Eine neue Ausstellung im Altländer Museum veranschaulicht komplizierte Mathematik

Jork. Mathematiker erklären den so genannten "Goldenen Schnitt" so: Wenn sich bei einer in A und B eingeteilten Strecke B zu A verhält, wie A zu A + B. Das Verhältnis von B zu A oder von A zu A + B beträgt etwa 61,8 Prozent. Sie haben nichts verstanden? Seien sie beruhigt, denn für die meisten Menschen ist das eine hoch komplizierte Mathematik. Dabei haben sie die Gesetzmäßigkeiten des "Goldenen Schnitts" sicher im Alltag schon oft gesehen, nur nicht bewusst wahrgenommen. Denn er kommt in der Natur ebenso vor wie in der Kunst und Architektur.

Im Museum Altes Land in Jork wird jetzt die Faszination des Goldenen Schnitts anschaulich dargestellt. "Proportionen bei der Gestaltung von Fachhallenhausgiebeln" heißt die neue Ausstellung, die der Hamburger Architekt Hans Werner Prell in Zusammenarbeit mit dem Museum Altes Land zeigt. Dabei geht es dem 80-jährigen Prell, der sich seit 30 Jahren in der Denkmalpflege engagiert, nicht ausschließlich um Architektur und speziell Altländer Häuser, die nach bestimmten Proportionen gebaut wurden.

"Die Ausstellung soll nicht nur Experten ansprechen, sondern einem breiten Publikum Einblicke geben, wie man den Goldenen Schnitt im Alltag überall finden kann", sagt Prell. "Wir nehmen vieles unbewusst in der Natur wahr, empfinden es als besonders schön, bringen es aber nie direkt mit Mathematik in Verbindung." Im Alten Land falle auf, dass immer wieder neue Giebelvarianten komponiert wurden - viele nach eben diesem Prinzip des Goldenen Schnittes.

Der Goldene Schnitt wird als Ideal der Streckenteilung angesehen

Der funktioniert immer nach dem selben Prinzip: Man teilt eine Strecke so in zwei Teile, dass der kleinere Teil (Minor) sich zum größeren Teil (Major) genau so verhält wie der größere Teil wiederum zum Ganzen. Gerade mit der Teilung wird der Bezug zum Ganzen herausgestellt. Was so paradox klingt, empfinden wir Menschen als besonders schön und harmonisch. Diese auch als "Proportio divina" oder göttliche Proportion bezeichnete Aufteilung übt seit Jahrtausenden eine besondere Anziehung auf die Menschen aus. Sie findet sich, in zahlreichen antiken Bauwerken wie dem Parthenon-Tempel der Akropolis, der etwa 450 vor Christus unter Perikles errichtet wurde. Die symmetrische Anordnung der einzelnen Elemente findet sich bis in kleinen Details, aus allen Perspektiven, wieder. Daneben sind aber auch Proportionen des goldenen Schnittes in vielfacher Art und Weise und erstaunlicher Genauigkeit verbaut. Das findet man ebenfalls bei berühmten Bauten wie dem Kölner Dom, der Petersbasilika in Rom, dem Leipziger Rathaus, den Pyramiden von Gizeh oder der Cheops-Pyramide.

Auch in Gemälden setzten große Meister wie Albrecht Dürer (Selbstbildnis mit Pelzrock), Leonardo Da Vinci (Mona Lisa, Das Abendmahl), Raffaelo Santi (Sixtinische Madonna) auf die Proportionslehre des Goldenen Schnittes. In der Geometrie findet sich das Maß des Goldenen Schnittes im Fünfstern (Pentagramm) mehrfach wieder. Ihm wurde zu allen Zeiten eine magische Wirkung zugeschrieben. Wohl auch deshalb ist dieses Symbol in den Staatsflaggen von mehr als 40 Ländern zu finden. Das gefühlsmäßig vom Menschen als schön empfundene Proportionsverhältnis hat seinen Ursprung in der Natur. Beispiele dafür sind Blattanordnungen beim Stiefmütterchen, der Körperbau von Bienen, die Anatomie des Pferdes oder die Proportionen des Perlbootes. Die Pentagrammformen zeigen Seesterne ebenso wie Efeublätter oder Wildrosen. Weltberühmt ist eine Studie von Leonardo da Vinci (1452 bis 1519) über den vitruvianischen Menschen, der den Goldenen Schnitt auch in den Proportionen des menschlichen Körpers veranschaulicht.

"Ob die Altländer bewusst oder unbewusst ihre Häuser nach dem Goldenen Schnitt bauten, lässt sich kaum prüfen", sagt Museums-Leiter Dieter Theodor Bohlmann. Entscheidend sei, dass er in zahlreichen Gebäuden zu finden ist. Einen ersten Eindruck bekommen die Besucher schon bevor sie das Museum betreten. An beiden Giebeln des Altländer Museums kann man den Goldenen Schnitt erkennen.

Die Ausstellung ist bis zum 26. September täglich (außer Montag) von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.