Das ehemalige Gasthaus “Zur Symphonie“ in Wöhrden könnte zum Domizil für einen kriminellen Motorradklub werden

Hollern-Twielenfleth. Hans Jarck, der Bürgermeister der Samtgemeinde Lühe, wirkt hilflos, enttäuscht und traurig, wenn er über das alte Gasthaus "Zur Symphonie" im Hollerner Ortsteil Wöhrden spricht. Einst war das Haus am Schwingedeich ein beliebtes Ausflugsziel, in dem auch mal eine Blaskapelle für Tanzmusik sorgte. Nun, so seine Befürchtung, könnte das mehr als 100 Jahre alte Gasthaus zum Treffpunkt von Kriminellen werden, denn das Gebäude wurde zwangsversteigert. Ein Mann aus Tostedt erhielt für 115 000 Euro den Zuschlag für das Gebäude. Sein Name: Sebastian Stöber. Der 1977 geborene Mann gehört nach Auskunft der Polizei Buchholz der rechten Szene an und kandidierte bei der Bundestagstagswahl 2009 im Wahlkreis Harburg für die NPD.

"Welche Funktion er hat und mit welcher genauen Absicht er den Kauf getätigt hat, können wir nicht einschätzen", sagt Polizeisprecher Jan Krüger. Ob es sich um eine geplante Stärkung der rechten Szene im Kreis Stade handle, sei noch nicht zu sagen. "Wir müssen jetzt beobachten und abwarten, was passiert", so Krüger.

Die Gemeinde wurde von dem Verkauf des Hauses völlig überrascht

"Es kam alles völlig überraschend, niemand im Ort hatte etwas geahnt", sagt Jarck. An dem Erwerb des Gebäudes von dem politisch einschlägigen Mann lasse sich wohl nichts ändern. "Das ist alles in ganz geregelten Bahnen verlaufen", so Jarck. Und das wurmt ihn, denn so sind der Gemeinde die Hände gebunden.

Zunächst befürchtete die Samtgemeinde, dass in dem Gebäude ein Schulungszentrum der NPD entstehen könnte. Doch dann, so Landrat Michael Roesberg, hätten die Gemeindeverwaltung und der Landkreis von der Polizei erfahren, dass das Gebäude angeblich für den vorrangig in Süddeutschland verbreiteten Rockerklub Gremium MC erworben worden sei.

Dies aber macht die Sache für die Gemeinde nicht einfacher. "Diese Gruppe besitzt erwiesenermaßen ein großes kriminelles Potenzial", sagt Landrat Michael Roesberg. Der bayerische Verfassungschutz bezeichnet Gremium MC als Motorradklub, der "systematisch Straftaten begeht".

Samtgemeindebürgermeister Jarck hat ebenfalls eine deutliche Meinung dazu: "Diese kriminellen Energien sind nicht in unserem Sinne. Wir wollen so eine Zelle nicht in unserer schönen Gegend." Die Samtgemeinde Lühe befürchtet einen erheblichen Imageschaden, der sich auf den Tourismus im gesamten Alten Land auswirken könnte. Am Wochenende sollen die Rocker ihrem neuen Domizil bereits einen Besuch abgestattet haben. Polizei, Staatsanwaltschaft, der Landkreis Stade und die Samtgemeinde Lühe wollen nun, so Roesberg, "mit Argusaugen" über das Gebäude wachen.

Jarck will im Gemeinderat das weitere Vorgehen der Gemeinde erörtern. Er hofft auf Rückendeckung von allen Parteien und auch von den Bürgern. Sie sollen ein Zeichen gegen die Rocker und die rechte Szene setzen. "Viele Möglichkeiten werden wir in der Gemeinde aber nicht haben, um steuernd einzugreifen", sagt Jarck. Über die Ortsgestaltungssatzung oder Bauauflagen könne die Kommune dem neuen Besitzer das Leben schwer machen. Das würde aber erst dann ein Thema für die Politik werden, falls den derzeit noch in dem Haus wohnenden Menschen die Mietverträge gekündigt würden.

Rechtlich gesehen gibt es bei Zwangsversteigerungen kaum Möglichkeiten, einen Zuschlag zu verhindern. Zunächst einmal ist eine solche Zwangsversteigerung öffentlich. Das heißt, jeder kann hinkommen. Beim ersten Termin muss das Mindestgebot fünf Zehntel des Verkehrswertes betragen. Zudem kann der Gläubiger den Zuschlag verweigern, wenn das höchste Gebot nicht mindestens sieben Zehntel des Verkehrswertes beträgt. Der erste Versteigerungstermin der Gaststätte "Zur Symphonie" war Mitte Januar. Zwar gab es ein Gebot, doch es war viel zu niedrig. Die Versteigerung platzte, es kam es zu einem zweiten Termin.

Landgericht hatte keine Hinweise auf einen Bieter aus der rechten Szene

"Im Vorfeld hatten wir keine konkreten Hinweise auf bestimmte Personen", sagt Petra Baars, Pressesprecherin beim Landgericht Stade. Selbst während des Termins sei der Bieter unauffällig gewesen. Auch Jarck hatte keine Hinweise auf einen Bieter der rechten Szene: "Bei einer anderen Sache gab es früher im Vorwege mal Informationen, da konnte ein Gebäude vorsorglich aufgekauft werden, diesmal hat es aber nicht funktioniert."

Der Staatsanwaltschaft Stade sind die Hände gebunden. "Wir können nur dann tätig werden, wenn eine Straftat begangen wurde", sagt Kai-Thomas Breas, Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade. Und das sei bislang nicht der Fall.

Selbst wenn der Bieter bei der Versteigerung vor Gericht auffällig gewesen wäre, hätte das Gericht kaum eine Möglichkeit gehabt, Stöber am Kauf des Gebäudes zu hindern. "Rechtlich gibt es überhaupt keine Mittel", sagt der Stader Rechtsanwalt Klaus Ahrens. Selbst ein gemeindliches Vorkaufsrecht gebe es in Zwangsversteigerungsverfahren nicht.