Stades Landesposaunenwart Reinhard Gramm hat eine WM-Fanfare für die umstrittenen Tröten komponiert

Stade. Reinhard Gramm nimmt die Vuvuzela in die Hand. Ob er mittlerweile genervt ist, wenn er seine WM-Fanfare für Posaunen und Vuvuzelas spielen soll? Der 49-Jährige lacht. "Nein, es macht ja Spaß", sagt der Landesposaunenwart der evangelischen Kirche im Sprengel Stade. Dass die vergangene Woche so stressig für ihn wird, damit hatte Gramm allerdings nicht gerechnet. Er bekommt Post und E-Mails aus ganz Deutschland und ist sogar schon zu einem kleinen Medienstar avanciert. In der Szene wird er mittlerweile als "Lena des Posaunenwerks" bezeichnet. "Vermutlich wegen des rasanten Aufstiegs", sagt Gramm achselzuckend und lacht.

In kurzer Zeit bekam Gramm E-Mails und Anfragen aus ganz Deutschland

Angefangen hat alles am Mittwoch vor einer Woche. Uwe Rottkamp, Posaunenchorleiter aus Bad Salzuflen und ein guter Freund Gramms, bat ihn, kurzfristig eine kleine Fanfare für Posaune und Vuvuzela zu schreiben, weil sein Posaunenchor beim Public Viewing einer Kirchengemeinde spielen sollte. Noch am selben Nachmittag schrieb Gramm, der Posaune, Kirchenmusik und Dirigieren studiert hat, einen Schlachtruf, den er mit der deutschen Nationalhymne kombiniert hat. Sein Freund aus Bad Salzuflen fand das Stück so gut, dass er es gleich verbreiten wollte und auf der Internetseite der Kirchengemeinde Bad Salzuflen veröffentlicht hat - mit der Erlaubnis, die Noten weiterzuverbreiten. "Es hat sich rasend schnell verbreitet", sagt Gramm.

Nur wenig später bekam Reinhard Gramm bereits zahlreiche E-Mails. Posaunisten aus ganz Deutschland lobten ihn für das Stück und bedankten sich. "Da war ich schon platt. Viele kannte ich vorher gar nicht", sagt Gramm. Schließlich wurde er vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) angesprochen, dieser wollte das Stück als Hörbeispiel haben. Aus Zeitgründen bat Gramm seinen Freund aus Bad Salzuflen, es mit seinen Bläsern einzuspielen. Ein paar Tage später wurde Gramm zum Liveinterview gebeten.

"Dann ging es Schlag auf Schlag", sagt Gramm. Sein Telefon im beschaulichen Geversdorf (Landkreis Cuxhaven) klingelte beinahe pausenlos. Dort lebt der 49-Jährige mit seiner Frau Marita und seinen drei Kindern. Von Radio Berlin bis hin zum Südwestrundfunk, bundesweit war das Interesse groß. "Es war sehr stressig und hat den normalen Alltag vollständig durchbrochen."

Gramm ist Ansprechpartner für knapp 2000 Blasmusiker

Spaß habe es ihm trotzdem gemacht, sagt der gebürtige Gütersloher, der seit sieben Jahren einer von sieben Landesposaunenwarten der Landeskirche Hannover. Sein Job ist es, die Posaunenchorarbeit im Sprengel Stade zu pflegen. Er schult ehrenamtliche Posaunenspieler, organisiert Seminare, Kurse und ist ständiger Ansprechpartner für knapp 2000 Bläser im Sprengel Stade. Seit seinem zehnten Lebensjahr komponiert Gramm für Posaunenchöre, seit einigen Jahren auch sehr erfolgreich. Viele seiner Kompositionen gibt es in gedruckter Form. "In der Szene habe ich mir schon einen kleinen Namen gemacht", sagt Gramm nicht ganz ohne Stolz. Doch solch ein großes Interesse für seine Musik habe es noch nie gegeben. "Dabei habe ich schon Stücke geschrieben, die wesentlich besser sind", sagt der Komponist und lacht.

Dass er inmitten aller Diskussionen um die lauten Tröten während der WM in Südafrika auch noch ein Stück extra für die umstrittenen Instrumente geschrieben hat, findet Gramm gar nicht so schlimm. Schließlich sei die Vuvuzela in Südafrika ausschließlich da, um Krach zu machen. "Gerade dort wird sonst richtig gute Musik", sagt Gramm. Verbieten würde er die Vuvuzelas keinesfalls, sie seien Ausdruck eines Lebensgefühls und zudem Tradition. "Wir haben andere Traditionen, aber man kann eine Tradition nicht einfach aushebeln", sagt er.

Gleichwohl verstehe er alle Kritiker. Schließlich blasen die Zuschauer in Südafrika durchgängig und unorganisiert in ihre Tröten. Das sei schon etwas nervtötend. "Ich als Deutscher musste es natürlich organisieren", sagt er und lacht wieder. Man brauche nur einen kleinen Rhythmus, und schon klinge es nach Musik. Bevor Gramm das Stück komponiert hat, hatte er sich eigentlich kaum mit der Vuvuzela beschäftigt. "Ich hatte schon mal eine in der Hand, aber gekauft habe ich sie mir erst hinterher."

Heimliches Ziel war es, Nachwuchs für den Posaunenchor zu finden

Trotz des Medienrummels würde er es immer wieder machen. "Es ist eine tolle Sache zur WM", sagt der 49-Jährige. Sein heimliches Ziel sei es gewesen, Nachwuchs zu die Blasmusik zu begeistern. Dass es ihm gelungen ist, dafür hat er ein Beispiel parat. Für einen spontanen Fernsehdreh konnte er an einem Nachmittag lediglich zehn Bläser organisieren. Zehn weitere Kinder aus der Nachbarschaft kamen aus Neugier dazu. Kurzerhand drückte Gramm ihnen Vuvuzelas in die Hand, gab einen fünfminütigen Crashkursus, und dann musizierten die Kinder für den Fernsehbeitrag gemeinsam mit den Profis. Gramm lacht, nimmt die Vuvuzela an seine Lippen und spielt die Fanfare - ein kurzes Stück, dass binnen kurzer Zeit deutschlandweit bekannt wurde.