Die Landwirte wollen die Brühe so früh wie möglich auf die Äcker bringen. Doch nicht alle halten sich dabei an die geltenden Vorschriften.

Stade/Buxtehude. Morgens gegen 8 Uhr, bei Heinbockel in der Samtgemeinde Oldendorf. Nach Nachtfrost um fünf Grad Minus, sind an diesem nebligen Tag Rasenflächen, Weiden und Äcker gefroren. In Senken sind ganze Eisflächen sichtbar und im Rundfunk wird vor Straßenglätte gewarnt. Von einem Güllespeicher beim Sportplatz fährt ein Traktor mit Tankanhänger zu einer Ackerfläche am "Kötnerende".

Das Areal gehört zum Trinkwasserschutzgebiet des Trinkwasserverbandes Stader Land, das zwischen Heinbockel Düdenbüttel und Weißenmoor ausgeschildert ist. "Engere Schutzzone" und "Verunreinigung verboten" steht auf dem Schild des Wasserwerkes Heinbockel. Wenige Meter vom Schild entfernt verteilt der Gülleanhänger seine Fracht auf kleinen Roggenpflanzen. Der Boden ist so hart, dass das schwere Gespann nicht einsinkt. Die ersten Landwirte haben Anfang Februar begonnen, ihre Gülle auf den Feldern zu verteilen. Und viele Anwohner beschweren sich bei der Landwirtschaftskammer.

Grundsätzlich dürfen Gülle und andere Düngemittel auf gefrorenen Böden nicht verteilt werden. Gesetzlich geregelt wird das im Paragraf 3 der bundesweit gültigen Düngeverordnung, so Jelko Djuren, Fachmann für Düngerecht bei der Hauptverwaltung der Niedersächsischen Landwirtschaftskammer in Oldenburg.

Vom 1. November bis 31. Januar dürfen Gülle, Gärreste und ähnliche Dünger nicht auf Äcker gebracht werden, unabhängig davon, wie das Wetter ist. Auch wenn diese generelle Sperrfrist vorüber sei, gebe es keinen automatischen Freifahrtschein für Gülle-Touren.

"Das Aufbringen von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln mit wesentlichen Nährstoffgehalten an Stickstoff oder Phosphat darf nicht erfolgen, wenn der Boden überschwemmt, wassergesättigt, gefroren oder durchgängig höher als fünf Zentimeter mit Schnee bedeckt ist", zitiert Djuren aus dem Gesetzestext. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass Gülle in Gewässer gelangt und das Trinkwasser verunreinigt.

Doch nicht alle Landwirte halten sich an das Verbot. "Was in der ersten Februarwoche ausgefahren wurde, war ausnahmslos ordnungswidrig", sagt Djuren. Sein Kollege Reno Furmanek von der Landwirtschaftskammer sagt, dass nachgewiesene Verstöße mit einer Verwarnung oder mit einem Bußgeld bis zu 15 000 Euro geahndet werden können. "Werden die Umweltvorschriften nicht eingehalten, drohen den Landwirten außerdem ein dreiprozentiger Abzug bei der Prämie der Europäischen Union."

Doch gerade in der momentanen Übergangszeit sei es mit der Beurteilung ordnungswidriger Düngung nicht einfach. Djuren erklärt, warum: "Kann der Bauer davon ausgehen, dass die ersten zwei Zentimeter der Ackeroberfläche im Laufe des Tages noch antauen werden, ist Gülledüngung erlaubt." In den vergangenen Tagen gab es genau diese Situation im nördlichen Niedersachsen.

Landwirt Michael Behrens aus Heinbockel hat die Wetterlage genutzt, um seine Roggensaat mit Gülle zu düngen. "Für uns war das Wetter ideal, weil die schweren Güllegespanne nicht im Boden einsinken", sagt Behrens. Er könne auch verstehen, dass sich die Leute aufregen. "Weil einige schon gefahren sind, als noch Dauerfrost herrschte, sind die Beschwerden erklärlich." Behrens räumt ein, man hätte noch zehn Tage warten können. Aber er sei sicher, dass der oberflächlich angetaute Boden die Nährstoffe gut aufnehmen könne.

Fred Carl, Geschäftsführer des Trinkwasserverbandes Stader Land, sieht das Güllen zum aktuellen Zeitpunkt im Trinkwasserschutzgebiet dennoch kritisch. "Als Wasserversorger finden wir das nicht gut, auch wenn es in der betreffenden Schutzzone III A jetzt tatsächlich erlaubt ist." Nur wenige Schritte entfernt ist die Schutzzone II, in der sich die Trinkwasserbrunnen des Wasserversorgers befinden.

Georg Ramm, Stades Kreisnaturschutzbeauftragter, ist selbst Landwirt und kennt die Zwangslage der Bauern. "Es ist eine vertrackte Situation, die Ställe sind aus wirtschaftlichen Gründen randvoll mit Vieh bestückt und die Gülletanks nach der Frostperiode zum Überlaufen voll." Der Bauer habe auch eine Mitverantwortung für Umwelt- und Gewässerschutz. Aber niedrige Vieh- und Milchpreise zwingen viele Landwirte, alle Kapazitäten zu nutzen, so Ramm. Hinzu komme die Mentalität der Bauern, alles bis auf den kleinsten Randstreifen zu nutzen. Da sei noch zu wenig Toleranz gegenüber der Natur.

Das weiß auch Rainer von Brook, Vorsitzender des Naturschutzbund Deutschland (Nabu) im Kreisverband Stade. Auch im Kreis Stade seien viele Landwirte in Sachen Düngung undiszipliniert, so seine Erfahrung. "Weil kaum jemand bereit wäre, zwei Euro für einen Liter Milch zu zahlen, haben sie wohl keine andere Wahl. Es gibt zu wenig Weidehaltung, weil sich das nicht lohnt. So sind die Laufställe extrem voll." Die Tiere müssten zweimal täglich von der Weide in den Stall zum Melken geholt werden, zu diesem Aufwand seien nur wenig Landwirte bereit, so von Brook.

Zudem gebe es in der intensiven Landwirtschaft kaum noch Grünland. Immer mehr Maisflächen benötigen Gülle. "Es ist heute so, dass die Bauern nicht mehr die Gülle aufs Feld fahren, um den Boden zu verbessern, sondern weil sie die Unmengen loswerden müssen, was für die Natur schon lange nicht mehr gesund ist", sagt von Brook.

Grundsätzlich müsse jeder Landwirt Gülletank-Kapazitäten für ein halbes Jahr nachweisen, so Djuren. Drohe die stinkende Brühe über den Tankrand zu schwappen oder stehen die Tiere darin, weil sie nicht mehr aus dem Stall geleitet werden kann, könnten im Rahmen der Gefahrenabwehr Ausnahmen vom Ausbringungsverbot bei Frost genehmigt werden.

"In der momentan kritischen Phase versuchen die Bauern nun den günstigsten Moment abzupassen", sagt Georg Ramm. "Denn wenn das Tauwetter richtig eingesetzt hat und die Böden von der Nässe aufgeweicht sind, lassen sich die Äcker auch nicht mehr mit den Güllegespannen befahren."