Die Kritiker der Elbvertiefung sehen die von Enak Ferlemann (CDU) genannten “wichtigen Verbesserungen“ in den aktuellen Planungsunterlagen nicht

Stade/Buxtehude. Die Aussagen des CDU-Politikers Enak Ferlemann zur geplanten Elbvertiefung stoßen südlich der Elbe auf massiven Widerspruch. Der Cuxhavener CDU-Politiker, der Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium ist und als direkt gewählter Abgeordneter im Bundestag die Landkreise Cuxhaven und Stade vertritt, hatte in einem Interview mit dem Abendblatt zu den aktuellen Planunterlagen, die noch bis zum 30. Juni öffentlich ausliegen, Stellung genommen. Ferlemann hatte gesagt, dass es in dieser nunmehr dritten Fassung der Pläne "wichtige Verbesserungen" gebe, etwa was die Deichsicherheit und ökologische Ausgleichsmaßnahmen anbetrifft. Diese Einschätzung teilen betroffene Bürger und Verbände nicht.

"Für mich hat sich seit der ersten Planauslegung im Jahr 2007 nichts zum Besseren verändert. Wenn die Fahrrinne wie geplant um 135 Meter verbreitert wird, kann ich die Fischerei zwischen Wedel und Hamburg aufgeben", sagt der Elbfischer Lothar Buckow. Der Grund sei, dass die großen Schiffe dann zu dicht an den Reusen entlang fahren würden. Wegen des Soges sei seine Form des Fischfangs dann nicht mehr möglich. Diesen Einwand habe Buckow bereits in den zurück liegenden Planauslegungen vorgebracht. Doch Änderungen habe es keine gegeben.

Auch die Zukunft anderer Fischer sei bedroht. "Den Kollegen fallen die Fangplätze weg, wenn das Projekt wie geplant umgesetzt wird", sagt Buckow. Fische wie Aal und Stint könnten weiter flussaufwärts wandern, weil das Wasser in der Elbe nach dem Eingriff salziger werde. Diese Fische könnten dann nicht mehr im Bereich der Unterelbe gefangen werden.

Lothar Buckow sorgt sich nicht nur um die Zukunft seines Berufsstandes. Auch die Maßnahmen zur Deichsicherheit, die in dem Plan enthalten sind, hält er für völlig unzureichend. Enak Ferlemann hatte betont, dass die jetzt beschlossenen Deichsicherheitsmaßnahmen im Bereich des Altenbrucher Bogens bei Cuxhaven wichtige Verbesserungen seien. Doch nach Auffassung Lothar Buckows müsste es viel weiter gehende Vorkehrungen geben.

"Der Fluss wird nach der Vertiefung schwieriger kontrollierbar. Deshalb müssten die Deiche zwischen Cuxhaven und Stade zurück gesetzt werden. Außerdem müsste ein großer Damm bei Neuwerk gebaut werden, um Sturmfluten wie im Jahr 1962 zu verhindern", sagt Buckow, der selbst in Jork in nächster Nähe des Deiches wohnt. Doch diese Maßnahmen würden aus finanziellen Gründen nicht umgesetzt. "Es wird nicht gemacht, weil es Geld kostet".

Walter Rademacher, Sprecher des Regionalen Bündnisses gegen Elbvertiefung, das sich zwischen Cuxhaven und Hitzacker engagiert, teilt Buckows Einschätzung. "Das Problem der Deichsicherheit ist auch in den neuen Planunterlagen nicht gelöst. Weder am Altenbrucher Bogen, noch im Alten Land." Bei der Berechnung zukünftiger Wellen, die während einer Sturmflut entstehen könnten, gebe es in den aktuellen Planunterlagen "grobe Fehler" sagt Rademacher, der selbst Wasserbauingenieur ist.

Auch auf die Belange der Obstbauern in Kehdingen und im Alten Land wird nach Meinung Rademachers viel zu wenig eingegangen. Diese befürchten, dass der Salzgehalt in den Elbnebenarmen, aus denen sie das Wasser für die Bewässerung der Obstplantagen nehmen, nach der Elbvertiefung über einen Wert von 0,5 Gramm Salz pro Liter steigen könnte. Dann könnte es für die Bewässerung nicht mehr verwendet werden. Enak Ferlemann hatte, wie schon bei anderer Gelegenheit, betont, dass es nach Aussage von Fachleuten zu dem Problem nicht kommen werde und sich dabei auf ein Gutachten der Bundesanstalt für Wasserbau berufen.

Walter Rademacher reagiert zornig auf diese Einschätzung: "Niemand kann eine Garantie dafür übernehmen, dass es nicht zu dieser Steigerung kommt. Die Kenntnisse über den Untergrund sind einfach nicht so genau, dass man sie ausschließen kann." Das Gutachten der Bundesanstalt für Wasserbau hält er nicht für maßgebend, weil es sich um eine "weisungsgebundene Behörde" des Bundes handele.

Er ergänzt: "Die Tatsache, dass über ein alternatives Bewässerungssystem nachgedacht wird, zeigt doch, dass man sich nicht sicher ist." Enak Ferlemann hatte eine Vorsichtsmaßnahme ins Spiel gebracht, für den Fall dass es doch zu einem Ansteigen des Salzgehaltes käme. Er sagte, man könne zusätzliche Wasserreservoirs für die Bauernhöfe anlegen und diese im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens als ökologische Ausgleichsmaßnahmen deklarieren.

Thorben Sumfleth, Obstbauer in Oederquart, kämpft seit Jahren mit einem gestiegenen Salzgehalt in einem Nebenarm der Oste, aus dem er das Wasser für seine Plantagen entnimmt. Die Steigerungen, die er selbst misst, sind nach seiner Aussage wesentlich höher als jene, die die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) im Auftrag des Bundes ermittelt. Ferlemanns Vorschlag, zusätzliche Bewässerungsteiche anzulegen, nimmt Sumfleth zunächst positiv auf: "Es ist gut, dass Herr Ferlemann auf uns zukommt. Aber ich bin skeptisch, ob sich das Problem mit neuen Bewässerungsteichen lösen lässt."

Sumfleth rechnet vor: "Allein für meinen Hof bräuchte ich Bewässerungsflächen, die vier Hektar groß sind. Wenn alle Höfe ein neues Bewässerungssystem brauchen, weiß ich nicht, woher die Fläche kommen soll. In Kehdingen würde es vielleicht gerade noch gehen. Aber im Alten Land wäre es unmöglich, wegen der hohen Dichte der Obsthöfe." Bei dem Vorschlag Ferlemanns sieht er ein weiteres Problem: "Ich frage mich, was die Naturschutzbehörden sagen würden, wenn aus Öko-Teichen einfach das Wasser für die Obsthöfe entnommen wird."

Kritik an Ferlemanns Vorschlag kommt auch vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). "Diese Idee klingt wie ein Placebo für die Landwirtschaft", sagt Marita Wudtke, Referatsleiterin für Naturschutz und Umwelt beim niedersächsischen Landesverband des BUND. Allerdings könne sie den Vorschlag noch nicht im Detail bewerten.

An den aktuellen Planunterlagen hat der BUND aber bereits Kritik geübt. Prognosen über die Veränderung der Strömung in der Elbe seien nicht aktualisiert worden. Deshalb würden die Planunterlagen mitsamt der ökologischen Ausgleichsmaßnahmen nicht den notwendigen juristischen Anforderungen genügen. Ökologische Ausgleichsmaßnahmen sind auf der Elbinsel Schwarztonnensand, am Barnkruger Loch bei Drochtersen und am Allwördener Außendeich bei Freiburg geplant.

Der BUND will seine Einwände bis zum 14. Juli einreichen, wenn die Frist für Stellungnahmen endet. Das planen auch Lothar Buckow und das Regionale Bündnis gegen Elbvertiefung. Große Hoffnung, dass die Elbvertiefung noch verhindert werden kann, hat Buckow aber keine mehr. Sie werde wohl trotz aller Widerstände kommen, was er auf die "Arroganz der Politik" zurückführt.