“Der Italiener“ - seit Jahrzehnten ein Klassiker. Drei Gastronomen zeigen, wie sie sich mit neuen Konzepten von den Mitbewerbern abheben.

Wenn die warmen Temperaturen nicht zu uns kommen, gehen wir eben dorthin, wo es danach schmeckt. Auf unserem Speiseplan stehen drei Italiener, die mit unterschiedlichen Konzepten zeitgemäß unterhalten.

Buxtehude

Wer durch Buxtehudes Breite Straße flaniert, sollte darauf gefasst sein, dass Kellner den Weg kreuzen. Das Pane e Vino von Ennio und Anna Chinelatto dürfte das einzige Restaurant ohne Küche sein. Hungrige Gäste kommen seit 2004 trotzdem. Sie werden vom Herd und Ofen der Piazza San Marco versorgt, dem zweiten Lokal der beiden gleich gegenüber.

+++Pizza deliziosa mit Rucola und Parmaschinken+++

Ennio erfüllt jedes Klischee eines italienischen Gastgebers. "Ich kenne hier jeden, und jeder kennt mich", sagt er selbstbewusst und scheint recht zu haben. Man duzt sich. Wenn es entspannt läuft, kann er um 1 Uhr nachts Feierabend machen und um 7 Uhr morgens den ersten Espresso mit seiner Ehefrau trinken. "Ich liebe meine Gäste". Wir glauben es ihm sofort. Jeden, der sein Ristorante betritt, scheint er schon seit 45 Jahren zu kennen. 1967 kam er als Eiskonditor in die Estestadt. In Italien ist das ein Ausbildungsberuf. Noch heute produziert er jeden Tag mehr als 50 verschiedene Eissorten. "Nur mit natürlichen Zutaten, ohne Chemie, Farbstoffe und Konservierungsmittel", betont Ennio. Die Eistheke in der Piazza San Marco ist beeindruckend. Darin ambitionierte Geschmacksrichtungen wie Lakritz, Avocado, Joghurette, Zabaione und Blutorange. Der Maestro ist Komponist. Aus ein wenig Chili und viel Schokolade kreiert er neue Gaumenkitzel wie Chili-Schokoladeneis mit pikanter Note im Abgang. Die Kugel kostet zum Saisonstart konstante 80 Cent.

Küchenchefin Anna Chinellato ist für die herzhaften Sachen zuständig. Als Pizzabäckerin serviert sie Unentschlossenen wie mir schon mal die Halbe-Halbe-Pizza. Ich bestelle die scharfe "Gorgonzola Salame Piccante" (8,50 Euro) und lasse die zweite Hälfte als fleischlose "Vegetale" (6 Euro) belegen. Währenddessen unterhält Ennio seine Gäste mit passenden Geschichten zum Wein. Die Trauben seines direkt importierten Lunate Rosso aus Sizilien würden nur bei Mondschein gelesen. Die gelungene Cuvée aus Merlot und Nero D'Avola kostet hervorragende 14 Euro pro Flasche. Das Pane e Vino stehe für Leib und Seele. Dazu ein kuscheliges, warmes Ambiente - fertig ist ein sehr stimmiger Ausflug nach Italien.

Lüneburg

Es ist 1988, als der 17 Jahre alte Pizzabäcker Felice di Pietrantonio aus den Abruzzen in seinem Heimatort Teramo den Bus verpasste. Keine große Sache, hätte dieses kleine Missgeschick nicht sein ganzes Leben verändert. Als er per Anhalter weiter will, hält ein Cousin und fragt, ob er nicht Lust habe, in seinem Ristorante zu arbeiten. Das befinde sich in Lüneburg. Ein Ort, von dem Felice noch nie gehört hatte.

24 Jahre später zählt er zum italienischen Urgestein an der Ilmenau. Die Lüneburger kennen ihn aus dem Vesuvio, seinem Start in die Selbstständigkeit. Hier backt er den Einheimischen ihre erste Holzofenpizza. 2010 erfüllt sich Felice den Traum von einem Restaurant, das vollkommen seinen Vorstellungen von italienischer Gastfreundschaft entspricht, die Osteria del Teatro. Die Kulisse bildet eine alte Fabrikhalle schrägt gegenüber dem Lüneburger Theater. Felice entwirft eine offene Showküche, die gleich am Eingang die Kommunikation zwischen Gästen und Köchen herstellt. Dicke Stahlträger und freigelegte Backsteine mischt er mit Loungeecke und trendy Korbgeflecht - Kontrastoptik zur herkömmlichen Pizzeria. Auf die runden Bestseller aus Hefe mag er nicht verzichten. 13 Variationen holt das Personal auf Bestellung aus dem Ofen. Darüber hinaus geht es auf dem Herd hochwertiger zu als beim Durchschnittsitaliener. Die Karte ist klein, Empfehlungen wechseln wöchentlich. Zusammen mit seiner Küchenchefin Maria macht der Patrone sogar die Pasta selber. Aus der großen, gelben Nudelmaschine kommen täglich Tagliatelle, Ravioli, Spaghetti und Makkaroni. Trotz der Handarbeit ist kein Pastagericht teurer als 12,50 Euro.

Draußen auf der lauschigen Hinterhof-Terrasse beginnt nächstes Wochenende die Grillsaison. Dreimal Fleisch (zum Beispiel Hähnchenbrust, Entrecote und die deftige Landwurst Salsiccia) und dreimal Fisch (zum Beispiel. Seeteufel, Lachs und Scampi) werden auf den Grill gelegt. 24,50 Euro zum Sattessen kostet der Büfettspaß, inklusive Antipasti und Salat. Gruppen ab vier Personen, die vorher reservieren, spendiert Felice eine Flasche Pinot Grigio oder die rote Rebe Cabernet Franc. Ein halbes Dutzend italienische Mitbewerber buhlen in Lüneburg um die Gaumen der Italienfans. Die Osteria liegt etwas abseits der Touristenpfade. Der Preiskampf beschert den Lunchgästen ein ansehnliches Mittagsbüfett mit Softdrink und Espresso für zehn Euro. Warum vor kurzem auch noch der recht unitalienische Sonntagsbrunch hinzukam, bleibt das Geheimnis des Chefs.

Buchholz

Im Zentrum von Buchholz gibt es seit 2011 Italienisch für Sitzenbleiber und Fortgeschrittene. Das Cantinella ist zwei in einem: Feinkosthandel und Restaurant. An der Frischetheke werden Parmaschinken, Mortadella und Pancetta aufgeschnitten und transportfertig verpackt. Das, was der Gast à la carte probiert, kann er für den eigenen Kühlschrank gleich mitnehmen. Das pfiffige Konzept stammt von Gitte Hendriok und Corrado Contu.

Kenner kaufen zum Beispiel frischen Pecorino-Käse aus der sardischen Heimat des Inhabers. Dazu können sie ihren Vorrat an Olivenöl, Balsamicoessig oder Antipasti aufstocken. Vor allem die Weinauswahl erscheint ambitioniert. Unser Tipp: Terresicci, eine Cuvée aus der Cannonau- und Monika-Traube. Sie lagert fast zwei Jahre in Barriquefass und Flasche, bevor sie den Gaumen samtrot umschmeichelt. 28,50 Euro pro Flasche sind für Weinschmecker eine gelungene Investition.

Contu kennt sich aus. Früher leitete er jahrelang das renommierte Rive am Hamburger Fischmarkt. An seiner neuen Wirkungsstätte möchte er vor allem eines: überraschen. Und zwar mit frischer italienischer Küche, die anders sein soll als die Standards der Landsleute. Vorweg wählen wir den Salat von Artischockenherzen mit nativem Olivenöl und gehobeltem Parmesan (9,90 Euro). So einfach, so gut. Auch das Tomatenbruschetta mit Jakobsmuscheln und Scampi auf Rucola (11,80 Euro) ist ein großartiger Starter. Ich verzichte aufs Hauptgericht und lasse mich von einer weiteren Vorspeise begeistern: Tatar vom Yellow-Fin-Tunfisch mit grüner Gurke und Salat (10,90 Euro). Exzellent! Auch die gegrillte Filetvariante für 17,90 Euro macht meine Begleitung glücklich, dazu Babyspinatsalat und Risotto "bianco". Meer zum Lunch? Der Mittagsfisch ist preisermäßigt. Aber Vorsicht, wer isst, braucht genug Bares. Plastikkarten werden nicht akzeptiert. Leider.

Die Sitzenbleiber werden rustikal untergebracht. Entweder unten an Sechser-Hochtischen aus hellem Bauholz oder in der oberen Etage auf Bänken mit Schaffell. Gitte Hendriok warnt vor: "Wenn's voll wird, setzen wir Gäste dazu." Wer unter sich bleiben möchte, isst hier falsch. Man gibt sich gesellig, offen, geräuschvoll, wenig norddeutsch, aber wir sind ja auch beim Italiener. Donnerstag, Freitag und Sonnabend sollte man vorher reservieren.