Junge Leute aus Stade, Givat Shmuel und Goldap knüpfen beim Trinationalen Jugendaustausch neue Freundschaften

Stade. Es ist sein erster Besuch in Deutschland, und Sagi Barkai ist glücklich über seine Visite im pittoresken Stade. Zusammen mit etlichen anderen Jugendlichen aus Stades Partnerstädten Givat Shmuel in Israel und Goldap in Polen ist er für den Trinationalen Jugendaustausch in die Schwingestadt gekommen. Was er bisher erlebt hat, beeindruckt ihn.

"Die Leute sind unglaublich nett, das Land ist richtig schön und es ist hier sehr grün", sagt der 16-jährige Barkai. Berührungsängste hat der junge Israeli nicht. Ebenso wenig, sagt er, hege er Vorurteile gegen die Deutschen. Die verhängnisvolle Geschichte, die Deutschland, Polen und Israel verbinde, die Shoa, der Krieg, das sei ihm alles bewusst. Doch das sei auch lange her, spielte sich viele Jahre vor seiner Geburt ab. Die Jugendlichen aus Israel haben das düstere Kapitel der Geschichte immer im Hinterkopf, denn praktisch jede Familie in Israel hat mindestens ein Familienmitglied während des Holocaust verloren. Doch die Jugendlichen schauen nach vorne. "Vielleicht finde ich hier neue Freunde. Zumindest hoffe ich, dass sich da etwas entwickelt", sagt Barkai und lächelt.

Die israelischen Jugendlichen beneiden die Deutschen um ihre sicheren Städte

Ein wenig, so gibt er zu, beneide er ja die deutschen Jugendlichen. "Die leben hier in einem sehr sicheren Land. Diese Sicherheit würde ich gerne auch in Israel haben", sagt Barkai. Dort rechnen die Bürger tagtäglich mit Anschlägen von fanatisierten Menschen. Es beunruhige einen zwar, doch irgendwann müsse sich jeder an den nicht einfachen Alltag gewöhnen und mit ihm arrangieren.

Auch wenn die Gefahr ein ständiger Begleiter in Israel ist: Julian Strauß, freut sich auf das Land. Der 15-jährige Stader möchte das Land im Nahen Osten gerne sehen. "Mein Vater erzählte mir von dem Austauschprogramm und ich fand die Idee, für einen Austausch nach Israel zu gehen, sehr interessant", sagt Strauß. Was ihn in Israel erwarten werde, darüber ist er sich noch nicht so ganz sicher. "Zunächst einmal wird es wohl heiß werden. Und dann wird mich dort eine völlig andere Kultur erwarten, das wird sicherlich sehr spannend", so der 15-Jährige. Den Jugendaustausch begrüßt er, findet ihn überaus wichtig. "Die Freundschaft zwischen den Völkern voranzubringen und zu fördern, das halte ich für besonders wichtig", sagt Strauß. Er kann sich auch vorstellen, eines Tages im Ausland zu studieren. "Israel wäre da schon ganz interessant", sagt der Stader.

Das Ausland hat es auch Paulina Sztabinska angetan. Die 16-Jährige aus Goldap ist, wie Barkai, zum ersten Mal in Deutschland - und sie ist begeistert. "Die Gebäude hier sind unglaublich schön, so etwas Tolles gibt es bei uns in Polen nur selten", sagt sie. Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und die Bausünden aus der Zeit des Kalten Kriegs, sie prägen das Land bis heute. Einen Groll hegt die 16-Jährige aber nicht gegen die Deutschen. "Das wäre albern, denn dafür kann die jetzige Generation nichts. Das ist Geschichte. Wir schauen lieber nach vorne", sagt sie.

Sztabinska freut sich, so wie Strauß, auch auf ihre Reise nach Israel. Auch sie will dort neue Freundschaften knüpfen und ihr bisher unbekannte Stätten sehen. Tel Aviv, Jerusalem, das Tote Meer - das alles findet sie unglaublich interessant.

Yossi Brodny, Bürgermeister der Stadt Givat Shmuel, freut sich über diese positive Stimmung unter den Jugendlichen. "Wir dürfen die Vergangenheit nicht vergessen, aber wir müssen die Gegenwart und die Zukunft gestalten, basierend auf dem was heute ist. Das tun die Jugendlichen in dem Austauschprogramm auf hervorragende Weise", sagt der 39-Jährige, der zum zweiten Mal in Deutschland und zum ersten Mal in Stade ist. Brodny hofft, dass die deutschen und polnischen Jugendlichen vor allem erfahren, wie unterschiedlich das Leben in Israel von dem in Europa ist. "Es gibt viele, die leider nur sehr wenig über das Leben, den Alltag in Israel wissen", sagt Brodny. "Es ist somit schwer, die israelische Politik international zu erklären, wenn die Menschen die Vorgänge in Israel kaum kennen. Das gegenwärtige Verhalten muss auch von den Jugendlichen verstanden werden, um in der Zukunft etwas gutes aufzubauen", sagt Brodny.

Der kulturelle Wert dieses Jugendaustauschs ist unschätzbar

Doch es sei nicht nur ein Erfahrungsaustausch in eine Richtung, den die Jugendlichen erleben würden. "Es ist auch für unsere Jugendlichen wichtig zu erfahren, wie das Deutschland des 21. Jahrhunderts aussieht, wie die Menschen in dem Land wirklich sind. Deutschland ist für mich das Zentrum Europas, daher ist es wichtig, auch dieses Land und seine Leute kennenzulernen und zu verstehen", sagt der israelische Bürgermeister.

Die Kontakte die bei dem Austauschprogramm geknüpft werden, könnte den drei Städten dauerhaft von Nutzen sein. "Der wirtschaftliche Wert des Jugendaustauschs mit Stade und Goldap ist derzeit noch schwer einzuschätzen, der kulturelle Wert ist aber schon jetzt unschätzbar", sagt Brodny. Das findet auch sein Stader Kollege, Bürgermeister Andreas Rieckhof. Dass der Trinationale Austausch seit fast 20 Jahren funktioniere, sei ein "denkbar schönes Geschenk" für alle drei Städte. Insbesondere die Jugendlichen als "Jugend unserer Städte und Völker" seien, so Rieckhof, aufgerufen, im gegenseitigen Verstehen ein gemeinsames Leben in Frieden und Freiheit zu gestalten. Rieckhof: "Aus diesem zweijährigen Projekt werden sicher lebenslange Freundschaften wachsen und ein Verständnis für die Kultur des Anderen".