Ich bin hin- und hergerissen im Strudel von Schulden und Schuldgefühlen. Seit ich von der TV-Journalistin Bettina Schausten weiß, dass man nach einem Besuch bei Freunden 150 Euro hinlegt, möchte ich vor Scham versinken. Ich dachte nie daran, zu zahlen, habe Gastlichkeit ausgenutzt, gegessen und getrunken, und früher auch noch meine wilden Kinder mit dabei gehabt.

Meine beste Freundin in Berlin, wir sind seit 40 Jahren engste Vertraute, war so anständig, nie aufzurechnen, was sich in vier Jahrzehnten angehäuft hat: Gemeinsam verweinte Liebeskummernächte, Gespräche über Gott und die Welt, Männer im Allgemeinen oder Scheidungen im Besonderen, Kinderhüten oder die fürsorgliche Bitte, in der Unwetternacht nicht mehr bis Stade zu fahren. All das lässt mich bei Ria mächtig in der Kreide stehen.

Dazu kommen noch andere Freundschaften in Süddeutschland und mir bricht der Schweiß aus. Die werden mich für einen Schnorrer halten, zumal sie ja alle keine Millionäre sind. Bei Millionären würde so ein Übernachtungsgast nicht so ein gravierendes Loch in den Geldbeutel reißen. Aber Geschiedene, Verlassene oder Arbeitssuchende haben es ja wirklich nicht so dicke.

Als ich mir den Kopf zerbrach, wie ich meine Selbstsucht je wieder gutmachen könnte, schon ein bisschen gegen rechnen wollte, weil meine Freundinnen ja auch unzählige Male mit Kind und Kegel, ohne 150 Euro, bei mir waren, klingelte das Telefon. "Wann schausten mal wieder rein?", fragte Ria in alter Freundschaft. Ich bin sicher, wenn ich für ihre Gastfreundschaft 150 Euro hinlegen würde, wäre das mein letzter Besuch.