Die Bastler vom “Modellbauclub Harburg von 1964“ bauen alle ihre Schiffe nach Originalplänen. Praktischerweise passen sie in jeden Keller.

Für diese Männer sind kleine Sachen das Größte. Wenn sie sich ihren Hafenschlepper oder die Segelyacht unter den Arm klemmen und auf dem See ferngesteuert fahren lassen können, dann erfreuen sie sich an ihrem Hobby wie schon zu Kindertagen. Allerdings liegt die Zeit ihrer Kindheit und Jugend, in der sie ihre Leidenschaft für den Modellbau entwickelten, zumeist schon ein paar Jahrzehnte zurück. MBC heißt ihr Verein oder voll und ganz "Modellbauclub Harburg von 1964".

Zwölf Aktive zählt die Gemeinschaft nur noch. In der Anfangszeit waren es mal mehr als 50. Sogar eine eigene Jugendabteilung mit acht jungen Modellbauern unter 20 Jahre existierte damals. "Die Zeiten sind vorbei", sagt MBC-Vorsitzender Klaus Zigahn, 60, "heute muss alles schnell gehen und möglichst fertig zu kaufen sein. Wir bauen hingegen jedes Teil selbst, aus Holz, Kunststoff und Metall. Wir nennen uns auch Die Naturgetreuen, weil wir unsere Schiffe zumeist nach Original-Werftplänen im kleinen Maßstab nachbauen." Trotz fehlenden Nachwuchses und altersbedingt schrumpfender Mitgliederzahl geben die Freunde der kleinen Baukünste ihre Hoffnung nicht auf, dass sich noch jüngere Gleichgesinnte bei ihnen melden. Ansprechpartner wären Klaus Zigahn, Telefon 77 83 88, oder Dieter Hoffmeister, Telefon 796 76 12.

Am 2. und 3. Juni sind die Freunde des Modellbaus beim Harburger Binnenhafenfest anzutreffen, wo sie in einem selbst angelegten Wasserbecken ihre Schiffsmodelle fahren lassen wollen. Bis dahin gibt es allerdings noch einiges zu tun. Manfred Wichern, 69, Elektromeister aus Neuwiedenthal, der seit 1980 dem Verein angehört, sagt, wonach es seiner Meinung nach beim Modellbau ankommt: "Man benötigt Ausdauer, Leidenschaft und Disziplin. Außerdem Zeit, Geld, Geduld und eine verständnisvolle Frau. Auch ist ein Raum vonnöten, in dem man seine Arbeit einfach stehen lassen kann, wenn sich die Lust am Tüfteln dem Nullpunkt nähert."

Wichern ist schon im Alter von zwölf Jahren zum Modellbau gekommen. Damals hatte er sein erstes Segelflugzeug gebaut und in der Fischbeker Heide fliegen lassen. Ohne Fernsteuerung. Nach der Bruchlandung des Vogels gab es für ihn wieder reichlich zu tun. Nach einigen weiteren Flugabenteuern kaufte er sich beim Modellbaugeschäft Andersen am Harburger Rathaus sein erstes Segelbootmodell. Danach folgte der Bau erster Motorboote nach Werftbauplänen. "Wir hatten damals nur wenig Geld", sagt Wichern, "die Anfänge waren sehr bescheiden."

Klaus Zigahn, der Vereinsvorsitzende, hat als Naturgetreuer bereits so viele Modellschiffe vom Stapel gelassen, dass er ihre Zahl kaum noch schätzen kann. Eines seiner liebsten Modelle ist der Hafenschlepper "Hannes F.", der um 1915 in Harburg für Dierke und Consorten im Einsatz war. Aus dem Schornstein des Schleppers steigt Qualm auf, die Maschine macht Geräusche und an Bord ist ein Schweißer bei der Arbeit. Blaues Licht flammt auf. Und wie es sich für ein naturgetreu nachgebautes Schiff gehört, sind auch die Verschleißspuren am Schiff zu erkennen, wie etwa Schmutz auf dem Farbanstrich oder Rost am Ankerkasten. Derzeit baut Zigahn für seinen Enkelsohn, 7, und die Enkeltochter, 5, sogenannte Schlumpfboote aus holländischen Holzschuhen.

"Es bereitet mir eine Riesenfreude, für die Kinder etwas zu bauen", sagt Zigahn. Und seine Frau Marlies ist inzwischen auch eine begeisterte Mini-Wassersportlerin. Die von ihrem Mann gebaute Segelyacht steuert sie per Funk mit großem Vergnügen über den Teich. Zigahn verfügt über eine gut ausgerüstete Modellbau-Werkstatt, besitzt unter anderem eine kleine Drehbank.

Die älteren Modellbauer wie der 69 Jahre alte Werner Sievers aus Hittfeld, haben als Kinder mit dem "Wilhelmshavener Modellbaubogen" ersten Kontakt zur Materie bekommen und Schiffsmodelle aus Pappe zusammengeklebt. Seit 1974 gehört der Kälteanlagen-Monteur dem Club an und hat inzwischen schon mehr als 20 Schiffsmodelle aus Holz gebaut. Eines der historischen Schiffe ziert nun das Wohnzimmer seines Sohnes in Lissabon.

Jan Meier hat mit 80 Jahren nicht nur die meiste Lebenserfahrung gesammelt sondern auch beruflich als gelernter Tischler und später als Schiffbaukonstrukteur auf der Deutschen Werft in Finkenwerder seine Arbeit mit dem Hobby kombiniert. "Schiffbau ist für mich eine echte Leidenschaft", sagt er, "ich habe viele Stand- und Funktionsmodelle gebaut, einige davon sogar aus dem vollen Holz geschnitzt." Dieter Hofmeister, 72, Elektriker aus Neuwiedenthal gehört dem Club schon seit der Gründungsphase an. Er hat unter anderem das Hadag-Fährschiff "Altenwerder" nach Originalplänen nachgebaut. Das Modell ziert inzwischen die Räume der Hadag. Zur jungen Garde im Club zählen Heiko Warner, 43, aus Vahrendorf, Technischer Leiter beim Wildpark Schwarze Berge, sowie Andreas Sgaga, 49, Maschinenschlosser aus Neugraben.

Warner ist verheiratet, hat zwei Söhne im Alter von sechs und acht Jahren und freut sich über die Winterzeit, weil er dann mehr Zeit für sein Hobby hat als im Sommer. Sieben voll funktionstüchtige Marineschiffe, Yachten und Vollkreuzer hat er bereits gebaut. Und seine beiden Söhne fahren bereits ferngesteuerte Autos. Andreas Sgaga ist ebenfalls verheiratet und hat zwei Söhne, drei und sieben Jahre alt. "Sie schauen zu, wenn ich mit Holz und Leim hantiere", sagt er. Selbst sei er mit elf Jahren zum Modellbau gekommen, mit einem Revell-Modellbaukasten. Aber Modelle, die jeder haben kann, haben für ein Mitglied der Naturgetreuen nun mal nicht den Reiz. Es muss schon etwas Besonderes sein.

Und dazu gehören die verwendeten Materialien. Da wird zum Beispiel aus einem Zwirnsfaden ein Seil, aus einem Stecknadelkopf eine Niete oder aus einen Druckknopf die Felge für ein Autorad. Und wenn Klaus Zigahn einen alten Kugelschreiber zerlegt, dann wandern nicht zuletzt Druckfeder und Mine in den Vorratskasten für Baumaterialien. Zigahn: "Bei unseren wöchentlichen Treffen tauschen wir uns aus, geben uns Tipps, und jede Menge Hilfe ist garantiert." Die Mitglieder haben seit 13 Jahren Clubräume im Keller eines Hochhauses am Rehrstieg in Neuwiedenthal. Der Jahresbeitrag für den Club beträgt 100 Euro.