In dem denkmalgeschützten Gebäude in Karoxbostel scheint die Zeit vor 100 Jahren stehen geblieben zu sein. Bald soll die Sanierung beginnen.

Karoxbostel. Gleich in zwei Schritten ist der Verein Wassermühle Karoxbostel seinem Ziel näher gekommen, mit der Sanierung des verwaisten Baudenkmals aus dem 19. Jahrhundert beginnen zu können: Die beiden bisher ermittelten Erben des im vergangenen Dezember verstorbenen letzten Mühlenbesitzers August-Wilhelm Denecke haben laut der Ersten Vorsitzenden Emily Weede zugestimmt, das Kaufangebot des Vereins und der Gemeinde Seevetal anzunehmen. Und die Architekturstudentin Julia Fanslau hat damit begonnen, das Haus zu vermessen und einen Konstruktionsplan des 1817 erbauten Wohn- und Geschäftshauses der Mühle zu erstellen. Das gilt als Voraussetzung dafür, das denkmalgeschützte Gebäude wieder instand setzen zu dürfen. Der ursprüngliche Bauplan gilt als verschollen.

Zwar ist der Kaufvertrag noch nicht unterzeichnet. Dass es sich bei der Klärung der Eigentumsfrage offenbar nur noch um eine Formalie handeln dürfte, zeigt die Geste des Nachlassverwalters, Fachanwalt für Erbrecht Karsten Grosinski, dem Verein schon einmal die Schlüssel zu dem Mühlengebäude überlassen zu haben. Julia Fenslau hat das Zutrittsrecht genutzt, um mit den Arbeiten für das Aufmass zu beginnen. Zusammen mit dem Leiter der Denkmalschutzbehörde des Landkreises Harburg, Wolfgang Küchenmeister, dem Konservator des Landesamtes für Denkmalpflege, Dr. Klaus Püttmann, und dem Müllermeister Franz Rosenkranz schaute sich die Studentin in dem Haus um, in dem die Zeit um 1900 stehen geblieben zu sein scheint.

+++ Die Mühle bekommt ihren Kopf zurück +++

"Das ist gelebte Geschichte", schwärmt Wolfgang Küchenmeister, "irgendwann meint man, die Menschen sehen zu können, die einmal hier gelebt haben." In dem alten Haus sei das Jahr 1900 konserviert, das Leben an diesem Punkt stehen geblieben. Begeistert ist der Denkmalschützer von einem Kachelofen im Jugendstil. Eine derartige Flammentechnik, sagt er, habe er noch nie gesehen. Als besonderes Detail aus vergessener Zeit gilt auch eine Lampe in dem Wirtschaftstrakt, die so platziert ist, dass sie drei Räumen gleichzeitig Licht spendet.

So ganz stehen geblieben ist die Zeit aber dann doch nicht in dem beinahe 200 Jahre alten Gebäude. Einbrecher haben das Haus auf den Kopf gestellt, Möbel gestohlen. Mit Zustimmung des Nachlassverwalters hatten deshalb Vereinsmitglieder in einer Rettungsaktion Dokumente herausgeschafft und in das Seevetaler Gemeindearchiv in Sicherheit gebracht. Dabei haben sie die Mühlenbücher entdeckt. Die frühesten Eintragungen darin reichen bis in das Jahr 1780 zurück.

Die Wassermühle in Karoxbostel wurde 1438 das erste Mal urkundlich erwähnt. Das heutige Mühlengebäude stammt aus dem Jahr 1893. Die Mühlentechnik mit den drei Mahlsteinen ist im Original erhalten. Sie muss aber saniert werden, damit Müllermeister Franz Rosenkranz wie sein Vorgänger vor 200 Jahren wieder Getreide mahlen kann. Wolfgang Küchenmeister schätzt die Sanierungskosten der Mühlentechnik auf etwa 100 000 Euro.

Die inzwischen 170 Mitglieder des Vereins wollen wieder Leben in das zwei Jahrhunderte alte Gebäude bringen. Einige Zimmer könnten hergerichtet und für Fahrradtouristen genutzt werden. Hochzeiten, Taufen oder auch Konzerte und Theateraufführungen sollen in dem Haus möglich sein. Naturerlebnistage für Kinder aller Schulen sind eine weitere Idee. Der Verein plant zudem, Brot aus eigener Produktion unter der Marke Karoxbosteler Mühle zu vermarkten.

Wie weit dürfen die Sanierungsarbeiten das denkmalgeschützte Mühlengebäude verändern? Ein altes Haus, in das wieder Leben einkehren soll, müsse nicht wie in einem Museum bewahrt werden, sagt Wolfgang Küchenmeister. "Wir werden den Zustand nur dokumentieren, aber wir werden ihn nicht konservieren." Die Grundstruktur müsse aber erhalten bleiben. Zusätzliche Wände zum Beispiel dürften nicht gezogen werden. Das würde den Erhaltungszustand von der Jahrhundertwende unzulässig verändern.

Die Konstruktion des alten Baumeisters versucht Julia Fanslau indes bis ins Detail nachzuvollziehen. "Wir müssen wissen, wie dick die einzelnen Wände sind und wo welche Balken sitzen", sagt sie. Die 27-Jährige erstellt einen Grundrissplan, um daraus Umnutzungspläne abzuleiten. Julia Fanslau studiert an der Hochschule 21 Bauen im Bestand und wird die Karoxbosteler Mühle zum Thema ihrer Bachelor-Arbeit machen. Was fasziniert sie an diesem Baudenkmal, dass sie gleich Mitglied im Mühlenretterverein geworden ist? "Die Größe", antwortet sie spontan, "und dass es so wahnsinnig gut erhalten ist." Das gesamte Ensemble mit Wirtschaftshaus, Mühle und Sägerei sei beeindruckend.

Als erstes werden die Mühlenretter die riesige Plastikplane von dem Reetdach holen. Sie gefährdet die Bausubstanz. Die Plane müsse schleunigst vom Dach, sagt Julia Fanslau. Die Sonne könne sonst das Reet nicht trocknen, sodass es zu faulen droht. Der verstorbene Mühlenbesitzer hatte die Schutzplane auf der falschen Seite des Daches installiert. Denn dort, wo im Reet ein Loch klafft, regnet es ungeschützt hinein und greift die Bausubstanz an.