Änderungswünsche zum geplanten Verlauf der 380.000-Volt-Freileitung kommen von Obstbauern, Bürgern und Umweltaktivisten.

Agathenburg/Hollern-Twielenfleth. Im Zusammenhang mit dem Planfeststellungsverfahren für die neue 380.000-Volt-Stromtrasse vom Umspannwerk Dollern bis zum geplanten Kohlekraftwerk bei Wöhrden in der Gemeinde Hollern-Twielenfleth haben sich Kritiker, Befürworter und Stromnetzbetreiber zu einem Erörterungstermin im Stader Rathaus getroffen.

Noch immer gibt es kontroverse Debatten über die geplante Höchstspannungstrasse, die von 2015 an die am Stader Elbbereich geplanten Großkraftwerke von Dow und E.on über das Umspannwerk Dollern mit dem europäischen Stromnetz verbinden könnte.

Massiver Widerstand regt sich im Alten Land und in Agathenburg, wo die Trasse über ein Wohngebiet führen würde. Die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr und der Stromnetzbetreiber Tennet werden, seit die Pläne im vergangenen Jahr vorgestellt wurden, als Planfeststellungsbehörde und als bauausführendes Netzbetreiber-Unternehmen mit den Argumenten der Kritiker konfrontiert.

Die von der Tennet-Tochter Tennet TSO, ehemals Transpower, seit Jahren geplante, etwa zwölf Kilometer lange Höchstspannungstrasse zwischen Wöhrden und dem Umspannwerk Dollern soll die vorhandene 220.000-Volt-Leitung für in Zukunft benötigte Energiemengen aufrüsten, insbesondere, wenn das geplante Kohlekraftwerk in Wöhrden tatsächlich gebaut würde.

Seit Februar 2011 zieht der Gemeinderat Hollern-Twielenfleth mit seinem Protest an einem Strang. Mit einem einstimmigen Ratsbeschluss lehnten die Mitglieder aller Fraktionen den vorgelegten Entwurf des Bayreuther Netzbetreiberunternehmens Tennet ab. Stattdessen soll die neue Trasse, wenn sie denn gebaut wird, an der Peripherie des Gemeindegebietes verlaufen. Bei diesem Alternativvorschlag blieben die Gemeindevertreter gegenüber der Genehmigungsbehörde auch nach dem Erörterungstermin in Stade.

"Demnach soll die Trasse am Rande des Gemeindegebietes, entlang der Ostumgehung, der Landesstraße 111 und der geplanten Fortführung der Autobahn 26 Richtung Drochtersen verlaufen", sagt Kai Schulz, Gemeindedirektor von Hollern-Twielenfleth. "Wir haben angeregt, dass der Stromtrassenverlauf nicht als Einzelprojekt gebaut wird, sondern in das Gesamtkonzept für die A 26 integriert wird."

Nach dem Ratsbeschluss von 2011 wurde gemeinsam mit Rolf Riggers, Bauamtsleiter der Samtgemeinde Lühe, eine Version ausgearbeitet, die geringer in das Landschaftsbild eingreift und das "Schutzgut Mensch" gebührend berücksichtigt.

Denn in den von Tennet vorgelegten Bauplänen sehen Obstbauern und Geschäftsleute im Hollerner Gewerbe-Gebiet Speersort erhebliche Nachteile, wenn die geplanten, etwa 60 Meter hohen Freileitungsmasten samt Kabeltrassen dort gebaut werden. Eine ursprüngliche Erwägung, die Stromtrasse als teures Erdkabel verlaufen zu lassen, ist nach einer Gesetzesänderung kein Thema mehr. Das Gesetz entlastet den Stromnetzbetreiber davon, zwei Drittel der Höchstspannungstrasse von Wöhrden bis zum Umspannwerk Dollern unter der Erde verlegen zu müssen. Die ursprünglich dafür auf 40 Millionen Euro geschätzten Kosten, die am Ende auf alle Netzkunden umgelegt worden wären, dürften sich somit auf etwa die Hälfte verringert haben.

Dennoch sind Bürger und Umweltverbände gegen eine neue Stromtrasse. Die Kraftwerksanschlussleitung würde allein dem Netzanschluss des geplanten E.on-Kohlekraftwerks dienen, so Silke Hemke von der BUND-Kreisgruppe Stade. Jedoch seien Kohlekraftwerke CO2-Schleudern, die den Klimawandel verschärften und die Energiewende behinderten, so Adolf Meyer von der Bürgerinitiative Stade-Altes Land "pro erneuerbare Energien - kontra Kohlekraftwerke", die einen Kraftwerksbau ohnehin ablehnt.

Der Kreisbauernverband Stade setzt im Interesse der betroffenen Obstbauern zwingend auf eine grundsätzliche Umplanung des jetzigen Vorhabens. Die geplante Hochspannungsleitung berühre mehrere Obstbau-Vollerwerbsbetriebe, deren Obstbauflächen und Hofstellen mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden unmittelbar an der geplanten Trasse entlang des Schöpfwerkskanals liegen, so Bernd Eckhoff vom Landvolk Niedersachsen, Kreisbauernverband Stade.

Die Obstbauern sehen bereits mögliche Anpassungen oder Erweiterungen von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden auf den Höfen nachhaltig infrage gestellt, wenn die 380 000-Volt-Trasse gebaut wird.

Denn einzuhaltende Grenzwerte und Mindestabstände würden bei dem besonderen Zuschnitt der hofnahen Flächen, die schmal und lang gezogen parallel zum Schöpfwerkskanal verlaufen, zwangsläufig zusätzliche Konflikte auslösen.

Einen weiteren Nachteil befürchten die Landwirte, was die Erreichbarkeit der Höfe mit Lastwagen angeht, so Eckhoff. "Obsttransporte aus den betrieblichen Lagereinrichtungen werden heute durchweg mit Lkw-Sattelzügen befördert."

Auch Roger Courtault, als Bauamtsleiter der Samtgemeinde Horneburg zuständig für Agathenburg, sieht die Trassenpläne kritisch und plädiert für Änderungen: "Keinesfalls solle die Trasse über das Wohngebiet Hanfberg geführt werden. Hier wünschen wir uns einen anderen Verlauf, auch wenn sie teurer wird." Tatsächlich könnten Mehrkosten von etwa einer Million Euro entstehen, wenn die Trasse am Wohngebiet vorbeigeführt würde, weil derzeit bereits Masten und 220 000-Volt-Freileitungen über den Hanfberg führen. "Wenn diese durch 60 Meter hohe Masten ersetzt würden, die dann zusätzlich die Höchstspannungsleitung führten, wäre das für die Anwohner ein Problem", sagt Courtault. Tennet, die Gemeinde Agathenburg und die Planfeststellungsbehörde sollten hier eine andere Trassenführung, die durchaus mögliche sei, prüfen, so der Bauamtschef.

"All diese Aspekte werden nun in weiteren Planungsphasen geprüft", sagt Markus Lieberknecht, Projektsprecher der Tennet. Zum jetzigen Zeitpunkt könne jedoch noch keine konkrete Aussage zur endgültigen Trassenführung gemacht werden, da es noch keine Zahlen über eventuelle Mehrkosten gebe. Lieberknecht: "Wir nehmen die Argumente der Obstbauern und betroffenen Bürger ernst. Wo es machbar ist, werden wir die Maststandorte auch ändern. Letztendlich liegt die Entscheidung bei der Planfeststellungsbehörde."