Verein Venti Amica sammelte 55 000 Euro für die Reparatur des Baudenkmals. Die Reperatur kostete insgesamt 121.000 Euro.

Hollern-Twielenfleth. Twielenfleth ohne sein historisches Wahrzeichen, die Venti Amica, "dat geiht nich". Darüber waren sich die 3370 Einwohner der Gemeinde einig, als die Windmühle am 29. Mai 2009 bei einem orkanartigen Sturm so schwer beschädigt wurde, dass zwei ihrer Flügel abgenommen werden mussten. Nun kann das einzigartige Baudenkmal aus dem Jahr 1848 nicht nur seine Flügel wieder in den Wind drehen, sondern es wurden auch viele technische Details repariert und in ihren originalen Zustand versetzt.

Dass die 164 Jahre alte "Freundin des Windes", sich nach der Reparatur für 121 000 Euro nun wieder in alter Pracht und voll funktionstüchtig dreht, ist dem außergewöhnlichen Engagement der Twielenflether, vieler Helfer und dem Mühlenbaubetrieb Pätzmann aus Winsen zu verdanken. Mit einem großen Mühlenfest am Sonnabend, 30. Juni, soll die Mühlenrettung rund um die Galerie-Holländermühle gefeiert werden.

Der Lotse im Ruhestand Werner Köpke und Friedrich-Wilhelm Bork aus Twielenfleth sagten nach dem Sturmschaden, dass der Silhouette von Twielenfleth, dem ersten Heimatgruß, wenn man per Schiff von großer Fahrt nach Hause kommt, ein vertrautes Stück fehlte. "Das konnten wir nicht ertragen", sagt Bork. So gaben Köpke und Bork die Initialzündung. Sie engagierten sich, um für die Reparatur der Mühle Mitstreiter zu finden. Schon eine Woche nach dem Unglück mobilisierten sie beim Schützenfest die Bürger, riefen zu Spenden auf und wollten keine Zeit verlieren.

Gemeinsam mit Twielenfleths damaligen Bürgermeister Jürgen Meyer und Kai Schulz von der Samtgemeindeverwaltung Lühe, gründeten sie den Verein "Venti Amica", um die Rettung der Mühle auf solide Beine zu stellen. Das war im September 2009, heute hat der Verein 65 Mitglieder.

Was sich dann entwickelte, war ein beispielhaftes Engagement der Bürgergemeinschaft über drei Jahre hinweg. Jürgen Meyer, 16 Jahre im Gemeinderat aktiv, beschreibt es als "eine Mischung aus Lokalpatriotismus, Herzensangelegenheit und besondere Wertschätzung eines Baudenkmals".

Die Gemeinde machte sich stark, um gemeinsam mit dem Müller Hein Noodt die Reparatur der Mühle zu bewältigen. Ein gewaltiges technisches und finanzielles Unterfangen, das der Müller allein nicht hätte realisieren können. Der Mühlenkopf musste abgenommen, Flügelruten und Getriebe erneuert werden.

Die Venti Amica ist eine bautechnische Meisterleistung und eine der wenigen noch voll im Einsatz stehenden Windmühlen des Typs Galerie-Holländer in Norddeutschland. Ihr Besitzer, Hein Noodt, betreibt die historische Mühle in fünfter Generation. Er mahlt mit Windkraft, bei Flaute ersetzen Elektromotoren das Flügelrad.

Als es bei dem schweren Sturm im Mai 2009 während des Mahlbetriebes mit Windkraft eine gewaltige Erschütterung gab, fürchtete Noodt, es sei das Ende für ihn und die Mühle. "Die ganze Mühle hat gewackelt, es hat furchtbar gekracht und die historische Mühlen-Technik im Inneren wurde schwer beschädigt", erinnert sich der Müller.

Für Hein Noodt allein wäre es unmöglich gewesen, den enormen Schaden zu beheben. Deshalb zeigten Nachbarn, Freunde, Kunden, Mühlenfans, allen voran die Mitglieder des neuen Mühlenvereins spontane Hilfsbereitschaft. Sie organisierten Benefizveranstaltungen, stellen Anträge für Fördergeld, sammelten Spenden und spendeten selbst. "Sie haben Hein Noodt geholfen, ohne dass er darum bitten musste. Eine solche Bürgergemeinschaft zu erleben, ist etwas Besonderes", sagt Jürgen Meyer rückblickend. "Und unser großes Glück war, dass Kai Schulz, Kämmerer der Samtgemeinde Lühe und Vorsitzender unseres Mühlenvereins, wusste, wie man alle bürokratischen Hürden bewältigt, Anträge auf Förderungen stellt und über alle Finanzen den Überblick behält." Für Meyer ein Beispiel dafür, dass sich auch junge Leute für alte Denkmale einsetzen. "Die Zusammenarbeit hätte nicht besser sein können", lobt Meyer.

"Es gelang, dass unser Verein rund 55 000 Euro für die Mühlen-Restaurierung aufbringen konnte", zieht Kai Schulz in seiner zurückhaltenden Art Bilanz. Aber dann sagt er ganz feierlich: "Darauf sind wir wirklich sehr stolz und allen Förderern dankbar." Der Verein bekam große und kleine Spenden von Twielenflethern und Gästen, privaten Handwerksbetrieben und großen Firmen aus dem gesamten Elbe-Weser-Dreieck und sogar aus dem Ausland, ebenso von örtlichen Vereinen und Institutionen.

Schulz und seine Mitstreiter stellten Anträge auf Fördergeld, so aus Projekten zur Denkmalpflege von Land und Kreis, sowie bei der Europäischen Union. "Unsere Chancen standen gut, denn Windmühlen stehen nämlich auf der Kulturerbe-Liste", so der Vereinsvorsitzende Schulz. Am Ende bewilligte die Europäische Union eine Zuwendung zur sogenannten integrierten ländlichen Entwicklung (ZILE) als Förderung in Höhe von 37 500 Euro. Das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege steuerte 13 500 Euro, der Landkreis Stade 10 000 Euro bei. Die Samtgemeinde Lühe und die Gemeinde Hollern-Twielenfleth gaben noch je 2 500 Euro für das Rettungsprojekt dazu.