Wolfgang Drusell spricht im Interview mit dem Abendblatt über eine mögliche Zukunft des leeren Hertie-Hauses in der Stader Innenstadt.

Stade. Für die Hansestadt Stade liegt ein Einzelhandelskonzept vor. Im Zentrum der künftigen Stader Geschäftswelt steht das ehemalige Hertie-Haus. Die Zukunft des Gebäudes ist ungewiss. Der Besitzer, der britische Finanzinvestor Dawnay Day, verhandelt noch immer mit potenziellen Investoren. Im Abendblatt-Interview spricht Wolfgang Drusell, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft "Stade aktuell", über seine Ideen für das Hertie-Haus, die Zukunft des Stader Einzelhandels sowie mögliche Vorbilder für Stade.

Hamburger Abendblatt:

Herr Drusell, der Stader Einzelhandel muss sich weiterentwickeln. Doch zunächst muss die Zukunft des Hertie-Hauses geklärt werden. Was sollte Ihrer Meinung nach dort passieren?

Wolfgang Drusell:

Ich habe zwei unterschiedliche Ansätze, die entscheidende Frage ist allerdings, was überhaupt realisierbar ist.

Und die wären?

Drusell:

Auf der einen Seite plädiere ich dafür, das ganze Gebäude abzureißen wenn es einen entsprechenden Investor gibt. Dann könnte man es möglicherweise zweigeschossig wiederaufbauen, je nachdem wie der Bedarf ist. Im Untergeschoss könnte ich mir vorstellen, dass ein Teil für Parkplätze genutzt werden kann. Dann könnte ich mir einen Supermarkt im gehobenen Standard vorstellen. Interessant finden würde ich auch, die Stockhausstraße zu überbauen, wenn ein Investor diese zusätzliche Fläche brauchen könnte. So würde man eine direkte Anbindung zum Parkhaus bekommen, das natürlich modernisiert werden müsste.

Was wäre ihr zweiter Ansatz?

Drusell:

Eine zweite Variante wäre das zentral gelegene Hertie-Haus mit einem Geschoss aufzustocken statt abzureißen. Für mich wäre das wünschenswert mit der Maßgabe dort ein wunderbares, schönes, städtisches Hotel zu betreiben.

Auf der Ebene in Höhe des Zeughauses sollen dann wie angestrebt Läden entstehen und ein gehobener Supermarkt in Höhe der Stockhausstraße. Ein Hotel ab dem zweiten Stockwerk, von mir aus ein Drei-Sterne-Hotel, würde zusammen mit den Geschäften die Innenstadt ganztägig beleben. Es muss keine 200 Betten haben, aber es sollte sich rentieren. Leider scheitert so etwas meiner Erfahrung nach an den Betreibern. Zumindest die Ketten tun sich bei einer Stadt mit 40 000 bis 50 000 Einwohnern schwer.

Haben Sie eine spezielle Zielgruppe für dieses Angebot im Blick?

Drusell:

Insbesondere denke ich an die vielen Tagestouristen, die mit Bussen nach Stade kommen. Sie fahren vielleicht nachmittags noch ins Alte Land und haben dann wieder eine vierstündige Busfahrt vor sich. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Touren auch mit mindestens einer Übernachtung angeboten werden. Dann würden wir den Tagestourismus umwandeln und könnten meinetwegen auch den Fahrradtourismus einbeziehen. In Stade, dem Alten Land und Kehdingen haben wir so viel zu bieten, dass es sich jederzeit lohnt ein bis zwei Nächte zu bleiben. Aber dafür bräuchten wir ausreichend Plätze.

Was darf hingegen keinesfalls mit dem Hertie-Haus geschehen?

Drusell:

Wenn das Gebäude noch mehrere Jahre als Ruine dasteht. Das wäre das Schlimmste. Ruinen ziehen immer mehr unangenehme Dinge an. Ob das Gewalt ist oder Schmierereien. Es wäre dann ein Schandfleck von Stade und das wollen wir nicht. Wir haben Gott sei Dank das Glück, dass das Haus ein bisschen versteckt ist, aber das geht trotzdem nicht.

Wie sieht ihrer Meinung nach, abgesehen vom Hertie-Haus, die Zukunft im Stader Einzelhandel aus?

Drusell:

Stade ist attraktiv. Wir nähern uns der 50 000 Einwohner-Grenze. Ich denke, wir werden in den nächsten Jahren noch kräftigen Zuzug bekommen. Außerdem haben wir eine hervorragende Einkaufskraft. Deshalb brauchen wir ein höheres Niveau. Für mich ist wichtig, dass wir uns abheben. Bei Filialisten besteht eher das Problem, dass sie in jeder Stadt gleich aussehen. Glücklicherweise haben wir in Stade nicht die großen Flächen, die der Einzelhandel benötigt. Wir können und müssen die Läden klein aber fein halten. Wenn wir dazu noch ein höheres Niveau bekommen, entwickelt sich ein besonderes Ambiente, dass auch die Menschen aus Hamburg und dem Umland nach Stade lockt.

Wo sehen Sie Defizite der bisherigen Planung, was fehlt Stade?

Drusell:

Es gibt sicherlich bestimmte Marken, die noch nicht da sind. Aber wir als "Stade aktuell" können ja auch nicht auf die Vermieter einwirken. In Kanada bilden sich zum Beispiel Gemeinschaften, die dann gemeinsam entscheiden, welcher Mieter kommt und welcher nicht. Das wäre mir das Liebste. So ließe sich auch vermeiden, dass Geschäfte einer Branche direkt nebeneinander oder im Abstand von wenigen hundert Metern liegen. In Stade ist das zurzeit ja teilweise der Fall, zum Beispiel bei Optikern oder Bäckereien.

Fällt Ihnen ad hoc eine mit Stade vergleichbare Stadt ein, an der man sich auch mit Blick auf den Einzelhandel orientieren sollte?

Drusell:

Das ist schwierig. Für mich gibt es für Stade generell zwei Vorbilder: die Stadt Lüneburg und die Stadt Oldenburg. Oldenburg hat natürlich eine ganz andere Entwicklung, eine ganz andere Größenordnung mit 300 000 Einwohnern, und sehr vielen Studenten.

Das haben wir in Stade nicht. Lüneburg ist mit knapp 70 000 Einwohnern zwar auch ein bisschen größer und verfügt über eine Universität, aber für mich ist Lüneburg schon ein Vorbild, zumindest in der näheren Umgebung.

Was zeichnet Lüneburg aus, woran sich Stade ein Beispiel nehmen könnte?

Drusell:

Was mir in Stade zum Beispiel fehlt sind die Kompaktheit und die Größe des Wochenmarktes, in Lüneburg sind auch die Lauflagen frequentiert. Ich finde, da ist schon ein schönes Ensemble. Was in Stade nicht zum Einzelhandel passt, da möchte ich eigentlich den Finger in die Wunde legen, ist für mich der gastronomische Bereich. Der ist hier eigentlich nicht so aufgestellt, wie ich mir das bei einer Größenordnung der Stadt Stade vorstellen würde. Aber das hängt eben auch mit der Zusammensetzung der Bevölkerungsstruktur zusammen, sprich, wir haben keine Studenten.

Was fehlt konkret im gastronomischen Bereich?

Drusell:

Ich denke vor allem viele, viele Ideen. Zum Beispiel Live-Musik für junge Leute, verschiedene Restaurants auch vom Angebot her, es fehlt - gerade am Fischmarkt - das Zusammenspiel aller Gastronomen. Wenn die zusammenarbeiten würden, die könnten so stark sein und so toll werden. Das ist leider nicht der Fall, obwohl wir uns darum schon mehrfach bemüht haben.

Gibt es aus Ihrer Sicht auch ein Beispiel, wie es überhaupt nicht laufen sollte?

Drusell:

Celle. Der Oberbürgermeister der Stadt hat schon in Stade anfragen lassen, wie wir das mit unserem Stadtmarketing auf freiwilliger Basis machen. Da hat es wohl des Öfteren einen Wechsel gegeben. Celle ist eine wunderschöne Stadt, aber da sind sicherlich Fehler gemacht worden.

Inwiefern?

Drusell:

Der Einzelhandel verträgt sich nicht, sie stehen nicht zusammen. Wenn ich das richtig weiß, sind dort auch große Zentren gebaut worden, doch die Innenstadt ist leider leer. Das wollen wir nicht haben.