Christian Thiel kennt die Probleme, vor die eine Beziehung zwei Menschen stellen kann. Der Single- und Partnerschaftsberater aus Berlin hat bereits zahlreiche Bücher über die wichtigsten Rezepte für eine erfüllte Partnerschaft geschrieben. Im Abendblatt-Interview verrät er, worauf es in der Liebe wirklich ankommt und was passiert, wenn sie endet.

Hamburger Abendblatt:

Herr Thiel, warum halten Paare so oft an vertrauten Strukturen fest, obwohl ihre Beziehung eigentlich schon längst gescheitert ist?

Christian Thiel:

Niemand gesteht sich gern das Scheitern einer Ehe ein. Und zwar umso weniger, je höher rein ökonomisch betrachtet die Investitionen in den Partner bereits gewesen sind. Sprich: Haus gebaut, Kinder gezeugt. Das führt dazu, dass beide in der Regel nicht von dem Modell der Ehe ablassen wollen. Und zwar so lange, bis es nicht mehr anders geht.

Und wann wäre das?

Thiel:

Wenn der Körper nein sagt, indem er zum Beispiel die Sexualität verweigert. Der Mann bekommt keine Erektion mehr, die Frau hat pausenlos Kopfschmerzen, aber seltsamerweise nur am Wochenende, wenn Zeit für Körperlichkeit wäre.

Sexualität spielt in einer Beziehung also eine übergeordnete Rolle?

Thiel:

Ja, denn sie bindet uns aneinander, hilft dabei, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Wenn Sexualität erlahmt, ist es in 90 Prozent aller Fälle ein klarer Hinweis darauf, dass die Beziehung zu Ende geht. Wer sie vernachlässigt, weil der Beruf oder die Verabredungen mit Freunden wichtiger sind, der wird erleben, dass sich das auf die Partnerschaft negativ auswirkt.

Was macht eine gute Beziehung sonst noch aus?

Thiel:

Ähnlichkeiten.

Aber es heißt doch immer: Gegensätze ziehen sich an.

Thiel:

Das stimmt. Aber erfahrungsgemäß bringen genau die Punkte, in denen der Partner anders ist als man selbst, früher oder später große Konflikte hervor. Grundsätzliche charakterliche Gegensätze führen mit ziemlicher Sicherheit zu heftigen Auseinandersetzungen.

Geht es in der Paartherapie also darum, Menschen in einer Beziehung auf einen Nenner zu bringen?

Thiel:

Nein, es geht darum, gegenseitiges Verständnis füreinander aufzubringen. Unsere Kernarbeit besteht darin, den Frauen und Männern begreiflich zu machen, warum der andere was tut. Die meisten Menschen gehen davon aus: 'So wie ich bin, ist es normal'. Und wenn jemand anders ist, dann hat er ein Problem.

Und wie finden Männer und Frauen die richtige Antwort auf die Frage gehen oder bleiben?

Thiel:

Lassen Sie sich nicht von Freunden oder Familienmitgliedern reinreden. In der Regel hilft auch kein Grübeln, sondern nur Input von außen und viel Geduld. Kaufen Sie sich ein Buch. Oder gehen Sie zur Beratung. Oder schlafen sie am besten einfach noch mal drüber. Eines Tages wachen Sie auf und wissen, was zu tun ist.

Vielen Dank für das Gespräch!