Spektakuläre Funde: Professor Rainer-Maria Weiss stellt zehn Objekte und eine Fälschung vor. Heute: Waffen aus der Umgebung Ahrensburgs.

Was hatten Robin Hood und ein Jäger, der etwa 9500 vor Christus durch die Wälder streifte, gemeinsam? "Sie waren mit Pfeil und Bogen unterwegs", sagt Rainer-Maria Weiss, Direktor des Archäologischen Museums Hamburg. Erst die Erfindung des Schwarzpulvers im zwölften Jahrhundert beendete den Siegeszug von Pfeil und Bogen. Der Erfolg der Waffe war so durchschlagend, dass er Künstler inspirierte: Höhlenmalereien, die Jagdszenen mit Pfeil und Bogen zeigen, zeugen davon. Und später, im ausklingenden Mittelalter, entstand die Ballade über Robin Hood, der mit Pfeil und Bogen für die Armen kämpft.

"Ich bin mir sicher, dass es die Menschen in der Steinzeit ebenso gut verstanden, mit Pfeil und Bogen umzugehen", sagt Weiss. Denn die Bedeutung der Jagd war zum Ende der letzten Eiszeit groß, war es doch überlebenswichtig, sich regelmäßig mit Fleisch versorgen zu können. Sogar kleine Kinder spielten damals mit Mini-Spielzeugbögen. Schon früh begannen sie, sich auf ein Dasein als Jäger vorzubereiten.

+++ Die Ausstellung +++

"Mit Wurfspießen und Speeren erlangte man nicht genug Reichweite und Durchschlagskraft, das hatten die Menschen irgendwann begriffen. Auch die Jagd mit Speerschleudern brachte nicht die Erfolgserlebnisse, die Pfeil und Bogen versprachen", sagt Weiss. Sogar Steinzeitmensch "Ötzi", dessen Leiche 1991 mumifiziert in den Ötztaler Alpen gefunden wurde, war bei seinem Zug über die Berge mit Pfeil und Bogen unterwegs gewesen. "Man fand bei ihm fertige Pfeile und zwölf Rohlinge", sagt Weiss.

Auch im heutigen Hamburger Umland hatten die Menschen offenbar schon recht früh kapiert, dass mittels Pfeil und Bogen jedes Wild zur Strecke zu bringen war: So machte man in den 20er-Jahren im Ahrensburger Stellmoor eine erstaunliche Entdeckung. Dort fand man Spuren einer späteiszeitlichen Lebensgemeinschaft, der Ahrensburger Gruppe. Bei Grabungen fand man unter anderem einige Pfeile mit Sehnenkerbe, die als älteste Kompositpfeile - Pfeile, die aus drei Teilen gefertigt und zusammengesetzt wurden - der Welt gelten. "Schade, dass sie während des Zweiten Weltkriegs verbrannten. Deshalb können wir heute nur noch Fotos der Pfeile betrachten", sagt Museumschef Weiss.

Eine schön gearbeitete Feuersteinpfeilspitze befindet sich im Fundus des Museums, ein Objekt, das mit seiner feinen Verarbeitung eher an ein filigranes Schmuckstück erinnert - "ein feines Meisterwerk", so Weiss. Daran zeige sich einmal mehr, dass die Menschen zu jener Zeit schon wahre Materialspezialisten waren. Denn die Herstellung der Pfeile war aufwendig. So galt es, zunächst einmal geeignete Äste aus Birken-, Kiefern-, Hasel- oder Schneeballholz gerade zu biegen. Das schafften die Ahrensburger, indem sie die Strünke zunächst entrindeten und entasteten. Den Stab steckten sie in eine Art Steinzwinge. Der Schaft wurde nun auf- und abgerieben, bis er schnurgerade war. Die Form allein brachte es aber nicht. Um die Flugbahn zu optimieren, mussten Federn sauber eingekerbt werden. Weiss: "Das war wichtig für die Flugbahn. Eine misslungene Kerbe mit einer schrägen Feder sorgte für einen fiesen Drall - und das Abendbrot fiel womöglich aus. Das ging gar nicht."

War das geschafft, ging es ins Detail: Der Schaft wurde vorn eingekerbt, eine separate Spitze, der 15 bis 20 Zentimeter lange Vorschaft, wurde abgetrennt. Daran wurde die Klinge mit Birkenpech angeklebt. Spitze und Pfeil wurden daraufhin ebenfalls wieder mit Bast und Birkenpech zusammengefügt - fertig. "Blieb die Spitze samt Vorschaft im erlegten Tier oder gar in einem Baum stecken, hatte man keine kostbare Spitze verschwendet. Man steckte einfach einen neuen Pfeil auf. "Deshalb hatten die Jäger jener Zeit wenige Pfeile, dafür aber haufenweise Spitzen dabei." Außerdem hatten sie schnell herausgefunden, dass jede Tierart so ihre Eigenarten hat. Um beispielsweise ein Moorhuhn durch einen Pfeil nicht zu zerfetzen, setzten die Menschen Kolben statt Spitzen an die Pfeile. "Die Vögel starben nach dem Aufprall durch den Schock."

+++ Spurensuche +++

Andere Pfeile haben Sägeklingen, die die Haut dickledriger Tiere aufreißen. Es gibt außerdem noch Seitenschneider-Pfeile, Querschneider-Spitzen aus Knochen, Flintgestein und Geweih. Das hatte seinen Sinn. Während Spitzen aus Stein mit ihren scharfen Kanten ein tieferes Eindringen in ein Beutetier garantierten, hatten Exemplare aus Geweih oder Knochen den Vorteil, dass sie nach dem Aufprall nicht so leicht brachen.

"Derart ausgerüstet, waren auch die Ahrensburger Jäger sehr erfolgreich. Das zeigen unter anderem die Knochenreste von 300 Rentieren, die sich rund um die Feuerstellen fanden", berichtet der Archäologe Weiss. Mittels Pfeil und Bogen ließ es sich recht lautlos und auf Distanz jagen, der Jäger begab sich also nicht in eine unmittelbare Gefahrenzone, so der Museumsdirektor. Doch eine Versicherung, heil von der Jagd zurückzukommen, war das keinesfalls. Weiss: "Archäologen fanden in einer Höhle bei Bichon das Skelett eines Braunbären, der mit mehreren eingeschossenen Feuersteinpfeilspitzen bestückt war - und daneben die knöchernen Überreste eines Jägers. Der Bär hatte also noch genug Kraft, den Mann in den Tod zu reißen."

Während Wissenschaftler immer mal wieder Pfeile und Spitzen fanden, sind Funde von Bögen selten. Auch im Ahrensburger Stellmoor erbrachten Grabungen kein Ergebnis. "Holz wird eben innerhalb kürzester Zeit von Bakterien und anderen Mikroorganismen aufgelöst", so Weiss. Aber "Ötzi" hatte einen Bogen dabei. Aus Eibenholz. Und der wurden vermutlich nicht nur zum Jagen verwendet. Denn wie Forscher herausfanden, starb der Gletschermann an einer Schussverletzung. Ein Pfeil hatte seine linke Schulter getroffen. Diese Attacke überlebte er nicht.

Wer die vorangegangenen Folgen verpasst hat, findet sie unter www.abendblatt.de/schaetze

Das Abendblatt-Video zur Serie: www.abendblatt.de/ausgrabungsschaetze

Am kommenden Montag berichtet Museumsdirektor Rainer-Maria Weiss über den ältesten Brotfund Europas.