Im Sommer überlebte Hendric Spinzig nur knapp einen schweren Autounfall. Mit den Folgen des Unglücks hat er bis heute zu kämpfen.

Dollern. Es ist die Nacht von Sonnabend, 23. Juli, auf Sonntag, 24. Juli 2011. Jessica Feldmann liegt schon im Bett. Die Angestellte im Polizeidienst hat am Sonntag Frühschicht. Plötzlich ist sie hellwach. Es ist kurz vor 23 Uhr. Sie schläft wieder ein. "Später wusste ich, dass ich genau zu dem Zeitpunkt, als Hendric den Unfall hatte, aufgewacht war", sagt Jessica Feldmann. "Gegen Mitternacht klingelte es, zwei Kollegen in Uniform standen vor unserer Tür. Zuerst dachte ich, ich hätte verschlafen. Aber dann drucksten die beiden jungen Beamten etwas herum, erzählten mir, dass mein Sohn gerade einen schweren Unfall hatte. Die beiden gingen wohl davon aus, dass er nicht überleben würde."

Knapp ein halbes Jahr später steht der 20 Jahre alte Hendric Spinzig aus Dollern an der Stelle, an der in dieser Nacht im Sommer der Autounfall, den er nur mit knapper Not überlebte, passiert ist. An der B 73 ist ein kleines Holzkreuz aufgestellt mit dem Foto des 34 Jahre alten Fahrers, der an dieser Stelle sein Leben verloren hat. Hendric Spinzig saß auf dem Beifahrersitz, er wurde lebensgefährlich verletzt und musste von der Feuerwehr aus dem Autowrack befreit werden. Auf der Rückbank saß sein 28 Jahre alter Freund. Er kam mit leichten Verletzungen davon.

"Es ist ein wirklich mulmiges Gefühl", sagt Hendric Spinzig und sieht kurz auf das Holzkreuz. Wohl sei ihm dabei nicht. Es sei das erste Mal seit dem Unfall, dass er hier stehe. An den Unfall hat er keine Erinnerung mehr. Das sei wie ein totaler Filmriss, sagt er.

In der Polizeiakte vom 24. Juli steht: "Am späten Samstagabend gegen 22.50 Uhr kam es in Horneburg auf der Bundesstraße 73 zu einem schweren Verkehrsunfall, bei dem ein 34-jähriger Autofahrer ums Leben kam und zwei Mitinsassen zum Teil lebensgefährliche Verletzungen erlitten. Der Omegafahrer war mit seinem Fahrzeug aus Richtung Buxtehude kommend in Richtung Stade unterwegs und hatte zwischen den Kreuzungen Wilhelmstraße und Issendorfer Straße die Kontrolle über sein Auto verloren. Vermutlich aufgrund überhöhter Geschwindigkeit kam er nach links auf die Gegenfahrbahn und in den Grünstreifen und prallte gegen einen Baum. Dabei war die Wucht des Aufpralls so stark, dass der Baum bis zur Beifahrerseite seitlich in den Wagen eindrang. Der 34 Jahre alte Fahrer aus Nottensdorf starb noch an der Unfallstelle. Der Beifahrer, 20, aus Dollern wurde in dem völlig zerstörten Wrack eingeklemmt und musste befreit werden. Der hinten sitzende 28 Jahre alte Mitfahrer aus Hollern-Twielenfleth erlitt bei dem Unfall nur leichte Verletzungen und konnte sich noch selbst aus dem Unfallwrack befreien."

"Ich weiß noch, dass ich nur dachte, hoffentlich geht das gut"

Hendric Spinzig erinnert sich nur noch daran, dass sein Freund ihm gesagt habe, er solle nicht einschlafen. "Ich habe ihm gesagt, er soll den Motorblock von mir weg nehmen. Das war natürlich unmöglich. Ich weiß noch, dass ich nur dachte, hoffentlich geht das gut", erzählt der angehende Heizungsbauer. Erst im Krankenhaus sei er wieder aufgewacht. "Ich wusste nicht, wo ich war, und ich erinnerte mich nur noch daran, dass wir zum Fußballturnier nach Bliederstorf fahren wollten. Mehr weiß ich nicht mehr", so der SC-Dollern-Fan.

Bei dem schweren Unfall erlitt Hendric Spinzig einen Milzriss, Prellungen am Schlüsselbein und Schnittwunden, eine Rippe und ein Lendenwirbel wurden gebrochen, Nieren und Lunge gequetscht. "Es war ein schlimmer Anblick, wie er da lag, blutverschmiert, voller Schläuche, an zig Apparate angeschlossen", beschreiben seine Eltern ihre ersten Eindrücke. Noch in der Nacht fuhren sie zum Stader Krankenhaus, um ihren Sohn zu sehen.

Gesund ist Hendric Spinzig bis heute nicht. Die gerissene Milz musste entfernt werden, es hatte sich ein Abszess gebildet. Bei dem schweren Aufprall wurden seine Gelenke so sehr gestaucht, dass er bis heute Schmerzen in Armen und Beinen hat. Wann er wieder Fußball in seinem Lieblingsclub in Dollern spielen kann, steht in den Sternen. Er hofft, dass er seine Ausbildung trotz der gesundheitlichen Einschränkungen abschließen kann. Ob er mit seinem Freund über den Unfall spreche? "Nein", sagt der junge Mann, "das können wir beide noch nicht. Ich glaube, dazu sitzt der Schrecken noch zu tief." Bis heute sei er sehr ängstlich beim Autofahren. "Wenn meine Freundin ein bisschen schneller fährt, sage ich sofort, sie soll langsamer fahren." Wenn er selbst Auto fahre, dann nur ganz vorsichtig und auch nur bei Tageslicht.

Seit dem Unfall hat sich Hendric Spinzigs Einstellung zum Leben geändert. Er sehe die "Sachen heute etwas anders. Ich denke lieber zweimal nach, bevor ich etwas tue. Sicher, ich bin mit allem vorsichtiger geworden, nicht nur mit dem Autofahren." Vielleicht sei er sich bewusster als seine Altersgenossen darüber, wie hoch der Wert eines Lebens sei - und wie schnell es zu Ende sein könne.