Sammler Gerd Matthes hütet in seinem Museum in Estebrügge historische Gegenstände

Estebrügge. Die Kronen und die Schleifen auf den kostbaren Holzstühlen - mit bunt verziertem Namensschild für reiche Bauern, ohne Schild für die anderen - machen symbolisch deutlich: Die Altländer sind freie Bürger. Sie waren es von Anfang an. Als holländische Siedler begannen, die Gegend zu kultivieren, erhielten sie das Recht, frei von Leibeigenschaft zu leben. Der Stolz auf diese Tatsache und auf den beachtlichen Wohlstand des Landes der Äpfel, Kirschen und Pflaumen durchzieht wie ein roter Faden die Sammlung von Gerd Matthes.

Gerd Matthes sammelt seit seiner Jugend die Schätze der Region

Der 78-jährige Pensionär sammelt und hütet seit seiner Jugend die Schätze des Alten Landes. Heute zeigt Matthes die Resultate seiner über 60-jährigen Sammelleidenschaft in seinem privaten Museum in Estebrügge. Die seltene Gelegenheit, die Sammlung zu bestaunen, bietet sich während des Estebrügger Marktes am Sonntag. Dann hat das Museum am Steinweg 7 von 11 bis 18 Uhr geöffnet.

Seinen Besucher klärt Matthes über die Feinheiten der landwirtschaftlichen Arbeitskleidung auf. So trugen Altländer Frauen früher spezielle Unterhosen, die ihnen halfen, während der Arbeit auf dem Feld ihr Geschäft zu verrichten. Doch nicht nur derlei derbe Exponate sind im kleinen feinen Museum Estebrügge zu sehen, präsentiert wird auch die festliche Tracht der Altländerinnen, zu der mit Perlen- und Bernsteinketten sowie Filligranknöpfe gehörten.

"Wir Männer sind ja bescheiden", sagt Matthes. Während allerlei Kleidung und Geschmeide der holden Weiblichkeit zur Sammlung zählt, wird die männliche Seite durch praktische Mützen und übergroße Winterstiefel für warme Füße beim Schlittenfahren repräsentiert.

Sammler sind glückliche Menschen, findet Matthes

"Ich finde das schön. Und wenn keiner sammelt, dann geht doch irgendwann alles den Bach hinunter", begründet Matthes seine Tätigkeit - und fügt hinzu: "Sammler sind glückliche Menschen." Obwohl kein ganz "echter" Altländer, sondern geborener Buxtehuder, haben es ihm die Gegenstände des Alltags aus der Region angetan. 25 Jahre wirkte er als Gästeführer im Alten Land. Seinen eigenen Stammbaum könne er bis ins Jahr 1200 zurückverfolgen, auch Mord und Totschlag habe es in der Familie gegeben. So habe am Heiligabend des Jahres 1615 ein Urahn seine Schwiegermutter umgebracht. Auch über Altländer Seemänner kennt er pikante Details. So habe mancher seiner Ehefrau von einer Reise nach England einen "Puffhund" aus Porzellan als Geschenk mitgebracht. Die gab es zur Zeit Königin Victorias bei einem Bordellbesuch als Souvenir.

Vieles war früher klar geregelt: Dass die Bäuerin für große Hochzeitsfeiern Tischtücher für 400 Gäste haben musste zum Beispiel. Die 400 silbernen Löffel brachten die Gäste selbst mit. Nur Löffel, keine Gabeln und keine Messer, denn zum Essen gab es Altländer Hochzeitssuppe. Dieser Brauch lebt noch heute vereinzelt fort. Zur original Altländer Hochzeitssuppe gehört pro Person ein Pfund bestes Rindfleisch - das wird so gut gekocht, dass es sich mit dem Löffel zerteilen lässt. Dazu werden Rosinen und Brot gereicht.

Die Aussteuertruhe - auch davon zeigt Matthes in seinem 250 Jahre alten Haus mehrere Beispiele - enthielt aber nicht nur Tisch-, sondern auch Leichentücher. Die wurden nach dem Todesfall gewaschen, an die nächste Generation weitervererbt und wieder verwendet. Heute schützen sie als Vorhänge die kostbaren Stücke in den Vitrinen vor Staub.

Neben Textilien für Leben und für Tod enthält die Sammlung auch Gemälde, Möbel und Bücher. So zählt die "Policey- und Teichordnung" in den Herzogtümern Bremen und Verden, herausgegeben 1693 von der Königlich-Schwedischen Regierung in Stade, zu den ältesten Schaustücken. "Da steckt manche Buddel Köm drin. Die hätte ich trinken können, wenn ich nicht so viele alte Sachen für die Sammlung gekauft hätte", resümiert Gerd Matthes.