pawel K. blickt den Vorsitzenden Richter Wolfgang Rühle fragend an. Dann dreht sich der 44-jährige Pole zu seiner Dolmetscherin, nickt, schaut wieder zu Rühle und antwortet. Die Dolmetscherin übersetzt: "Ich wohne in Warschau." Doch die Verständigung ist wohl eines der kleineren Probleme im umfangreichen Prozess gegen drei Mitglieder einer Schmugglerbande, der jetzt vor dem Stader Landgericht eröffnet wurde. Zwei der Angeklagten saßen bislang in Untersuchungshaft, sollen aber gegen Zahlung hoher Kautionen freikommen. Die Staatsanwaltschaft legte sofort Beschwerde ein.

Waren wurden über den Hamburger Hafen nach Polen befördert

In bis zu 2002 Fällen sollen die Angeklagten den Finanzbehörden rund 17 Millionen Euro vorenthalten haben. Dazu sollen die Beschuldigten hunderte Container mit Waren aus China über den Hamburger Hafen nach Polen geschafft haben. Der sogenannten "China-Zelle" wird vorgeworfen, dazu Scheinfirmen in Celle und Berlin gegründet, Urkunden und Packlisten gefälscht und den Wert der Containerladungen deutlich zu niedrig angegeben zu haben. Die Angeklagten sollen so Einfuhr- beziehungsweise Ausfuhrabgaben hinterzogen haben. Zwei Jahre lang haben die Ermittler ganze Arbeit geleistet. Allein die Hauptakte umfasst acht Bände, die einzelnen Fallakten füllen elf Umzugskartons. Einsicht in letztere sei der Verteidigung nur "äußerst zögerlich und spärlich" gewährt worden, monierte der Hamburger Rechtsanwalt Bernd Wagner zum Auftakt der Verhandlung.

Sowohl er als auch seine Kollegen in der Verteidigung hätten deshalb und aufgrund der komplexen und komplizierten Aktenlage zu wenig Zeit gehabt, die Unterlagen zu sichten und mit ihren Mandanten zu besprechen. Deshalb stellte Wagner den Antrag, das Verfahren vorerst auszusetzen, die anderen Verteidiger schlossen sich ihm an. Die Staatsanwaltschaft verwies darauf, dass immer unverzüglich Einsicht gewährt worden sei. Bezüglich der Fallakten habe die Staatsanwaltschaft die Verteidigung gebeten, sich mit dem Zollfahndungsamt in Hannover in Verbindung zu setzen, um diese einsehen zu können. Am Ende des ersten Prozesstages zog die Verteidigung den Aussetzungsantrag überraschend zurück. Die Vorraussetzung dafür war jedoch, dass die Haftbefehle gegen Pawel K. und Michal K. außer Vollzug gesetzt werden.

Kammer hält Beschwerde gegen die Entscheidung für unbegründet

Die Kammer, die aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besteht, entschied, die beiden Polen gegen eine Kaution von 400 000 beziehungsweise 500 000 Euro frei zu lassen. Die Staatsanwaltschaft legte eine sofortige Beschwerde ein.

Dieser wurde allerdings nicht abgeholfen, das heißt, die Kammer hielt sie für unbegründet. Jetzt muss das Oberlandesgericht in Celle als nächsthöhere Instanz über die Beschwerde entscheiden. Der Prozess wird am Montag, 4. Oktober, von 9.30 Uhr an fortgesetzt. Eine Angeklagte erkrankte kurz vor dem ersten Prozesstag. Das Verfahren gegen sie wird abgetrennt.