Kein Lüftchen regt sich, als Experten die reparierte Haube auf die historische Windmühle Venti Amica in Hollern-Twielenfleth montieren .

Hollern-Twielenfleth. Die Venti Amica konnte sich auf ihren Freund, den Wind, voll und ganz verlassen. Für den komplizierten Balanceakt, der mit schwerer Technik bewältigt werden sollte, sorgte absolute Windstille für ideale Voraussetzungen. Kein Lüftchen regte sich gestern Vormittag, als die historische Windmühle ihre reparierte Haube zurückbekam. Zwar noch ohne Flügelruten aber in altehrwürdiger Schönheit ist die "Freundin des Windes", was Venti Amica bedeutet, wieder attraktiver Blickfang in Hollern-Twielenfleth.

Den drei Mühlenbauern, dem Kranführer, dem Müller und allen Helfern ist die Anspannung anzusehen. Allein mit Kraft und Technik könne man es nicht bewerkstelligen, sagt der Müller Hein Noodt, der die Windmühle in fünfter Generation betreibt. Noch steht der Kopf seiner Mühle auf einem Spezialgestell am Boden, und Noodt muss sich vor Aufregung eine Zigarette anzünden. "Hoffentlich geht alles gut", murmelt der Müller und reicht einem Helfer im Blaumann eine Zange.

Andreas Schmiel, Mühlenbauer von der Winsener Firma Wilhelm Pätzmann, schleppt eine gewaltige Kette heran, in die seine Kollegen Andreas Kröger und André Pancianeschi mächtige Haken und Schäkel einhängen. Mit Sicherungsmuttern so groß wie Handteller wird der u-förmige Bolzen geschlossen und mit vier Ketten verbunden, die vom Ausleger eines riesigen, 60 Tonnen schweren Krans herabgelassen werden.

Im Cockpit des Krans sitzt Fred Korodi, ein Kerl groß wie ein Baum aber mit dem Fingerspitzengefühl eines Gefäßchirurgen. Hochkonzentriert führt er die Steuerknüppel und lenkt den 60-Meter-Ausleger nach den Handzeichen der Mühlenbauer.

"Das Einstellen der Ketten, die vorsichtig durch die Mühlenhaube gefädelt werden müssen, ist das Heikelste des bevorstehenden Balanceaktes", erklärt Andreas Schmiel. Und weil nichts rutschen, reiben oder wackeln darf, wuseln die Männer um den Mühlenkopf, als würden sie einer Braut den Kranz binden. Sie richten Seile und Holzkeile aus, justieren millimetergenau Träger und Kettenglieder, bis sie perfekt sitzen. Damit die 13 Tonnen schwere Kappe samt 1,5 Tonnen schwerer Haltetechnik punktgenau auf den Rollenkranz des Achtkants am oberen Abschluss der Mühle gesetzt werden kann, müssen die Fachleute auf jede Kleinigkeit achten. Das Gewicht am Kranhaken entspricht nun etwa dem von 14 Personenwagen.

+++ Die Mühle bekommt ihren Kopf zurück +++

Der Twielenflether Maschinenbauschlosser Dierk Vollmers und Florian Eickmann aus Stade, der von Beruf Müllerei- und Mühlentechniker ist, unterstützen die Mühlenbauer bei den meisten Handgriffen. Eickmann sagt, er sei absoluter Windmühlenfreak und die historische Technik der Venti Amica fasziniere ihn so sehr, dass er in den Mühlenverein eingetreten ist und wo es nötig ist, auch gern hilft.

Eickmann und Vollmers vermessen, loten aus, heben und rucken an den Halteketten, reichen den Mühlenbauern Werkzeuge, Keile und Zollstock bis alles für das Anheben vorbereitet ist.

Müller Noodt hält den Atem an. Der Kranführer gibt Gas. Der Boden neben dem Kran bebt, als er den Ausleger, der bis zu 160 Tonnen anheben kann, gefühlvoll millimeterweise nach oben schiebt.

"Halt! Stop!", ruft Mühlenbauer Kröger. Eine der Ketten ist zu dicht an der Windrose und könnte sie beschädigen. Das Geduldspiel mit Justieren und Nivellieren beginnt von vorn, Hein Noodt muss sich noch eine Zigarette anstecken. Die Blicke der inzwischen versammelten Schaulustigen sind ebenso gespannt nach oben gerichtet, wie die der Mühlenbauer als Kranführer Korodi den nächsten Versuch startet.

Behutsam führen und schieben die Männerhände die grüne Haube mit der weißen Windrose wie ein rohes Ei, als sie sachte vom Spezialgestell abhebt.

Müller Noodt streicht die neuralgischen Punkte an der Unterseite mit Spezialfett ein, was das Schieben und korrekte Einsetzen am Achtkant mit etwa fünf Metern Durchmesser erleichtern soll. Letzte prüfende Blicke auf alle Details, nichts darf den Mühlenkopf auf dem Weg nach oben aus dem Gleichgewicht bringen. Noodt kommt mit einem kleinen Farbeimer und Pinsel gerade noch dazu, zwei Stellen am Schriftzug mit Weiß nachzubessern, damit die Haube seiner Venti Amica ohne Makel montiert werden kann.

Sicher legen die Mühlenbauer sie auf die Parrierrollen des Drehkranzes und fädeln die drehbare Haube in ihre Führungsbahn ein. Das Lächeln und Strahlen des Müllers gibt allen Gewissheit. Sie haben Präzisionsarbeit und eine perfekte Leistung geliefert.