Der Umweltausschuss soll aufklären, wieso der Landkreis Stade massenhaft Bäume in einem sensiblen Landschaftsschutzgebiet roden ließ

Stade/Oldendorf. Die umstrittene Abholzaktion im Sunder Wald wird zum Politikum. Mehrere Kreistagsabgeordnete und andere Kommunalpolitiker fordern, den Sachverhalt auf der nächsten Sitzung des Umweltausschusses aufzuklären, um herauszufinden, wieso der Landkreis Stade auf rabiate Weise Bäume in einem 80 Hektar großen, sensiblen Landschaftsschutzgebiet roden ließ. Dabei wurden riesige Maschinen eingesetzt, die unter anderem schützenswerte Rückzugsgebiete für Fledermäuse zerstört und im Wald eine Schneise der Verwüstung hinterlassen haben.

Der Prostest der Politiker ist parteiübergreifend. Grüne regen sich über das Vorgehen der Kreisverwaltung ebenso auf wie Politiker von CDU und Wählergemeinschaft. Stades Erster Kreisrat Eckart Lantz (FDP) verteidigt indes die Verwaltung: "Wir wollen den Sunder Wald attraktiver machen und ihn zum Mischwald umbauen." Der Wald gehört dem Landkreis und steht unter der Obhut des Naturschutzamtes, das grünes Licht für den Einsatz schwerer Holzerntetechnik gegeben hat.

Doch selbst in dem betroffenen Ort ist man ratlos. "Wir wussten zuvor gar nichts von dem Holzeinschlag in Sunde", sagt Thomas Scharbatke (parteilos), der Samtgemeindebürgermeister von Oldendorf. Auch die Kreistagsmitglieder des Ausschusses für Regionalplanung und Umweltfragen erfuhren erst aus dem Abendblatt von dem Vorgehen des Landkreises entlang des Naturlehrpfades rund um die Sunder Seen. Nachdem sich mehrere Politiker ein Bild vor Ort gemacht haben, soll das Thema "Holzeinschlag im Sunder Wald" auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Umweltausschusses am 1. September.

"Es ist sehr ärgerlich, dass wir als Kreistagsmitglieder nichts von der Sache wissen. Solche Maschinen sind für diesen Wald zu mächtig. Auch der Zeitpunkt ist ganz ungünstig gewesen", sagt Umweltausschuss-Mitglied Verena Wein-Wilke (Die Grünen). Das Argument der Kreisverwaltung, der Borkenkäfer habe den massiven Holzeinschlag notwendig gemacht, hält Wein-Wilke für möglicherweise vorgeschoben.

Die Politikerin verweist in einem Schreiben an Landrat Michael Roesberg auf die nach der Holzernte erkennbaren ökologischen Schäden im Wald. Zugleich fordert sie ihn auf, mehrere Fragen zu beantworten, nämlich wer genau den Holzeinschlag angeordnet hat, welche Fachleute beteiligt waren, ob der Zeitpunkt der Holzernte abgesprochen war und welche Maßnahmen zur Minderung der Schäden nach dem Eingriff beabsichtigt sind.

Diese und weitere Fragen wollte das Abendblatt auch dem inzwischen aus dem Urlaub zurückgekehrten Leiter des Naturschutzamtes, Uwe Seggermann, stellen. Doch der hat zwischenzeitlich offenbar einen Maulkorb von seinem Vorgesetzten, Eckart Lantz, erhalten und gab sich nun entsprechend wortkarg: "Ich kann keine Auskunft geben. Bitte wenden Sie sich an den Dezernenten." Noch wenige Tage zuvor hatte sich sogar Seggermanns Stellvertreter noch öffentlich zu dieser Angelegenheit äußern dürfen, wenn auch nur in Anwesenheit von Eckart Lantz.

Dieser bekräftigte als zuständiger Dezernent gegenüber dem Abendblatt noch einmal, dass es sich bei der Maßnahme in Sunde um ein "ordnungsgemäßes Vorgehen im Zuge nachhaltiger forstwirtschaftlicher Nutzung" gehandelt habe. "Es kann im Sommer durchaus im Wald Holz geerntet werden", sagt Lantz. "Zudem fühlen wir uns missverstanden, wenn Worte wie 'Frevel im Wald' in der Zeitung stehen." Lantz weiter: "Es bleibt bei der Zielsetzung, den Sunder Wald in einen Mischwald zu wandeln. Es werden auch in den kommenden Jahren dort weiter Fichten geschlagen." Auf die Frage, wieso unter der Maßgabe, Mischwald entstehen zu lassen, auch Eichen, Buchen und Birken gefällt wurden, sagt er: "Wenn es tatsächlich dazu gekommen ist, dass Buchen und Eichen abgeholzt wurden, dann ist das eine notwendige Durchforstungsmaßnahme." Es handele sich um konkurrierende Laubbäume, die anderen Laubbäumen das Licht nehmen und deshalb habe man sie gefällt.

In Oldendorf und Heinbockel zieht das Vorgehen des Landkreises in dem beliebten Naherholungsgebiet inzwischen Kreise. Der Oldendorfer Ratspolitiker und Kreistagsmitglied Uwe Uhlendorf (CDU) sieht das Vorgehen des Landkreises im Sunder Wald kritisch. "Wir haben bereits in der jüngsten Sitzung des Verwaltungsausschusses in Oldendorf das Thema diskutiert. Auf große Zustimmung sei das Vorgehen in Sunde nicht gestoßen, so Uhlendorf vorsichtig Man wolle diesbezüglich noch einmal mit Helmut Bergmann vom Naturschutzamt des Landkreises sprechen. "Ich werde die Sache im Umweltausschuss zum Thema machen."

Auch der Oldendorfer Ratspolitiker Peter Wortmann (Die Grünen) sagt: "Ich bin der Meinung, dass der Landkreis, wenn er einen Wald ökologisch und nachhaltig umgestalten will, behutsamer hätte vorgehen müssen. Ich bin Lehrer, und wir nutzen mit unseren Schülern aus Oldendorf und Estorf häufig den Naturlehrpfad. Da ist es wichtig, dass der Landkreis als Vorbild vermittelt, wie Wald umgestaltet wird." Gerade Helmut Bergmann habe so viele gute Umwelt- und Naturschutzprojekte initiiert, dass man sich nicht erklären könne, warum in Sunde so brachial verfahren wurde, so Wortmann.

Dass führende Mitarbeiter der Stader Kreisverwaltung nun im Kreuzfeuer der Kritik von Bürgern, Naturschützern und Politikern stehen, liegt nicht nur am rücksichtslosen Einsatz der schweren Technik mitten im Landschaftsschutzgebiet, sondern vor allem an der von Eckart Lantz und Helmut Bergmann ausgegebenen Begründung, der Borkenkäfer habe die Bäume geschädigt, weshalb man sie fällen müsse.

Tatsächlich steht mittlerweile fest, dass der Borkenkäfer in diesem Jahr im gesamten Elbe-Weser-Raum kein Thema war. "Unsere Förster sind überall hellwach. Wir haben zurzeit definitiv kein erhöhtes Aufkommen an Schadholz durch den Borkenkäfer, ergaben unsere jüngsten Kontrollen", sagt Reiner Baumgart, der Pressesprecher der Niedersächsischen Forstämter für den Bereich Nord-Ost zwischen Südheide und Elbe-Weser. "Nach der langen Trockenzeit, die für die Bäume großen Stress bedeutet und sie schwächt, kam der Regen in den vergangenen Tagen gerade richtig."