Oskar Kokoschkas “Capriccio“ ist eine Ausstellung von bislang wenig bekannter Werke des Malers im Kunsthaus Stade – noch bis Ende Mai.

Stade. Meist mehrere Zeichenstifte im Mund, um sehr schnell die Einzigartigkeit eines Moments auf den Skizzenblock zu bannen, so ist der Maler Oskar Kokoschka seinen Zeitgenossen in Erinnerung. Unter dem Titel "Capriccio - Faszination des Augenblicks" sind von Montag an 153 Werke des außergewöhnlichen Expressionisten, der von 1886 bis 1980 lebte, im Stader Kunsthaus, Wasser West 7, zu sehen.

Mit dieser hochkarätigen Kokoschka-Werkschau reiht das Stader Kunsthaus ein weiteres Juwel in die Kette seiner Ausstellungen. Zu ihnen gehörten unter anderem Exponate von Pablo Picasso, Horst Janssen, George Braque, August Macke und der "Dialog mit der Moderne", in dem das Ehepaar Erika und Arnd Siegel Bilder von Chagall, Kirchner, Munch, Nolde, Picasso und anderer Künstler aus ihrer Sammlung zeigten.

Zu der neuen Ausstellung, die bis zum 28. Mai in Stade bleibt, hat der Hamburger Kurator Professor Heinz Spielmann, der als Freund in engem Kontakt zu Kokoschka stand, maßgeblich als Leihgeber der einzigartigen Werke beigetragen. Dazu kommen Exponate von Leihgebern aus europäischen Kunst-Metropolen wie Wien, Zürich, London oder Hamburg.

"Mit der Auswahl spontaner Arbeiten des Künstlers, Zeichnungen, Skizzen und momenthaften Gemälden würdigt das Kunsthaus Stade einen bislang wenig beachteten Teil der Werke Kokoschkas", sagt Sebastian Möllers, Direktor der Stader Museen. Das "Capriccio" sei ein Werkabschnitt Kokoschkas, der noch weitgehend unbekannt sei. Jetzt werde er zum ersten Mal im Kunsthaus Stade gezeigt und offenbare eine weitere faszinierende Seite des in Österreich geborenen Künstlers.

"Capriccio bezeichnet die eigensinnigen, launigen Einfälle in der Kunst", sagt Spielmann. Kokoschka selbst habe den Begriff als treffend für einen ganz besonderen Teil seiner Arbeiten, die umfassend in Stade vorgestellt werden, bezeichnet, so der Kunsthistoriker Spielmann, der als Leiter der Modernen Abteilung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe tätig war.

Die Gliederung der Ausstellung ist thematisch aufgebaut. So sind Selbstportraits als "Blicke in den Spiegel", "Deutungen von Leben und Liebe", "Die Macht der Musik", "Reiseerlebnisse" oder "Tod und Leben" einige Schwerpunkte Kokoschkas Schaffens auf den drei Etagen des Kunsthauses zu sehen. Dazu kommen Kinder, Akte, Tiere, der Zirkus sowie Blumen auf 57 Zeichnungen, 92 Druckgrafiken, drei Gemälden sowie einem Bronzerelief aus der gesamten Schaffensperiode des berühmten Künstlers. Der österreichische Maler, Grafiker und Dichter habe von sich gesagt, "Ich bin Reaktionär, ich reagiere immer", so Professor Spielmann zur Entstehung vieler Skizzen aus dem Affekt.

Eine große Freude sei es dem Künstler stets gewesen, im Zirkus zu zeichnen, so Spielmann. "Kein Motiv forderte von Kokoschka ein so schnelles Sehen, Reagieren und Zeichnen, wie die Kunststücke im Zirkus, die er wie ein Kind liebte und verfolgte, vor allem mit einem ausgeprägten Sinn für Komik und Humor", sagt Spielmann. "Diese freien, spielerischen Arbeiten Kokoschkas zeugen von seinem Wunsch nach einer Kunst ohne Zwänge, von seiner Sehnsucht nach einem Miteinander, einer Vereinigung von Leben und Kunst."

Ein großes Thema war für Kokoschka seine unerfüllte Liebe zu Alma Mahler (1879 bis 1964). Die Witwe des Komponisten Gustav Mahler galt als eine der schönsten Frauen Wiens und Kokoschka verliebte sich auf den ersten Blick bei ihrer ersten Begegnung 1912. Die zwischen ihnen lodernde "Amour fou", inspirierte Kokoschka bis zum Ende der Liaison 1915 zu rund 450 Zeichnungen und Gemälden, die seine Leidenschaft zu der Frau widerspiegeln, die später den Architekten Walter Gropius heiratete.

"Der verschmähte Liebhaber" ist eines der drei in Stade ausgestellten Ölgemälde. Kokoschka schuf es kurz vor einer Ausstellung in Zürich anlässlich seines 80. Geburtstages 1966. Es galt fünf Jahrzehnte nach dem Ende seiner Liebesbeziehung zu Alma Mahler als seine letzte Aussage dazu.

Mit Oskar Kokoschka brach die Wiener Kunst um 1900 in die Moderne auf. Mit seinen Porträts, Städtebildern und Stillleben schuf er eine Hommage an die Kraft und Dynamik des Lebens. Details in Bewegungen, Reiseeindrücke sowie Emotionen und Mystisches verewigte Kokoschka in seinen Skizzen mit seinem unbestechlichem Blick auf das Wesentliche.

Die im Kunsthaus Stade ausgestellten Werke entstammen dem Zeitraum von 1906 (Postkarten für die "Wiener Werkstätte") bis 1978 (Lithografie einer Orchidee). Zwischen diesen Jahren liegen zahlreiche Reisen, die Beziehung zu Alma Mahler, eine Professur in Dresden und während der Naziherrschaft das Exil in Großbritannien. Die Nationalsozialisten diffamierten Kokoschka als "entartet" und beschlagnahmten seine Werke aus deutschen Museen. 1934 ging er von Wien nach Prag, 1938 emigrierte er mit Olda Palkovska, die er später heiratete, nach England. 1953 siedelte das Paar in die Schweiz über, wo Kokoschka die "Schule des Sehens" gründete.

Begleitend zur Ausstellung gibt es einen 128-seitiger Katalog im Kunsthaus Stade für 21 Euro und Informationen unter www.museen-stade.de . Besucher der Ausstellung (Eintritt: fünf Euro) können die Kooperation der Stadt mit ihren Kulturpartnern nutzen. Dazu gehören Kombitickes für die Ausstellung und Anreise mit dem Metronom sowie Angebote in Stader Lokalen. Öffentliche Führungen durch die Ausstellung gibt es jeden Mittwoch um17.30 Uhr und Sonntag um 15 Uhr.