Die 48 Mitglieder des Sinfonie-Blasorchester Lüneburg haben Wiener Klassik, Opernmelodien, Musicals und Filmmusik im Repertoire.

Wer an Blasmusik denkt, der verbindet damit im Allgemeinen Volkstümlichkeit, Marsch, Polka und Walzer - weniger Opern, Sinfonien, Filmmusik oder Musicals. Die Literatur für große Blasorchester umfasst allerdings auch diese eher in Süddeutschland verbreitete Stilrichtung, der sich in dieser Region das Sinfonische Blasorchester Lüneburg (SBL) verschrieben hat. Darüber hinaus bietet das Ensemble einige Besonderheiten in seiner noch jungen Geschichte. Dazu gehört seit neuestem der Einbau von Gesangsstücken in das musikalische Programm. Die Solo-Sängerin, Linda Bichlmeier, ist gerade einmal 13 Jahre alt.

Der Name sagt es schon: Das Sinfonische Blasorchester kommt, mit Ausnahme eines Kontrabasses, ohne Streichinstrumente aus. Stattdessen sind alle Bläsergruppen und das Schlagwerk verstärkt vertreten. Die Klarinetten übernehmen den virtuosen Part der Violinen. Zusätzlich ist ein kompletter Saxofon-Satz integriert, Oboe, English Horn, Bassklarinette, Fagott und Euphonium kommen ebenfalls zum Einsatz. Das Repertoire des SBL mit Dirigent Stefan Pleß umfasst neben originalgetreu gespielten Stücken aus Musicals wie "Tanz der Vampire" und "Phantom der Oper" sowie Melodien aus Filmen wie "Zurück in die Zukunft", "Hook", "James Bond", "Batman" und "Fluch der Karibik" auch Bearbeitungen klassischer Werke (Mozarts "Die Zauberflöte") und populärer Blasmusik ("Appalachian Overture").

Die Zahl der Musiker ist seit dem Start 2007 von anfänglich 28 auf jetzt 48 angestiegen. "Mit dieser tollen Entwicklung hatten wir nicht gerechnet", sagt der erste Vorsitzende Rolf Brockhöft. Er gehört gemeinsam mit Rebecca Kock, Christian Brandt und Dominik Hälker zu den Gründern des Orchesters. Trotz der Größe: Weitere Musiker werden noch gesucht. "Wir können sehr gut einen Percussionisten sowie Xylophon- und Euphonium-Spieler gebrauchen", sagt der Vorsitzende. Die Musiker proben mit großem Engagement alle fünf Wochen sonnabends von 10 bis 17 Uhr in der Musikschule in Lüneburg.

Mehr als ein Viertel der Mitglieder haben einen professionellen musikalischen Hintergrund. Jürgen Vahlke zum Beispiel war etwa 30 Jahre lang Erster Solo-Klarinettist beim nicht mehr existierenden Heeresmusikkorps 3 aus Lüneburg. Kuno Teichmann Posaunist im Stadttheater Lüneburg. "Die Mischung stimmt, das Niveau ist hoch", sagt Rolf Brockhöft. So mussten einige Interessenten nach dem Vorspielen auch schon die Instrumente wieder einpacken.

Acht Konzerte haben die Musiker bislang gegeben. Bei einem war sogar Bundespräsident Christian Wulff unter den Zuhörern. Zum "Tag des offenen Denkmals" hatte das Staatsoberhaupt im September 2010 Lüneburg besucht und sich mit seiner Familie auf dem Marktplatz ein paar Stücke angehört. "Das war schon eine große Herausforderung, denn Außenauftritte sind - vor allem wegen des Windes - immer eine schwierige Angelegenheit", sagt Brockhöft.

Beim bislang letzten Auftritt vor mehr als 200 Besuchern im ausverkauften Saal des Kurhaus in Bad Bevensen sorgten vor allem drei erstmals mit einem Gesangssolo präsentierte Stücke für Gänsehaut und Zugabe-Rufe. Die 13-jährige Linda Bichlmeier, Solosängerin bei den Hamburger Alsterspatzen, sang "Gabriellas Song" aus dem Film "Wie im Himmel" und aus dem Musical "Phantom der Oper" die bekannten Stücke "Könntest du doch wieder bei mir sein" und "Denk an mich".

Die Schülerin besucht die achte Klasse des Niels-Stensen-Gymnasiums in Harburg, sie hat bereits im Alter von drei Jahren an musikalischer Früherziehung an der Akademie Hamburg für Musik und Kultur teilgenommen. Seit 2008 singt sie im Kinderchor der Hamburger Alsterspatzen und nimmt seit zwei Jahren zusätzlich einmal wöchentlich Gesangsunterricht an der Modern Music School Hamburg. Mit dem Alsterspatzen hat sie bereits bei "ABBA - The Show" sowie in den Opern Carmen, Tosca, Hänsel und Gretel und La Boheme mitgesungen. Sie hat seit zwei Jahren Querflötenunterricht bei Rebecca Kock, der Zweiten Vorsitzenden des Sinfonischen Blasorchesters. Dadurch entstand der Kontakt zum SBL.

"Wir hoffen, dass Linda weiter mit uns auftritt, denn sie sorgt mit ihrem Gesang zusätzlich für eine Besonderheit", sagt der Erste Vorsitzende. Für das kommende Jahr hat das Orchester schon drei feststehende Konzerttermine: Beim 32. Internationalen Hansetag in Lüneburg (28. Juni bis 1. Juli), beim Amelinghausener Heideblütenfest in der neuen Lopautalhalle (18. August) sowie beim eigenen Weihnachtskonzert in Bad Bevensen (14. Dezember).

Zum Ensemble gestoßen sind auch Ole Probst, Lina Hedder, Timmo Mahlke und Stina Knobloch. Gemeinsam haben sie 2011 beim Regionalentscheid der Landkreise Lüneburg/Lüchow-Dannenberg und Harburg von "Jugend musiziert" in ihrer Altersklasse im Hornquartett gewonnen. Sie füllen jetzt nach einer erfolgreichen Schnupperprobe den "F-Waldhornsatz" von zwei auf sechs auf. "Zwei Akteure könnten wir noch gebrauchen", sagt Rolf Brockhöft.

Mitglied im Orchester sind die Jugendlichen allerdings noch nicht. "Zuerst werden sie einige Zeit die Proben besuchen, müssen dann ein Vorspiel vor dem Registerführer und dem Dirigenten bestehen und können dann, wenn sie es selbst wollen, mitspielen", sagt der Erste Vorsitzende. "So ist es für Neulinge möglich, erst einmal das Orchester kennenzulernen, ohne sich gleich festlegen zu müssen."

Ebenfalls noch nicht so lange dabei ist einer der beiden Schlagzeuger: Jerk Petersen. Er feierte im Alter von elf Jahren in Bad Bevensen seine Premiere am vierstimmigen Kesselpaukensatz, an dem er während seines Schlagzeug-Unterrichtes bei der Musikschule Lüneburg ausgebildet wird. Zwei der vier Kesselpauken, die jeweils um die 2500 Euro kosten, hat das Orchester dank einer Geldspende der Lüneburger Bürgerstiftung anschaffen können.

Die Bürgerstiftung unterstützt Aktivitäten, die dem Generationsverständnis dienen. So zum Beispiel, wenn junge Musiker gemeinsam mit älteren musizieren, lernen, und sich die Generationen dadurch besser verstehen. "Das ist bei uns sicherlich gegeben, zumal unser Altersspektrum von elf bis 74 Jahre reicht", sagt Brockhöft und ergänzt: "Wir finanzieren uns überwiegend durch Spenden, hoffen auf die Unterstützung von Musik-Liebhabern, damit wir in neue Instrumente investiert können." Mitgliedsbeiträge gibt es beim SBL nicht.

Rund ein Drittel der Musiker kommt aus Hamburg. "Dieser Umstand liegt in der Tatsache begründet, dass Hamburg trotz der Größe der Stadt kein gleichwertiges Orchester aufzubieten hat, dessen Repertoire und dessen Qualität mit unseren zu vergleichen wären", meint der Vorsitzende ganz selbstbewusst.

Vergleichbare Orchester in der Region sind seinen Worten zufolge das Sinfonische Blasorchester Norderstedt und das Sinfonische Blasorchester Wehdel bei Bremerhaven. Und so haben sich viele gute Musiker aus der Elbestadt mit dem Hang zu Filmmusiken und Musicals dem Sinfonischen Blasorchester Lüneburg angeschlossen. "Wir fühlen uns alle trotz Blasmusik im Konzertsaal und nicht auf Schützenplätzen oder in Kirmeszelten zu Hause."