Seit 28 Jahren malt die Künstlerin Roswitha Precht nichts anderes als Katzen. Jetzt stellt sie ihre Bilder aus

Hammah/Stade. Mit Portraits von Filmstars der 50er- und 60er-Jahre und Karikaturen ihrer Lehrer näherte sich Roswitha Precht einst in ganz kleinen Schritten der großen Kunst. Auf der Suche nach einem persönlichen Stil fand sie schließlich das, was sie seit ihrer jüngsten Kindheit faszinierte und was sie nicht mehr loslässt: Katzen! Seit 28 Jahren malt die gebürtige Staderin nichts anderes. 20 ihrer tierischen Lieblingsbilder sind jetzt bis zum 28. Juni jeweils dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr im "Goeben-Café" (Wasser West 21) in Stade zu sehen.

Ein kleines, von Efeu umranktes Herz an der Eingangstür verrät: Roswitha Precht wohnt im Paradies. Den Baum der Erkenntnis suchen Gäste im Haus der freischaffenden Künstlerin in Hammah jedoch vergebens. Dafür bietet ihr Heim jede Menge Platz für Hund, Katze, Mann und Frau. Mittendrin: der große Wohnzimmer-Tisch des Ehepaares. Wer sich hier hinsetzt, muss sich mit der Gesellschaft von zahlreichen Stoff-Teddybären und der (echten) Katze "Minouche" arrangieren.

Letztere liegt auf einem barocken Stuhl vor der bollernden Heizung. Den morgendlichen Besucher nimmt die 17-Jährige betont gelassen aus dem Augenwinkel zur Kenntnis, um gleich darauf ungeniert und in unüberhörbarer Lautstärke weiter vor sich hin zu schnarchen. Doch der Schein trügt: "Diese Katze tyrannisiert mich", sagt Roswitha Precht. "Sie schreit uns an und stampft mit den Füßen auf den Boden, wenn sie nicht rechtzeitig etwas zu Fressen bekommt."

Früher sei die Schwarz-Braune eher schüchtern und zurückhaltend gewesen, ein liebes Tierchen, dass sich bedingungslos in ihre untergeordnete Rolle in der Familienhierarchie gefügt habe. Bis zum vergangenen Jahr tanzte sie nach der Pfeife eines schwarzen, sieben Kilogramm schweren Katers. "Das war ein Tier mit einem sehr einnehmenden Charakter", sagt Precht. So einnehmend, dass er sich des Nachts mit seinem ganze Kampfgewicht gegen die Schlafzimmertür des Ehepaares warf und die Hausherren aus ihrer nächtlichen Ruhe riss. "Wenn ich dann aufstand, rannte er ins Badezimmer, sprang er auf den Klodeckel und wollte gebürstet werden. Dieses Tier habe ich trotzdem geliebt. Nach seinem Tod musste ich eine Woche lang weinen."

Die Künstlerin hat ein großes Herz für hilf- und herrenlose Tiere

Ein Leben ohne Katzen? Das kann und will sich Roswitha Precht nicht vorstellen. "Wenn uns Minouche eines Tages verlässt, werde ich sicherlich nicht lange warten, bevor ich mir eine neue Katze aus dem Tierheim hole." Die Künstlerin hat eben ein Herz für hilf- und herrenlose Tiere. "Ich könnte sie alle haben", gibt sie zu verstehen. "Mich zerreißt es jedes Mal, wenn ich im Urlaub das Elend der verwahrlosten Tiere ansehen muss. Am liebsten würde ich sie dann alle mit nach Hause nehmen." Platz genug wäre ja...

Was sie mit den Tieren im Alltag erlebt, bannt Precht immer wieder auf Papier und Leinwand. "Das ist eine ziemliche Schmiererei", sagt sie. "Ich zeichnen mit Blei und Pastellkreide, setze Akzente mit dem Radiergummi. Und dabei wische ich immer viel mit den Fingern rum", erzählt sie.

Vom dunklen Keller in Hammah ins sonnige Verandazimmer nach Stade

Seit 1976 hat Precht jedes Jahr zwei solcher Werke gefertigt, vier davon wurden jeweils verkauft. In den vergangenen zwei Jahren zeichnete sie jährlich jeweils fünf Bilder. Neuerdings sogar öffentlich. Denn kürzlich zog sie aus dem heimischen Keller in ein altes Haus am Burggraben Nummer 3 in Stade und richtete sich dort ein offenes Atelier ein. Vom sogenannten Verandazimmer aus genieße sie nun den ungetrübten Blick in die Natur. "Dort sitze ich an jedem Dienstag von 10 bis 16 Uhr an meinem Tisch, arbeite an meinen Bildern und kümmere mich um den Garten. Das beflügelt mich", sagt Precht. Das Obergeschoss nutzt sie als Ausstellungsraum, in dem nicht nur eigene Werke, sondern auch Bilder von Künstlern des Stader Kunstvereins zu sehen sind.

Wer ihre Bilder betrachtet, soll den Charakter der Katzen verstehen, die Stimmung der Situation einfangen. Dabei geht es der Künstlerin nicht um eine naturgetreue Abbildung dieser oder jener Katze. Was sie malt, sei so authentisch wie möglich, aber "auf keinen Fall nur niedlich."

Ideen und Anregungen für ihre Bilder sammelt sie in Ausstellungen, die sie regelmäßig und gern besucht. "Das inspiriert mich. Besonders mag ich Max Liebermann und Caspar David Friedrich." Die Wand im eigenen Wohnzimmer schmücken allerdings kleinere Kunstwerke von unbekannten Malern. Viele davon sind Geschenke ihres Mannes. Auch Tipps und Ratschläge von renommierten Künstlern lässt sie in ihre Arbeit einfließen. "Ich bin für jede Kritik dankbar."

Dass dabei nicht jeder ihre Katzenliebe teilt, ist ihr egal. "Mir ist klar, dass die Leute, denen Katzen die Vögel von den Bäumen wegfangen, nicht begeistert sein werden. Vielleicht mögen sie auch meine Bilder nicht. Aber mir fällt es leicht, Katzen zu zeichnen, und ich glaube, wenn man immer von Thema zu Thema tanzt, kann man seine künstlerischen Fähigkeiten nicht weiterentwickeln."

Für sie selbst sind die Samtpfoten der absolute Inbegriff von Freiheit: Sie tun nur das, was sie wollen, sind flexible, haben ihre ganz persönliche Vorstellungen davon, wie Dinge im Leben zu laufen haben und gehen mit dem Kopf durch die Wand, um ihr Ziel zu erreichen. "Und so bin ich ja auch ein bisschen", sagt die Künstlerin. Sie schmunzelt und sagt: "Jeder hat nur ein Leben. Und das sollte man in vollen Zügen genießen."

Stolz und dankbar sei sie auch für die Hilfe und Ratschläge ihrer Mentoren Dieter Ritter und Dieter Kunze. "Von beiden habe ich eine Menge gelernt." Und sie weiß sich zu revanchieren: Die Gourmet-Köchin belohnt Freundschaftsdienste gern mit einem ausgefallen Gericht. Ihre Spezialität sind italienische und asiatische Mahlzeiten. Von ihren Garnelen war sogar ihr Kater angetan.