2300 Menschen beobachteten per Bus Kehdingens Gänse. Niedersachsens Umwelt-Ressortchef Birkner lobt das Projekt.

Freiburg. Stefan Birkner blickt mit einem Fernglas auf die weiten Kehdinger Grünflächen entlang der Elbe. Niedersachsens Umweltminister hat einen Schwarm Nonnengänse anvisiert, der sich in diesem Moment wieder auf der Wiese niederlässt. Trotz des Windes genießt Birkner offensichtlich seinen Besuch im Landkreis Stade, bei dem er eine Fahrt mit dem "Vogelkieker" unternimmt. Er bezeichnet das Projekt als ein Paradebeispiel, um Menschen in die Natur zu bringen und so auch deren Bereitschaft zum Naturschutz zu fördern.

Etwa 40.000 Wildgänse sind in diesen Tagen noch im Landkreis Stade zu Gast. Anfang Oktober kommen große Schwärme der Nonnengans aus ihren arktischen Brutgebieten und überwintern an der Unterelbe. Damit rastet ein Fünftel des Weltbestandes im Landkreis. Umweltminister Birkner begleitet an diesem Tag eine vierte Klasse der Grundschule Fredenbeck bei ihrer Tour mit dem "Vogelkieker".

Seit 1994 bietet der Verein zur Förderung von Naturerlebnissen die Beobachtungsfahrten mit dem Doppeldeckerbus an. Vor knapp zwei Jahren wurde ein neuer Bus gekauft. Das Land Niedersachsen hat den "Vogelkieker" mittlerweile mit rund 200 000 Euro unterstützt. "Der Vogelkieker ist ein Musterbeispiel für ein Natur-erleben-Projekt", sagt Birkner. Niedersachsen startete im Jahr 2004 mit dem Förderprogramm "Natur erleben". Inzwischen hat das Land in diesem Zusammenhang 180 Projekte mit mehr als 13 Millionen Euro gefördert.

Ziel sei es, die Menschen in der Natur zu bringen, sagt Birkner. Wenn ihnen so Wissen über den Naturschutz vermittelt werde, steige auch die Bereitschaft, selbst etwas zu tun sowie die Akzeptanz des Naturschutzes, ergänzt der Umweltminister. "Die Menschen aus der Natur raushalten, das funktioniert nicht", sagt Birkner. Deshalb wolle Niedersachsen die Bevölkerung gezielt zu den Naturerlebnissen bringen. Vorbildlich seien in diesem Zusammenhang die Touren mit dem "Vogelkieker", die der Verein zur Förderung von Naturerlebnissen in Kehdingen anbietet.

Geleitet werden diese Touren seit 2002 von Diplom-Biologin Stefanie Voigt, die hauptamtlich für den Verein tätig ist. Die Touren sind begehrt. "Im vergangenen Jahr gab es etwa 90 Vogelkieker-Fahrten mit knapp 2300 Gästen", sagt Voigt. Die Diplom-Biologin betreut jede Fahrt und vermittelt sowohl Erwachsenen als auch Kindern viel Wissenswertes über die Gänse, aber auch über Land und Leute, Natur und Kultur in der Region.

Der "Vogelkieker", ein umgebauter Doppeldeckerbus, bietet als fahrende Beobachtungsstation den besten Blick vom vier Meter hohen Oberdeck auf die Vogelwelt in Nordkehdingen. Zu Spitzenzeiten sind bis zu 90 000 Nonnengäste zu Gast an der Unterelbe. Das Vogelschutzgebiet zwischen Ostemündung und Assel ist knapp 16 400 Hektar groß. Doch im Sommer fliegen die Gänse weiter in nordöstliche Richtung. In dieser Zeit wird der "Vogelkieker"- Bus nur für wenige Sonderfahrten wie zum Baljer Leuchtturm oder für eine Fledermaustour eingesetzt.

Doch das soll sich ändern. Außerhalb der Hauptsaison zwischen Oktober und Ende April soll der Bus in Zukunft anderweitig genutzt werden. "Eine Möglichkeit wäre, ihn als Radwanderbus einzusetzen", sagt Uwe Seggermann. Seggermann ist Leiter der Naturschutzbehörde des Landkreises Stade und ehrenamtlicher Geschäftsführer des Vereins zur Förderung von Naturerlebnissen.

Doch bevor der Doppeldeckerbus in den Sommermonaten als Radwanderbus eingesetzt werden könnte, muss das Fahrzeug eine Anhängerkupplung bekommen. Das Fahrzeug wurde bereits mehrfach nachgerüstet. Zunächst mit einer zusätzlichen Heizung, und mittlerweile sind auch Präsentationen im unteren Teil des Busses möglich.

Während sich der Verein zur Förderung von Naturerlebnissen bereits mit Zukunftsplänen beschäftigt, muss sich Niedersachsens Umweltminister Stefan Birkner auch um aktuelle Probleme kümmern, die die Wildgänse in Kehdingen verursachen. Seit Jahren beklagen sich Stades Landwirte bereits darüber, dass die Wildgänse den Bauern jedes Jahr die Felder leer fressen würden.

"Wir sind bereit, Vertragsnaturschutz anzubieten und sehen dies auch als geeignetes Instrument an", sagt Birkner. Dabei dulden die Landwirte die Vögel, verpflichten sich zum Beispiel nur zu bestimmten Zeiten zu mähen und bekommen als Ausgleich Geld vom Land. "Wir wären auch bereit, über andere Dinge zu sprechen", ergänzt der Umweltminister, "aber wir brauchen Signale aus der Region, in welche Richtung es gehen soll."