Beim IHK-Neujahrsempfang in Stade wurde für mehr Zusammenhalt geworben, um die Probleme der kommenden Jahre bewältigen zu können.

Stade. Deutschland sei kein Land der Gerechtigkeit mehr, vieles sei aus dem Ruder gelaufen. Das ist laut Klaus-Peter Schöppner derzeit die Grundstimmung in Deutschland. Der Geschäftsführer der TNS Emnid Politik- und Sozialforschung zeichnete beim gestrigen Neujahrsempfang der IHK Stade im Stadeum ein düsteres Bild dessen, wie die Deutschen ihr Land sehen. Er nahm Politik und Wirtschaft in die Pflicht. Sie müssten tätig werden, um das verloren gegangene Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen.

Während früher ein wirtschaftlicher Aufschwung mit Optimismus in der Bevölkerung einhergegangen sei, habe sich dieses seit 2006 völlig gedreht. Trotz einer brummenden Konjunktur hätten so viele Menschen wie nie zuvor Zukunftsängste. Dies sei der Fall, weil die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze abnehme, soziale Kälte und Egoismus sich breit gemacht hätten und Firmen laut den Bürgern der Gewinnmaximierung alles unterordnen würden.

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"80 Prozent der Bürger verstehen die Wirtschaft nicht mehr, sagen, dass Politik und Wirtschaft den kleinen Mann nicht mehr kennen", so Schöppner. Gerade die wirtschaftlichen Entwicklungen müssten nun dringend transparent und verständlich vermittelt werden. Schöppner warb daher für ein neues Miteinander von Politik, Wirtschaft und Bürgern. Dies sei auch notwendig, um der Fragmentierung der Gesellschaft begegnen zu können. "Die Menschen sammeln sich nicht mehr hinter gemeinsamen Werten. Deutschland braucht eine neue Sinnhaftigkeit, die nicht nur aus Geld besteht", urteilte der Emnid-Geschäftsführer.

Die Politik müsse zudem tragfähige und plausible Zukunftsvisionen entwickeln, denn diese würden in großem Stil vermisst. Das ständige Reagieren auf äußere Impulse, wie im Fall der Plagiatsvorwürfe gegen Karl-Theodor zu Guttenberg oder der aktuellen Diskussion um Bundespräsident Christian Wulff, ohne eigene Impulse zu setzen, sorge für Politikverdrossenheit und einen anhaltenden Vertrauensverlust. Dabei sei Vertrauen heute für 95 Prozent der Bürger von zentraler Bedeutung. "Wir brauchen, um dies zu korrigieren, eine neue Wir-Kultur", sagte Schöppner.

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IHK-Präsident Lothar Geißler warb ebenso für ein besseres Miteinander. Nur so sei die Region voranzubringen und die anstehenden Probleme, wie die demografische Entwicklung, zu meistern. "In einer sich stetig verändernden Welt verliert derjenige, der sich nicht weiterentwickelt", sagte Geißler vor den knapp 1000 Gästen. Daher müssten für eine sinnvolle und angemessene Beschäftigung von Menschen bis 67 Jahren die notwendigen Weichen gestellt werden. Älteren könne aber nur dann eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt gegeben werden, wenn die Rahmenbedingungen für den Standort stimmten. Geißler warb daher eindringlich für einen sinnvollen Infrastrukturausbau in der Elbe-Weser-Region.

Das beinhalte Maßnahmen wie die Hinterlandanbindung der Häfen oder die Reform der Schullandschaft. Die Oberschule bezeichnete Geißler als für den ländlichen Raum wichtiges und richtiges Instrument, um eine wohnortnahe Unterrichtsversorgung auch künftig garantieren zu können. "Die Oberschule ist für den ländlichen Raum ein absolutes Erfolgmodell", so Geißler.

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Bei der Hafenentwicklung plädiert er für eine Stärkung der Stader und Cuxhavener Häfen mittels Eisen- und Autobahn. Die Entwicklung der Häfen dürfe aber nicht auf Kosten von Bremerhaven, Hamburg und Wilhelmshaven gehen: "Wir brauchen ein klares und nachhaltiges Bekenntnis zum Industriestandort Küste."

Der IHK-Präsident warb auch für den Ausbau der erneuerbaren Energien. "Wir brauchen einen konstruktiven Dialog, bei dem wir gemeinsam Lösungen für den Ausbau und die Weiterentwicklung von Windenergiestandorten, für notwendige Erneuerungen von konventionellen Kraftwerken, vor allem aber auch für Leitungsneubauten finden", sagte er. Diese Lösungen müssten gemeinsam vertreten und auch zügig realisiert werden.