Vor allem Oberstufler lernen beim Studienkreis Stade. Druck wird durch Abitur nach zwölf Jahren größer. Schon Grundschüler üben gemeinsam.

Stade. Phil Burmester brütet über seine Mathematikaufgaben. Es sind typische Textaufgaben. Sie handeln von Päckchen, die gepackt und von Kindern, die zur Schule gebracht werden müssen. Der neunjährige Junge aus Hollern-Twielenfleth muss errechnen, ob alle Geschenke ins Paket und alle Kinder ins Auto dürfen. Bevor er addiert, subtrahiert und Differenzen ermittelt, muss er erst einmal verstehen, worum es geht. "Daran hapert es", sagt seine Mutter Dörte Burmester. "Rechnen kann er sehr gut, aber viele Textaufgaben versteht er nicht." Damit sich das ändert, fährt ihn die 42-jährige Einzelhandelskauffrau nach der Schule zum Nachhilfeunterricht beim Studienkreis Stade. Phil gehört nicht zu den Schülern, die schlechte Noten nach Hause bringen. Der Grundschüler ist auch weit davon entfernt, sitzen zu bleiben. Im Gegenteil. Im Fach Mathematik steht eine drei im Zwischenzeugnis. "Er ist kein schlechter Schüler", sagt seine Mutter. "Aber ich möchte ihn jetzt unterstützen, bevor die Probleme zu groß werden. Man kann nicht früh genug damit anfangen."

Phil Burmester ist kein Einzelfall. "Die Zahl der Schüler, die schon in jungen Jahren Nachhilfe in Anspruch nehmen ist gestiegen", sagt Andrea Heiliger, Pressesprecherin des Bundesverbandes für Nachhilfe- und Nachmittagsschulen (VNN). Bei einer Umfrage im vergangenen Jahr hat der VNN bei seinen 2400 Mitgliedern ermittelt, dass 13 Prozent der Nachhilfeschüler die Grundschule besuchen. Auch jetzt, zwei Wochen nachdem die Zwischenzeugnisse verteilt wurden, werden wieder einige Grundschüler unter dem neuen Schwung an Anmeldungen bei den Nachhilfeinstituten sein. "Heute soll jedes Kind seinen Abschluss am Gymnasium machen", sagt Heiliger. "Der Druck der Eltern ist immens."

An das Gymnasium oder an eine andere weiterführende Schule denkt Dörte Burmester allerdings noch nicht. Sie möchte vielmehr schon jetzt handeln, bevor die Probleme zu groß werden, und sie möchte ihren Sohn nicht mehr leiden sehen. Wann immer die Note Vier unter einer Klassenarbeit stand, stimmte es ihn todtraurig. "Er hat es sich immer sehr zu Herzen genommen", sagt sie. Zunächst versuchte sie es selbst, ihrem Sohn Hilfestellung zu geben. Doch am Ende gab es immer Streit. "Manchmal ist es besser, wenn Fremde das übernehmen und nicht die Mutter oder der Vater", sagt sie.

Das bestätigt auch Ingrid Tiedemann, Leiterin vom Nachhilfeinstitut Studienkreis Stade. "Wenn Probleme an der Schule ausgelagert werden können, ist es später zu Hause entspannter", sagt die 61-jährige. "Oft sind die Eltern außerdem berufstätig und haben keine Zeit, die Hausaufgaben zu kontrollieren oder mit den Kindern zu üben." So wie sich der Alltag der Eltern geändert hat, kommen heute auch andere Schüler zu den Nachhilfeinstituten.

Vor Jahrzehnten waren es noch solche, denen die Angst vor dem Sitzen bleiben im Nacken saß. Doch das ist schon lange nicht mehr so. Die meisten Schüler, etwa 70 Prozent von insgesamt 145 Schülern beim Studienkreis Stade besuchen die Oberstufe. Dafür macht die Leiterin des Stader Nachhilfeinstituts das Abitur nach zwölf Jahren verantwortlich. "Wir haben auch ehrgeizige Schüler", sagt Ingrid Tiedemann. Es gibt Oberschüler, die schreiben 14 Punkte in ihren Leistungsfächern und kommen hierher, weil sie die Punktzahl halten wollen."

Nachhilfe zu nehmen, ist normal geworden. Nach einer Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung in 2010 erhalten in Deutschland 1,1 Millionen Schüler private Lernhilfe. Das heißt: Jeder vierte Schüler nimmt regelmäßig bezahlten Nachhilfeunterricht in Anspruch. Dafür geben Eltern jährlich bis zu 1,5 Milliarden Euro aus. Am höchsten sind die durchschnittlichen Ausgaben in Hamburg mit 131 Euro. In Niedersachsen investieren die Eltern pro Schüler und Jahr durchschnittlich 98 Euro. Beim Studienkreis Stade kosten 45 Minuten Einzelunterricht 28 Euro. Für die Nachhilfe in einer Gruppe zahlen die Eltern 8,40 Euro pro Unterrichtsstunde. Dörte Burmester hat für ihren Sohn Phil bereits ein Paket für zehn Monate gebucht.

Seit Januar verbringt der Junge jede Woche 90 Minuten bei der Honorarlehrkraft Maria Weber und übt mathematische Textaufgaben rauf und runter. Heute nehmen drei weitere Schüler am Nachhilfeunterricht teil. Jeder hat seine eigenen Schwächen. Die neunjährige Ekraam Said, und der elfjährige Mehmet Akinci aus Stade feilen an ihrer Rechtschreibung und Aussprache. Die elfjährige Laura Scherer aus Stade übt die deutsche Grammatik. Jeder Schüler bekommt sein eigenes Aufgabenblatt. Während Phil auf seinem Arbeitsblatt Schokolade und Stift einer Gewichtszahl zuordnet, erklärt Maria Weber Ekraam Said, dass Winter nicht mit ie geschrieben wird und breitet Laura darauf vor, ihr einen Text vorzulesen.

Sobald einer der Schüler "ich bin fertig" ruft, zückt Maria Weber ihre Mappe und holt ein neues Aufgabenblatt hervor.

Anfangs war Phil noch still und zurückgezogen. Inzwischen kommt er im Nachhilfeunterricht mehr aus sich heraus und tritt in der Nachhilfegruppe selbstbewusst auf. Als Maria Weber mit den Schülern am Ende der Unterrichtsstunde das Einmaleins übt, ist er einer der ersten, der das Ergebnis in den Raum ruft und haut auch mal auf den Tisch, wenn Mehmet Akinci wieder schneller war. "Es beflügelt ihn regelrecht, wenn er hierher geht", sagt seine Mutter. "So ein kleiner Kick reicht schon, und dann geht es in der Schule auch besser."

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