Die ersten Kirschen der frühen Sorten werden im Alten Land geerntet und machen Appetit auf mehr. Das Kilo kostet fünf bis sieben Euro.

Süß, knackig, saftig: Das ist pure Verführung aus dem Alten Land. Kirschen, Kern-Kraft, die Zukunft hat. Jetzt beginnt die Erntezeit. Zwischen fünf und sieben Euro kosten die ersten Früchte momentan pro Kilogramm. Die Pflücker auf den Obsthöfen haben in den kommenden acht Wochen alle Hände voll zu tun. Dann sollen zwischen Speersort und Nincop, Elbe und Geest in den drei Altländer Meilen rund 4000 Tonnen des köstlichen Steinobstes von rund 350 000 Kirschbäumen geerntet werden. Apropos Steinobst: Streng biologisch betrachtet haben Kirschen keine Kerne, wie der Volksmund sagt, sondern Steine.

"Die gesamte Anbaufläche entlang des Obstmarschenwegs ist etwa 10 000 Hektar groß", sagt Matthias Görgens vom Esteburg Obstbauzentrum Jork, "doch nur auf circa 550 Hektar wachsen Süßkirschen." Weniger als sechs Prozent beträgt der Flächenanteil also, das ist gar nicht mal so viel. Zum Vergleich: Apfelbäume stehen auf 88 Prozent der Anbaufläche im Alten Land.

Der fruchtbarste Boden für Kirschen ist auf den elbnahen Flächen zu finden, so der Obstbau-Experte Görgens. Für die neuen, ertragreichen Sorten, die auf sogenannten schwach wachsenden, kleinstämmigen Bäumen gedeihen, gab es in den 60er-Jahren umfangreiche Versuchsprogramme, um die besten Eigenschaften der alten Sorten mit neuer Qualität zu verbinden. Denn Kirschen von heute sollen platzfest sein. Und schön groß.

+++ Jork feiert Kirschwoche +++

"Allein im Versuchsbetrieb Esteburg werden rund 200 Sorten Süßkirschen erhalten und genau beobachtet, damit optimale Zuchtergebnisse gesichert werden und Empfehlungen an die Obstbauern gegeben werden können", sagt Görgens. Die Fachleute vom Esteburg Obstbauzentrum Jork empfehlen zehn bis 15 Sorten, die in den sieben bis acht Reifewochen ihr besonderes Aroma entfalten, für das die Altländer Kirschen weit über die Grenzen der Region bekannt und begehrt sind.

Vorteile der schwach wachsenden Kirschbäume, die - ganz im Gegensatz zu den alten, kompakten Baumriesen auf zierlichen Stämmchen stehen, seien ein höherer Ertrag, bessere Fruchtqualität und größere Früchte. "In den großen, alten, laubreichen Bäumen bekommen die Kirschen, die innen wachsen, weniger Sonne", erklärt Görgens "auf den kleinen Stämmen ist die Sonnenfläche größer, was das Aroma positiv beeinflusst. Außerdem lassen sich die Kirschen leichter pflücken."

Die Ernte in diesem Jahr wird nicht so reichlich ausfallen - aber dafür werden die Früchte größer und saftiger, so Matthias Görgens. Auch Herzapfelbauer Hein Lühs aus Osterjork bestätigt diese Prognose. "Der Winter hat an den Bäumen Frostschäden hinterlassen, viele Knospen sind nicht angetrieben", sagt Lühs. Das Bestäubungswetter sei zudem im nassen, kühlen Frühjahr nicht so optimal gewesen, als dass die Bienen zu Höchstleistung hätten auflaufen können, so Lühs. "Wir setzen den Schwerpunkt auf die späten Sorten wie Kordia und Regina, die in diesem Jahr eine besonders hohe Qualität versprechen."

Das erwartet auch Ulrike Schuback vom Obstparadies Schuback in Westerjork. "Die Ernte hat in diesen Tagen mit kleinen Mengen begonnen und wird bis August andauern", sagt die Gärtnerin für den Fachbereich Obstbau.

Zu den fleißigen Pflückern auf ihrem Obsthof gehört Inga Rix. Die 24-Jährige kommt aus Swakopmund in Namibia und absolviert im Alten Land ein Praktikum. "Ich habe in Südafrika Wein- und Obstbau studiert und möchte hier möglichst viel praktische Erfahrung sammeln", sagt Inga Rix. "In den ersten Wochen im Alten Land war ich jeden Tag aufs Neue fasziniert, wie grün hier die Landschaft ist und wie vielfältig der Obstanbau."

Allein in Schubacks Obstparadies gedeihen 20 Kirschsorten, die nach und nach heranreifen. Die zeitigen Sorten haben so klangvolle Namen wie Burlat oder Earlise und können jetzt gegessen werden. Später folgen Kordia oder Vanda. Die Reifezeit der verschiedenen Sorten sei so versetzt, dass bis August frische Kirsche geerntet werden können. Denn anders als bei Äpfeln üblich, können die kleinen Vitaminbomben nicht eingelagert werden. Zudem schmecken sie erntefrisch natürlich viel aromatischer als zu Kompott oder Konfitüre verarbeitet.

Im Obstparadies Schuback gibt es neben den neuen Kirschsorten noch viele der uralten Kirschbäume mit gewaltigen Stämmen und großem Blätterdach. "Sie sind etwa 60 bis 100 Jahre alt", sagt Ulrike Schuback, "und unsere Gäste genießen es, mit Picknickkörben unter den Kirschbäumen zu sitzen und dazu Kirschen vom Baum zu naschen." Der Familienspaß im Obstparadies mit Badestelle am Fleth kann außer montags täglich genossen werden.

"Die Kirschen, die bei uns unter Netzen reifen, brauchen jetzt viel Sonne und Wärme, damit die Früchte noch intensiv wachsen", sagt Ulrike Schuback. Der durchschnittliche Durchmesser der Früchte liege bei etwa 2,6 Zentimetern, so die Obstbäuerin. Allerdings gehe der Trend eher zu größeren Früchten, die besonders fest sein sollen. Die haben in der Regel weniger Fruchtsäure und hellere Farben.

Je intensiver die Kirschen gefärbt sind, desto reifer und aromatischer sind sie und desto mehr sekundäre Pflanzenstoffe enthalten sie. Kirschen sind vor allem reich an den sogenannten Anthocyanen, die für die typische Färbung der Früchte verantwortlich sind. Für den menschlichen Organismus schreiben Experten der Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik den Kirschen viele gesundheitsförderliche Wirkungen zu. Sie sollen schöne Haut fördern, gegen Herzinfarkt und Krebs vorbeugen und dank ihrer hohen Anteile an Beta-Carotin, Vitamin C und Kalium ein ideales Obst für Figurbewusste sein. Damit sie beim Verzehr saftig bleiben gilt: Erst waschen, dann Stiel und Stein entfernen.