Der australische Schriftsteller bekommt heute den Jugendbuchpreis “Buxtehuder Bulle“ verliehen.

Buxtehude. "Die Bücherdiebin" heißt das über 600 Seiten starke Jugendbuch, das der 34 Jahre alte Autor Markus Zusak verfasst hat. Das Buch spielt im Zweiten Weltkrieg, der Erzähler in der Geschichte ist der Tod. Das Abendblatt sprach mit Zusak, der in Australien als Sohn deutsch-österreichischer Eltern aufwuchs, über sein ungewöhnliches Werk und seine Sicht auf die deutsche Vergangenheit.

Hamburger Abendblatt:

Sie haben weder das Naziregime miterlebt noch haben sie jemals in Deutschland gelebt. Ist es da nicht fast etwas anmaßend, dass sie ein Buch über den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg schreiben?

Zusak:

Ich hätte auch nie gedacht, dass ich jemals über den Nationalsozialismus in Deutschland schreiben würde. Aber ich hatte die Geschichten meiner Eltern von Bombennächten im Zweiten Weltkrieg in Wien und München im Kopf. Es war, als wenn da ein Loch in meinem Hirn war und eine Hand kam und diese Welt aus meinem Kopf holte.

Abendblatt:

Welche Geschichte ihrer Eltern aus dem Krieg hat sie am meisten berührt?

Zusak:

Die Erinnerung an ein einen Jungen, der bestraft wurde, weil er einem völlig entkräfteten Juden, der zum Konzentrationslager in Dachau getrieben wurde, ein Stück Brot schenkte. Der alte Gefangene fiel auf die Knie vor dem Jungen und umarmte seine Fuße. Doch der Mann wurde von den SS-Leuten dafür verprügelt, dass er das Brot angenommen hatte und der Junge dafür, dass er es ihm gegeben hatte.

Abendblatt:

Gab die Geschichte den Anstoß dafür, den Roman zu schreiben?

Zusak:

Ja. Eigentlich sollte aus den Erzählungen meiner Eltern nur ein 100-seitiges schmales Bändchen werden. Am Ende kam dabei ein 600-seitiges Buch heraus, das alles für mich bedeutet. Noch dazu ist es das erfolgreichste meiner fünf Bücher. Damit habe ich nicht gerechnet.

Abendblatt:

Warum nicht?

Zusak:

Es ist ein Buch über den Nationalsozialismus. Der Tod erzählt die Geschichte und fast alle Protagonisten sterben am Ende. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das jemand lesen möchte.

Hamburger Abendblatt:

Der Tod, der in ihrem Buch "Die Bücherdiebin" als Erzähler auftritt, ist kein Sense schwingender Knochenmann, sondern fast sympathisch. Warum?

Markus Zusak:

Es ist nicht der Tod, der so schrecklich ist, sondern die Menschen. Wir sind es, die in Kriegen töten, die den Tod möglich machen. Der Tod ist nur das Ergebnis. Deshalb wollte ich ihn sympathischer darstellen, als er üblicherweise daherkommt. Außerdem ist der Tod auch ein Teil von uns. Er wird jeden von uns treffen und ist unvermeidbar.

Abendblatt:

Wollten Sie den Tod in ihrem Roman auch für Jugendliche erträglicher machen?

Zusak:

Nein, ich habe nicht über die Reaktion meiner Leser nachgedacht. Irgendwann kommt man als Schriftsteller zu dem Punkt, an dem man nicht mehr über sie nachdenkt. Es ist ein ungeheures Gefühl der Freiheit, nur seinen eigenen Vorstellungen zu folgen. Um seine Leser zu verwöhnen, muss man sie ignorieren

Abendblatt:

Welche Erfahrungen haben sie selbst mit dem Tod gemacht?

Zusak:

Ich bin dem Tod nicht wirklich nahe gekommen. Das Schlimmste, was mir je passiert ist, war ein Surf-Unfall. Aber ich habe nie wirklich gespürt wie die Hände des Todes meinen Hals umklammern.

Abendblatt:

Was war das für ein Gefühl, als sie erfahren haben, dass sie Preisträger des "Buxtehuder Bullen" sind?

Zusak:

Es war wirklich schön, besonders weil es ein Preis aus Buxtehude ist. Meine Geschwister und ich kannten den Ort nur als Synonym für einen Platz, der sehr weit weg ist. Wir dachten aber, dass es ihn gar nicht wirklich gibt. Jetzt kann ich sagen: Buxtehude gibt es tatsächlich.

Markus Zusak wurde am 23. Juni 1975 in Sydney geboren und wuchs als Sohn deutsch-österreichischer Eltern auf. Der Schriftsteller wurde in Australien mit dem Buch "The Joker" bekannt. Das im Jahr 2005 veröffentlichte Buch "The Book Thief" erschien auf deutsch unter dem Titel "Die Bücherdiebin" und ist sein fünftes Werk.