Halb Schwank, halb Musical: Die Theatergruppe “Stippvisite“ feiert in Cranz Premiere mit dem neuem Stück “Und was is' mit Aale?“.

Cranz. "Wow, hast du das selbst gemalt, aus freier Hand?", ruft Nicole Rüsch, als sie aus der Aula der Schule in Cranz geschossen kommt. "Das ist ja unglaublich.""Ja, gestern Abend", antwortet Sylvi Rehder und grinst verlegen. Dabei darf Rehder ruhig stolz sein. Das Objekt der Bewunderung ist die Kulisse des neuen Stücks der Theatergruppe "Stippvisite", zu der auch Rüsch und Rehder gehören und das sie ab dem 13. April hier, in der Schulaula, fünfmal aufführen werden. Einen ganzen Sonntagnachmittag hat Rehder gemalt und gezeichnet. Das Ergebnis zeigt die Silhouette Hamburgs mit dem Michel und dem Fernsehturm.

"Und was is' mit Aale?", so der Titel des Stücks, spielt nämlich auf dem Hamburger Fischmarkt. Es ist Sonntagmorgen, die Barkasse von Käpt'n Nüsse legt am Fischmarkt an, und die Passagiere erleben den üblichen Fischmarkt-Trubel: streitende Marktschreier, durstige Obdachlose, dreiste Bordsteinschwalben sowie den gewieften Zudehütadi. Er ist Zuhälter, Dealer, Hütchen-Spieler und Taschendieb in einem und zockt Fischmarkt-Besucherin Edelgard vom Limburg-Schnippe ab. Folglich haben Wachtmeister Wachtel und Pater Noster alle Hände voll zu tun, um für Recht und Ordnung zu sorgen.

Genau wie die Kulisse stammt auch das Drehbuch aus der Feder Sylvi Rehders. Die 53-Jährige schreibt ihren Mitspielern die Rollen auf den Leib. Sie ist Autorin und Regisseurin in Personalunion und gleichzeitig so etwas wie das Herz und die Seele von "Stippvisite". "Ich weiß selbst nicht, wie ich das gerade alles schaffe, zumal ich vor kurzem auch noch umgezogen bin", sagt Rehder. "Ich habe noch keine Kartons ausgepackt, dafür sitze ich hier und male den ganzen Tag die Kulissen. Aber ich mache das ja gern." In der Tat spürt man Rehder wie auch dem Rest der bunt gemischten und frohen Gruppe ihren Enthusiasmus in jedem Moment an. "Wenn man so ein Hobby hat, ist man gut gelaunt", sagt Rehder. "Ich finde, das hält gesund."

Seit fünf Jahren gibt es den eingetragenen Verein "Stippvisite" bereits. Zuvor spielte Rehder in einer Theatergruppe in Harsefeld. Auf Dauer war ihr das zu weit entfernt, also beschloss sie kurzerhand, selbst eine Musicalgruppe in ihrer Heimat Cranz zu gründen. "Ich schreibe seit meinem elften Lebensjahr und habe schon immer eine lebhafte Fantasie gehabt. Also habe ich mir gedacht, ich verfasse einfach selbst eine Geschichte", sagt Rehder. "Ich hatte dann so viel Elan, dass mein erstes Stück relativ schnell fertig war." Im Anschluss sprach Rehder gezielt Menschen in ihrem Umfeld an, die gut miteinander harmonieren, um sie für die Theatergruppe zu gewinnen.

Die meisten der derzeit zehn Ensemble-Mitglieder kommen selbst aus Cranz und sind genau wie Rehder und ihre Kinder hier zur Schule gegangen. "Ich bin wirklich eng mit der Schule verwurzelt", sagt sie. "Für mich ist sie wie ein Zuhause." Seit neun Jahren arbeitet die gelernte Erzieherin nun selbst in der Schule, als Sekretärin. "Die Schulleitung hat uns bei dem Projekt von Anfang an unterstützt", sagt sie. "Natürlich ist das auch gute Werbung für unsere Schule, von der viele gar nicht wissen, wie toll sie ausgestattet ist."

Als Dankeschön für die Unterstützung durch die Schulleitung spendet "Stippvisite" die Einnahmen der Theaterstücke übrigens an die Schule. Außerdem leitet Rehder auch die "Mini-Stippvisite", eine Theater-AG für Viertklässler, mit denen sie ebenfalls ein Stück pro Jahr auf die Bühne bringt.

Die "Mini-Stippvisite" findet in der Cranzer Schule übrigens so viel Anklang, dass Rehder laut eigener Aussage noch drei weitere Kurse mit Interessenten füllen könnte. "Aber dann dürfte ich nicht mehr berufstätig sein", sagt sie. Ihr Hobby zum Beruf zu machen, kommt für Rehder allerdings nicht in Frage. "Ich glaube, sobald wir anfangen würden, damit Geld zu verdienen, bekäme das einen unguten Beigeschmack", sagt sie. "Wir sind ein Dorftheater, ein Laientheater. Wir haben nicht den Anspruch, an große Bühnen zu gehen."

Und trotzdem sind die Aufführungen der Gruppe beeindruckend professionell. Kostüme und Kulisse sind liebevoll gestaltet, und die Skripte von Rehder, die schon jetzt Ideen für die nächsten fünf Stücke hat, geben einen Lacher nach dem nächsten her. "Bei uns gibt es immer viele Kalauer", sagt sie. "Eigentlich bedienen wir alle Klischees. Aber unsere Aufführungen müssen auch massenkompatibel sein, denn unser Publikum ist bunt gemischt." "Schwusical", so nennt die Theatergruppe selbst das, was sie macht - eine Mischung aus Schwank und Musical. Dafür dichtet Rehder Hits und Gassenhauer ironisch um und passt sie der Handlung an.

Beim Publikum kam diese Mischung von der ersten Aufführung an bestens an. "Ich weiß noch, kurz vor der Premiere vor fünf Jahren habe ich mich gefragt, was ich da eigentlich mache", so Rehder. "Schließlich wohne ich hier im Dorf, und wenn ich mich blamiere... Da hatte ich auf einmal richtig Nervenflattern. Aber die Premiere war so ein Erfolg, dass am nächsten Tag ungelogen 100 Leute bei mir angerufen haben und Karten für die nächsten Vorstellungen haben wollten. Seitdem hat das so eine Eigendynamik entwickelt."

"Und was is' mit Aale?" wird am 13., 14., 20. und 21. April um 19.30 Uhr sowie am 15. April um 16 Uhr in der Aula der Grundschule in Cranz, Estebogen 3, aufgeführt. Karten kosten acht Euro und sind unter anderem in der "Hohen Luft" in Buxtehude, in den Schulen in Cranz und Neueinfelde oder telefonisch unter 040/756 02 00 erhältlich.