Zweiter Prozesstag am Landgericht Stade im Verfahren um 29 Jahre zurück liegenden Mord

Stade. Spannungsgeladene Stille im Gerichtsaal. Mutter und Schwester der vor 29 Jahren getöteten Swanhild S. sitzen mit versteinerten Gesichtern eng beieinander. Auch der Angeklagte Ferdinand H., der während des Prozesses bisher geschwiegen hat, wirkt angespannt. Seine Halsschlagader pocht, er rutscht nervös auf dem Stuhl herum. Als Zeuge spricht ein hochgewachsener, schlanker Mann von 80 Jahren. Seine Aussagen wühlen besonders die Angehörigen des Opfers auf, weil sie Details der grausamen Tötung ihrer Tochter und Schwester noch einmal ertragen müssen. Der ehemalige Hamburger Gerichtsarzt Dr. Eberhard Hildebrandt berichtete am zweiten Prozesstag in der Mordsache Swanhild S., die zurzeit neu aufgerollt wird, vor der zweiten großen Strafkammer des Landgerichts Stade mit der Sachlichkeit des Mediziners von der Obduktion der damals 21-jährigen Swanhild.

"Swanhild S., 21 Jahre jung, gut ernährt, kräftig und gesund, kein Alkohol im Blut, keine Gifte, ist an zahllosen Stich und Schnittverletzungen gestorben", zitiert der Mediziner aus dem Obduktionsbericht. Mindestens 63 Stiche habe er festgestellt.

Ferdinand H. richtet seinen unsteten Blick zu Boden und bedeckt dann seine Mundpartie mit der linken Hand.

Erst 27 Jahre nach der Tat, im Jahre 2008, brachte ein anonymer Hinweis die Polizei auf die Spur des heute 50-Jährigen. Die Beamten verglichen daraufhin DNA-Spuren, die damals am T-Shirt des Opfers gefunden wurden, mit einer Speichelprobe Ferdinand H.'s. Das Ergebnis: Die DNA-Spuren erwiesen sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 88 Milliarden als identisch. Ferdinand H. hat während der Vernehmungen zugegeben, dass er in der fraglichen Augustnacht, in der der Mord geschah, am Tatort war. Wie seine DNA an das T-Shirt kam, erklärt er damit, dass er möglicherweise in Panik mit dem Opfer in Berührung gekommen sei. Diese Version konnte nach Ansicht der Schwurgerichtskammer bisher "nicht mit erforderlicher Sicherheit" widerlegt werden.

Ferdinand H. hat Swanhild S. nicht gekannt, obwohl beide in Neuenkirchen wohnten und gleichaltrig waren. Das haben alle bisher gehörten Zeugen ausgesagt. Diese Aussage macht auch die beste Freundin der Getöteten, Elke A., vor dem Gericht.

Die Zeugin beschreibt Swanhild als sehr belesen und gebildet. Sie sei aktiv im evangelischen Jugendkreis gewesen, habe sich sehr für andere engagiert.

Elke A. stammt von jenem Bauernhof etwas außerhalb von Neuenkirchen, zu dem das Kohlfeld gehörte, auf dem Swanhilds Leiche gefunden wurde. Auf die Frage des Kammervorsitzenden Behrend Appelkamp, ob Swanhild sich bedroht gefühlt habe, antwortet A., dass sie niemals so etwas erwähnt habe.

Die Zeugin beschreibt weiter, dass Ferdinand H. weder zum Freundeskreis der Mädchen noch zur evangelischen Jugendgruppe gehörte. Nur eine einzige Verbindung fällt ihr ein. Der Mann, der damals die kirchliche Jugendgruppe leitete, wohnte damals neben Ferdinand H.. Ob dies in dem Fall eine Rolle spielt, wird von Staatsanwalt und Strafkammer ebenso zu prüfen sein wie der Inhalt eines anonymen Briefes, der jetzt der Kammer zugegangen ist. Der Indizienprozess, der noch immer viele Rätsel aufgibt, wird fortgesetzt.