Das Designer Outlet Soltau eröffnet Ende August seine Türen. Touristiker erhoffen sich eine Sogwirkung, von der die ganze Region profitiert.

Soltau. Das Bauernhaus an der Stirnseite des Dorfplatzes ist schon fertig. Und leuchtete das Reet auf dem Dach nicht im reinsten Strohblond - dieses Gebäude könnte seit Ewigkeiten hier stehen. Auf dem Platz selbst ist dagegen noch einiges zu tun. Arbeiter müssen den Untergrund verdichten, Pflastersteine verlegen, Bänke aufstellen. Auch die Häuser links und rechts, davor und dahinter vertragen noch ein bisschen Feinschliff, vor allem im Inneren. Fleißige Hände sorgen an allen Ecken und Enden dafür. Denn am Ende des Sommers, am 30. August, muss alles fertig sein. Es ist der Tag, an dem das Designer Outlet Soltau eröffnet. Ein Heidedorf aus der Retorte auf gut 84 000 Quadratmetern Fläche im Gewerbegebiet Ost an der A 7.

In der Nähe des künftigen Eingangs, im ersten Stock eines Bürogebäudes, ist der Innenausbau schon abgeschlossen. Hier hat der "Bürgermeister" dieses neuen Dorfs Quartier bezogen: Thomas Reichenauer, 44, Wiener, Geschäftsführer der Firma ROS retail outlet shopping. Die wird das neue Outletcenter im Herzen der Heide im Auftrag der Investorin Sylvie Mutschler betreiben. Beide, Mutschler und Reichenauer, sind zweieinhalb Monate vor der Eröffnung vollauf zufrieden. "Wir liegen gut im Zeitplan", sagt die Geldgeberin. Zurzeit seien etwa 70 Prozent der rund 60 Geschäftsflächen vermietet, sagt der Centermanager, "das kommt einer Vollvermietung schon ziemlich nah." Wer diese Mieter sind, das ist allerdings noch ein gut gehütetes Geheimnis, möglicherweise nahezu bis zum Eröffnungstag. "Die Marken wollen das so", erklärt Reichenauer.

Die meisten jedenfalls. Was für Modelabel wie Joop, Boss oder Ralph Lauren gelten mag, trifft auf die Marke Lüneburger Heide überhaupt nicht zu. Und so ist der Name Lüneburger Heide GmbH (LHG) der erste und einzige, der vorab bekannt ist. Die vor vier Jahren gegründete Dachorganisation und Interessensvertretung der touristischen Leistungsträger - Gesellschafter sind unter anderem die Landkreise Harburg, Celle, Lüneburg, Uelzen und Soltau-Fallingbostel sowie die Städte Lüneburg, Celle und Bad Bevensen - wird im Outletcenter eine Touristeninformation eröffnen. Für LHG-Geschäftsführer Ulrich von dem Bruch ist dies quasi das neue Tor zur Heide. "Wir erwarten dort jährlich 1,6 Millionen Besucher, und denen würden wir gern unsere schöne Region nahebringen", sagt er. "Es gibt nur sehr wenige Orte in der Heide, an denen so viele Menschen zusammenkommen." Reichenauer setzt die erwartete Besucherzahl etwas niedriger an. "Wir hoffen auf 1,3 Millionen", sagt er.

In den letzten Monaten dieses Jahres werde die neue Einkaufswelt vor allem von Tagestouristen besucht werden, prognostiziert LHG-Geschäftsführer von dem Bruch. "Vom kommenden Jahr an wird das Outletcenter dann auch für Übernachtungsgäste interessant werden", meint er. "Urlaub, Shopping und Outlet, das passt ausgezeichnet zusammen. Das wird den Tourismus in der gesamten Region beflügeln."

Kooperationen mit anderen Publikumsmagneten in der Region sind in Vorbereitung. Centermanager Reichenauer: "Wer zum Beispiel den Heidepark besucht und dort vielleicht auch im Hotel übernachtet, könnte in unseren Geschäften zusätzlichen Rabatt bekommen." Die Einbettung des Centers in den Tourismus sei sehr wichtig. Für LHG-Geschäftsführer von dem Bruch hängen Erfolg oder Misserfolg solch eines Konzepts allerdings davon ab, dass auch tatsächlich attraktive Marken im Outletcenter vertreten sein werden.

Während die LHG auf positive Impulse setzt, fürchten viele Geschäftsleute in den Innenstädten von Lüneburg und Celle die neue Einkaufswelt auf der grünen Wiese. Heiko Müller vom Lüneburg City Management (LCM) hat das Outletcenter unlängst in einem Abendblatt-Interview als große Gefahr für den Einzelhandel in der Stadt bezeichnet. Müller wörtlich: "Die Startphase von ein bis zwei Jahren ist die gefährlichste, danach wird es sich einpendeln. Zuerst aber wird jeder aus Neugier hinfahren. Der Normalverbraucher wird dort zum Beispiel einen Anzug kaufen - den er in Lüneburg dann in den nächsten ein, zwei Jahren nicht kauft."

Sylvie Mutscher - ihre Firma investiert rund 80 Millionen Euro in den Standort - geht hingegen davon aus, dass die Einzelhändler in den umliegenden Städten nicht unter dem Center leiden werden. Denn es gebe so gut wie keine Überschneidungen im Angebot. In Outletcentern wird Ware zwar mindestens 30 Prozent unter der unverbindlichen Preisempfehlung verkauft. Die neueste Kollektion einer Marke finden die Kunden dort aber nicht.

Auch LHG-Chef Ulrich von dem Bruch sieht keine negativen Auswirkungen für die Städte in der Region. Das hätten Umfragen unter Touristen ergeben. "Familien zum Beispiel fahren während eines mehrtägigen Besuchs in der Heide grundsätzlich in eine Stadt", sagt er, räumt aber ein: "Dabei spielt nicht das Shopping-Motiv allein eine Rolle." Im vergangenen Jahr, dem besten der zurückliegenden zehn Jahre, zählte die Heide-Region der LHG zufolge rund fünf Millionen Übernachtungen. Der durchschnittliche Gast blieb drei Tage. Dazu kamen rund 35 Millionen Tagestouristen.

Wirtschaftsfaktor Outletcenter: Auch auf dem Arbeitsmarkt dürften Impulse zu spüren sein. In Soltau werden nach Worten des Centermanagers Reichenauer 350 bis 400 Arbeitsplätze neu entstehen, schätzungsweise die Hälfte davon für Teilzeitbeschäftigte. Die Arbeitsagentur in Soltau hilft bei der Personalauswahl; der Bewerberpool umfasst zurzeit 700 Personen.

Nahezu zeitgleich mit dem Designer Outlet Soltau eröffnet rund 150 Kilometer weiter nördlich, ebenfalls direkt an der Autobahn 7 gelegen, auch am Rande der schleswig-holsteinischen Stadt Neumünster ein vergleichbares Projekt. Betreiber und Investor dort ist die Unternehmensgruppe McArthurGlen, jene Firma, der Sylvie Mutscher das Grundstück in Soltau Ende der 90er-Jahre abgekauft hat. Etwa in gleicher Entfernung von Soltau in südöstlicher Richtung existiert auch in Wolfsburg bereits ein Outletcenter.

ROS-Chef und Branchenkenner Thomas Reichenauer geht davon aus, dass der Bedarf in Norddeutschland damit gedeckt sein dürfte. Grundsätzlich sieht er in Deutschland aber noch viel Potenzial für diese Form der Einkaufszentren. "In Deutschland kommt auf je 1000 Einwohner ein Quadratmeter Verkaufsfläche in Outletcentern", sagt er, "in Italien sind es 7,4, in Großbritannien sogar 9,4 Quadratmeter." Und während es in der Bundesrepublik zum jetzigen Zeitpunkt sechs Outletcenter gebe, seien es bei den Briten 39. Er rechnet für die kommenden Jahre deutschlandweit mit noch sieben bis acht weiteren Neubauten.