Erneuerung des Brandschutzes kostet 865 000 Euro. Aufgaben sollen aber nicht an freie Träger abgegeben werden. Landrat setzt sich ein.

Stade/Buxtehude. Damit das Jugendhaus am Vorwerk in Stade die aktuellen Brandschutzauflagen erfüllt, muss der Landkreis Stade tief in die Tasche greifen. Etwa 865 000 Euro müssten in das Kinder- und Jugendheim investiert werden. Mit Blick auf die angespannte finanzielle Situation des Landkreise gibt es nun die ersten Stimmen, die fordern, die Aufgaben des Jugendhauses auf freie Jugendhilfeträger zu übertragen. Doch Stades Landrat Michael Roesberg stellt sich klar vor seine Einrichtung.

Das Kinder- und Jugendheim liegt idyllisch, beinahe ein wenig versteckt an einer Seitenstraße im Stader Stadtteil Campe. Es gibt einen großen Bolzplatz hinter dem Haus, ein Basketballfeld, Tischtennisplatten und ein Grillhäuschen. Wenig ist zu spüren von den Schicksalen, mit denen Heimleiter Johannes Hartgens und sein Team beinahe täglich konfrontiert werden.

Kinder und Jugendliche, die im Jugendhaus wohnen, sind nicht selten Opfer häuslicher Gewalt geworden oder sie sind missbraucht worden. Dass die Polizei mitten in der Nacht neue Bewohner bringt, ist nicht ungewöhnlich. Wer dort wohnt, benötigt Hilfe. Deshalb bezeichnet Roesberg das Jugendhaus als "wichtige und wertvolle Einrichtung".

+++ Kommentar: Jugendhaus sollte beim Kreis bleiben +++

Mit Blick auf die erforderlichen Investitionen müsse die Frage beantwortet werden, ob der Landkreis das Jugendhaus auch künftig weitertragen wolle. Dazu hat der Landrat eine klare Meinung: "Ja. Wir müssen den Kindern vor Ort ein sozialpädagogisches Angebot machen. Und es ist richtig, dass wir es selbst machen."

Damit reagiert Roesberg auch auf einen Antrag des FDP-Kreistagsabgeordneten Rudolf Fischer. Der Kommunalpolitiker fordert die Verwaltung auf, zu prüfen, ob nicht eine Auflösung des Jugendhauses und die Übertragung der Aufgaben auf freie Jugendhilfeträger im Landkreis sinnvoller als weitere Investitionen wäre.

Fischers Meinung nach müsse der Trend, dass an die Stelle stationärer Unterbringung zunehmend ambulante Behandlung rücke, berücksichtigt werden. Diese Entwicklung führe dazu, dass in einigen Jahren Gruppen nicht mehr ausreichend belegt sein würden.

Das Jugendhaus am Vorwerk sei heute "keine klassische stationäre Jugendhilfeeinrichtung" mehr, sagt Heimleiter Johannes Hartgens. Dieser Bereich sei heute zwar noch wichtig, aber eben nur ein Teil der vielfältigen Aufgaben. Zeitgleich können derzeit 53 Kinder und Jugendliche im Stader Heim aufgenommen werden. Doch das Leben dort hat sich verändert.

Es sei schnelllebiger geworden, sagt Hartgens. Das liege daran, dass die Kinder und Jugendlichen in der Regel nicht mehr so lange im Heim bleiben. Waren es vor einiger Zeit noch mehrere Monate, können viele Kinder und Jugendliche das Stader Heim mittlerweile oft schon nach zehn bis zwölf Tagen wieder verlassen und zu ihren Familie zurückkehren. Ziel sei es, dass die Kinder wieder in ihren Familien leben können. Deshalb wurden die ambulanten Hilfen stark ausgebaut. "So ein ambulantes Netz gab es in der 1980- und 1990er-Jahren noch nicht", sagt Günter Hagenah, Leiter des Kreisjugendamtes in Stade.

Im Jugendhaus am Vorwerk gibt es zum Beispiel sogenannte Erziehungsbeistandschaften. Dabei beraten Sozialpädagogen die Familien, sie geben vielfältige Tipps, von der Haushaltsführung bis zur Erziehung. Doch nicht bei allen Kindern und Jugendlichen bringen die frühzeitigen Maßnahmen den gewünschten Erfolg. "Wenn sie untergebracht werden müssen, sollte dies heimatnah geschehen", sagt Heimleiter Hartgens. Mit speziellen Hilfeplänen sollen die Jugendlichen möglichst schnell wieder in ihre Familie integriert werden.

Trotzdem gibt es noch immer die besonders schwierigen Fälle. Bei diesen wird frühestens nach einem halben Jahr geschaut, inwieweit die Probleme gelöst werden konnten. "Aber manifeste Probleme lassen sich nicht in einem halben Jahr aufarbeiten", sagt Hartgens. Deshalb sei es in diesen Fällen nicht ungewöhnlich, dass die Heimbewohner mehrere Jahre blieben. "Aber dass sie zehn Jahre oder länger bleiben, das gibt es heute mit Abstand nicht mehr", sagt Hartgens.

Im vergangenen Jahr betreute das Jugendhaus am Vorwerk etwa 250 Kinder und Jugendliche. Die Art der Betreuung und Hilfen ist in acht unterschiedliche Teilbereiche aufgegliedert. "Die Aufgaben werden auf ganz viele Tischbeine verteilt, und so wird der Betrieb zukunftsträchtig aufgestellt", sagt Kreisjugendamtsleiter Hagenah. Wie vielfältig die Aufgaben des Jugendhauses am Vorwerk sind, möchte die Kreisverwaltung bei der nächsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses im Mai vorstellen und so auch den Verbleib des Heims beim Landkreis rechtfertigen.