“Anna aus Blumenthal“ erzählt eine wahre und tragische Geschichte um Ehebruch und Gattenmord in der Oste-Region

Himmelpforten/Stade. Wir schreiben das Jahr 1833. In Blumenthal an der Oste, unweit von Himmelpforten, ereignet sich ein aufsehenerregender Mord. Der darauf folgende Prozess lässt die Bevölkerung der gesamten Region großen Anteil am Schicksal der Beschuldigten nehmen. Nach langer Haft werden sie von König Wilhelm IV. zum Tode durch das Schwert verurteilt.

Die Enthauptung findet, begleitet von einer Volksmenge, auf dem Richtplatz am Koppelberg bei Himmelpforten statt. Es handelt sich um die letzte öffentliche Hinrichtung im Königreich Hannover.

Der Stader Autor Dietrich Alsdorf hat dieses in den alten Chroniken belegte Verbrechen zum Anlass genommen, das Schicksal der beiden Mörder genauer zu erforschen. Was aus den mehr als 175 Jahre alten Gerichtsakten hervorgeht, verwebte er in einer packenden Geschichte um "Anna aus Blumenthal" und zeichnete damit ein anschauliches Sittenbild des Bauernstandes vor zwei Jahrhunderten. Lebensnah und schnörkellos führt Alsdorf den Leser auf den Hof am Stellberg, auf dem das tragische Schicksal zweier junger Menschen besiegelt wurde. Als unschuldig Schuldige werden sie zu sympathischen Protagonisten.

Das Herz der Anna aus Blumenthal gehört dem Sohn ihres Mannes

Anna Spreckels, geboren "aus niederem Stande", ist jung und bildschön. Als sie sich mit Anfang 20 in den etwa gleichaltrigen Claus Meyer verliebt, ahnt sie noch nicht, dass ihre große Liebe nicht glücklich enden kann.

Das Unheil nimmt seinen Lauf, als Annas Vater stirbt und bald darauf ihre Mutter erblindet. Um sich aus der wirtschaftlichen Not zu retten, schmieden Annas Mutter und ein Vormund aus der Verwandtschaft einen Plan: Anna soll den zum zweiten Mal verwitweten Bauern Cord Meyer heiraten, um ihm Hof und Wirtschaft auf dem Stellberg bei Blumenthal zu führen.

So könnte die junge Anna, die bis dahin als Dienstmagd in Stade in Stellung war, ihre Mutter vor dem Armenhaus retten und ihr zu einem gesicherten Altenteil auf dem Meyerschen Hof verhelfen. Doch Annas Herz gehört längst Claus, dem jüngsten Sohn ihres späteren Bräutigams. Claus Meyer ist in Stade beim Militär und ahnt nicht, dass sein 54-jähriger Vater daheim auf Brautschau geht und großen Gefallen an der widerspenstigen, schönen Anna findet.

So wird von den Alten über Annas Kopf hinweg die Ehe "zusammengeschnackt". Anna sträubt sich zunächst, aber als sie keinen Ausweg mehr sieht, stimmt sie der Hochzeit zu, allerdings nicht ohne sich vorher ihr Altenteil und das ihrer Mutter zu sichern. Genau diese sehr weitsichtige und - angesichts der Verhältnisse - vernünftigen Tat wird ihre Richter später vermuten lassen, sie sei eine habgierige und berechnende Frau gewesen.

Anna fügt sich dem Wunsch der Mutter und heiratet den 30 Jahre älteren Mann

Die junge, aber unglückliche Braut unterschreibt mit zitternder Hand den Ehevertrag. Anna fügt sich und hofft, dass ihr um 30 Jahre ältere Gatte sie möglichst bald zur Witwe macht. Sie träumt davon, nach dem Tode ihres Mannes ein Leben in gesicherten Verhältnissen neu beginnen zu können. Das Schlimmste: Erst am Tage ihrer Hochzeit erfährt Anna, das der junge Soldat Claus, den sie vorher kennen und lieben gelernt hat, einer der Söhne ihres Bräutigams aus erster Ehe ist.

Das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Cord Meyer führt auch nach der dritten Hochzeit auf seinem Hof ein kaltherziges Familienleben. Er ist weder zu seinen Kindern noch zu Anna freundlich. Es gibt Schläge und es hält sich das Gerücht, dass der raubeinige Moorbauer nicht unschuldig am Tode seiner verstorbenen Frauen sei.

Mit finsteren Kumpanen geht er auf Raubzüge durch das damals wilde Kehdinger Moor. Es ranken sich schlimme Gerüchte von Mord und Todschlag um die Person des alten Moorbauern Cord Meyer. Doch niemand kann dem alten Fuchs etwas nachweisen. Unbehelligt führt er sein brutales Regiment auf dem Hof, dem sich alle beugen müssen.

Als der junge Claus nach Hause kommt, nimmt das Unheil seinen Lauf

Als Claus vom Militärdienst heimkehrt und ebenfalls auf dem Hof lebt, können die beiden Liebenden ihrem Verlangen, einander nah zu sein, nicht widerstehen. Blutschande und Ehebruch gehören bald zum Alltag, obwohl alle auf dem Hof den alten Bauern fürchten. Der Konflikt spitzt sich zu, als Anna bemerkt, dass sie von Claus ein Kind erwartet. Aus Furcht vor der Rache des Alten und weil nicht auszuschließen ist, dass der Moorbauer dem Baby etwas antut, beschließt Anna, dem ungeliebten Gatten zu Willen zu sein, um ihm glauben zu machen, er könne der Vater des Kindes sein.

Der lebenserfahrene Mann ahnt jedoch bald darauf, welches Spiel mit ihm getrieben wird. Er schlägt und misshandelt die schwangere Anna, und keiner der auf dem Hof lebenden Menschen hat den Mut, ihr beizustehen. Auch Claus ist zu feige. In höchster Seelennot beschließen die jungen Leute, den alten Tyrannen umzubringen - in der einfältigen Hoffnung, dann Ruhe zu haben und miteinander leben zu können.

In den Annalen der Geschichtsschreiber finden sich viele Hinweise auf die Tat des Paares. So steht in einem Dokument: Die blutschänderische Tat soll zuerst "mit dem Rade vom Leben zum Tode gerichtet" werden, doch dann wird das Urteil abgemildert in eine "Schleifung auf einer Kuhhaut und Exekution durch das Schwert". Was in den überlieferten Schriften über das kurze Leben der Anna aus Blumenthal steht, hat der Autor Alsdorf in einem ausführlichen Anhang mit allen historischen Quellen und Dokumentationen am Ende des Romans aufgeführt.

Am Sonnabend wird die Geschichte an Originalschauplätzen aufgeführt

Mit Lesungen und Exkursionen führt Dietrich Alsdorf die Zuhörer an Originalschauplätze. Etliche Darsteller spielen Szenen aus dem Buch nach, zum Beispiel in der Kirche auf der Horst und auf dem Heimathof Hüll.

Die nächste Exkursion ist für Sonnabend, 14. August, geplant. Treffpunkt für die Teilnehmer ist um 11 Uhr in Bützfleth auf dem Parkplatz vom Penny-Markt. Dann geht die Tour über Bützflether Moor, Grauer Ort, Barnkrug, Hammah, Burweg, Blumenthal nach Himmelpforten. Die Exkursion endet gegen 17 Uhr in Himmelpforten Das Mittagessen findet im Bützflether Moor statt. Anmeldungen sind unbedingt erforderlich und werden von Corinna Kolf unter Telefon 01520/664 97 36 entgegengenommen.

Der Roman "Anna aus Blumenthal" ist im Fischerhuder Verlag "Atelier im Bauernhaus" erschienen.

www.dietrich-alsdorf.de