Die Estestadt feiert das 20-jährige Bestehen ihrer Städtepartnerschaft mit Ribnitz-Damgarten in Nordvorpommern

Buxtehude/Ribnitz-Damgarten. Eigentlich wäre Jürgen Borbe am 3. Oktober Ehrengast in Bremen gewesen, hätte mit Bundespräsident Christian Wulff und Kanzlerin Angela Merkel den Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung gefeiert. Mit 20 Jahren im Amt ist Borbe einer der dienstältesten Bürgermeister der neuen Bundesländer. Doch wichtiger als die Größen der Bundespolitik ist dem 62-Jährigen an diesem Tag die Freundschaft zu Buxtehude.

Gefeiert wird am ersten Oktober-Wochenende auch in der Has'-und-Igel-Stadt. Anlass ist das 20-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft mit Ribnitz-Damgarten. Die 16 000-Einwohner-Stadt in Mecklenburg-Vorpommern entsendet eine Delegation mit Bürgermeister Borbe an der Spitze. Im Ribnitzer Rathaus erinnert man sich dankbar an viele Tipps und tatkräftige Unterstützung beim Umbau der Verwaltung aus DDR-Zeiten zu einer Kommune der Bundesrepublik.

Als erstes habe er alle Mitarbeiter aus DDR-Zeiten "rausgeschmissen und neue Leute eingestellt", sagt Borbe mit Blick auf die Zeit vor 20 Jahre, als er nach der letzten DDR-Kommunalwahl als CDU-Vertreter mit 42 Jahren zum Bürgermeister gewählt worden war. Allein im Wohnungsamt hätten sieben Mitarbeiter gesessen, die wohnungssuchenden Bürgern ohnehin nur hätten erklären können, dass zum fraglichen Zeitpunkt leider gerade kein Wohnraum frei sei.

Überhaupt waren die Spielräume, so Borbe, zu DDR-Zeiten arg gering gewesen. Die Stadtverwaltungen hätten ausführen müssen, was von oben vorgegeben wurde: "Es gab keine Eigenverantwortung." Damit das anders werden konnte, wurde Know-how gebraucht. Da traf es sich gut, dass sich die Stadt Buxtehude aus dem nicht allzu fernen Westen auf der Suche nach einer Partnerstadt ausgerechnet für Ribnitz-Damgarten entschieden hatte.

"Wir haben die gleiche Verwaltungsstruktur wie Buxtehude, bis hin zu den Dienstvorschriften", sagt Borbe. Das sei die richtige Entscheidung gewesen. Bürgermeister Borbe nimmt dabei sogar einen Begriff in den Mund, der zeigt, mit wie viel Stolz er darauf blickt, was seine Bürger und er in den vergangenen zwei Jahrzehnten geschafft haben: "Heute gibt es hier tatsächlich blühende Landschaften. Und einen ausgeglichenen Haushalt."

Dass in puncto kommunaler Sparsamkeit Buxtehude heute sogar von Ribnitz-Damgarten lernen könnte, glaubt CDU-Mann Borbe nicht. Schließlich hätten die Menschen in Buxtehude eine ganz andere Erwartungshaltung.

Die Ribnitzer und Damgartener begegnen Besuchern ohnehin mit Freundlichkeit, doch wenn sie hören, dass sie es mit Gästen aus Buxtehude zu tun haben, kommt ein besonderes Lächeln in die Gesichter. Viele haben die Partnerstadt schon besucht - überwiegend auf Vereinsebene.

So bestehen inzwischen zahlreiche Freundschaften zwischen Musikern, Künstlern, Tanzgruppen, DRK, Feuerwehr, Sportlern, Schützen und Keglern aus beiden Städten. Diese Verbindungen werden zum Teil bereits seit 20 Jahren gepflegt. Für Bürgermeister Borbe ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Partnerschaft noch lange bestehen soll: "Es ist mein Wunsch, dass wir in 20 Jahren noch so viele Kontakte und Freundschaften haben".

Wer Ribnitz-Damgarten besuchen oder hier Urlaub machen will, hat viele Möglichkeiten. Beim Stadtbummel warten das Deutsche Bernsteinmuseum, das Kloster aus dem 14. Jahrhundert, die Stadtkirche St. Marien, das Rostocker Tor und der Hafen mit seinen Fischerbooten auf eine Besichtigung. Schiffstouren auf dem Bodden gehören ebenso zum Reiseprogramm wie Badefreuden oder Spaziergänge an den kilometerlangen Sandstränden von Fischland, Darß und Zingst.

Doch so richtig spektakulär geht es im Technik-Museum Pütnitz zu. Der alte Militärflugplatz dient seit sechs Jahren als Schauplatz der Erinnerung an die untergegangene Technik der Ostblockländer. Ob Lada oder Trabant, Hubschrauber, Panzer und schwere Lkw: Was einst hinter dem "Eisernen Vorhang" der Stand der Technik war, kann hier anhand von über 500 großen und mehreren tausend kleinen Exponaten bestaunt werden.

Als echter Abenteuerspielplatz für Erwachsene präsentiert sich der Geländeparcours, der mit sowjetischen Ural-Lkw befahren (oder besser gesagt: bewältigt) werden kann. 20 Euro kostet der Spaß, den sich besonders jene Männer gern gönnen, die sich über die aufregenden Fahrten freuen wie große Jungs. Museumschef Torsten Meier ist es wichtig zu zeigen, dass auch vor der Wende nicht alles grau, trist und veraltet war. Mit seinen Mitstreitern verhilft er Besuchern zu einem Rückblick auf das Leben in der DDR und den anderen Ostblockstaaten.

Während der Wende und in den ersten Jahren danach hätten die Leute andere Dinge im Kopf gehabt, als sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Jetzt wachse aber wieder das Selbstbewusstsein: "Wer nie in der DDR war, muss uns nicht sagen, wie schlecht wir es hatten."

Vieles sei in der DDR nicht schlechter gewesen, sagt Meier und nennt als Beispiel das Bildungssystem. Bei heutigen Schulklassen, die das Museum besuchen, seien die Geschichtskenntnisse und das technische Verständnis eher gering, habe er festgestellt. Auch diese Sicht auf die Vergangenheit ist präsent in Ribnitz-Damgarten.

Derweil lässt sich gerade der prominenteste Bürger der Region verleugnen. Egon Krenz war Ende 1989 für wenige Wochen Nachfolger von Erich Honecker als SED-Generalsekretär. Krenz lebt heute in einem Häuschen in Dierhagen, ein paar Kilometer außerhalb von Ribnitz-Damgarten. Zurückgekehrt ist er in die Heimat seiner Jugend - in Damgarten besuchte er von 1944 bis 1953 die Schule. Doch der Bitte um ein Gespräch kommt Krenz nicht nach.

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