Im Gespräch mit dem Abendblatt erläutern Frauen aus der Region, was für die Kopfbedeckung spricht - und was dagegen.

Stade/Buxtehude. Die Diskussion um muslimische Frauen, die Kopftuch tragen, erreicht den Landkreis Stade. Unter der Überschrift "Was hat Allah eigentlich gegen Damenfrisuren?" tritt die türkischstämmige Autorin Emel Zeynelabidin heute um 19 Uhr im "Bistro im Stadtteilhaus" (Jorker Straße 4a) in Stade auf. Auf Einladung des Rosa-Luxemburg-Clubs Niederelbe will sie über das Thema "Das Kopftuch im Spannungsfeld der Geschichte des Islam und der Identitätspolitik einer Minderheit in Deutschland" referieren.

Zeynelabidin wurde 1960 in Istanbul geboren und ist in Deutschland aufgewachsen. Sie ist sechsfache Mutter und war zehn Jahre lang Vorsitzende des islamischen Frauenvereins "Cemiyet i Nisa" in Berlin. Während ihrer Vereinsarbeit beobachtete sie das Verhalten von Muslimen und deutschen Politikern im sogenannten Kopftuchstreit und zog daraus ihre Konsequenzen: Mehr als ein Jahr lang experimentierte sie mit unterschiedlichen Kopfbedeckungen und las unzählige religiösen Quellen.

Schließlich hat sie sich - nach über 30 Jahren des Lebens in der Verhüllung - davon endgültig getrennt. Derzeit lebt sie als Kommunikationsmanagerin in Berlin. Für ihr Engagement im "Kopftuchstreit" wurde Zeynelabidin 2007 mit dem Luther-Preis "Das unerschrockene Wort" ausgezeichnet.

Kurz vor dem Besuch von Emel Zeynelabidins in Stade hat sich das Abendblatt bei muslimischen Frauen aus der Region umgehört und sie gefragt, warum sie eine Kopfbedeckung tragen.

Bis Sultan Cansa die neunte Klasse besuchte, wussten ihre Mitschüler, wie ihre Haare aussahen und wie die für eine Türkin ungewöhnlich blonden Haare im Wind wehten und sich bei Nässe kräuselten. Vor fünf Jahren entschloss sie sich, ihr Haar zu bedecken. Sie nahm nicht mehr am Schwimmunterricht teil und ließ den Stoff auch im Sportunterricht auf dem Kopf.

Die Buxtehuderin sagt, sie wolle sich mit dem Kopftuch vor "begehrenden Blicken" schützen, ihre Haare und ihre weiblichen Reize bedecken. So stehe es im Koran. Bevor sie sich für die Verhüllung entschied, habe sie das Kopftuch für etwas Altmodisches gehalten. "Seine Bedeutung kannte ich aber nicht wirklich", sagt Sultan Cansa.

Die Muslimin wollte aber nicht länger bei Fragen nach den Hintergründen der Verhüllung passen müssen. Also beschäftigte sie sich näher mit dem Thema und entschied am Ende, ihren Kopf zu bedecken: "Ich hatte mich an alle Gebote gehalten, im Ramadan gefastet, gebetet und den Koran gelesen. Nur das Kopftuch fehlte." Sie beschloss, "komplett" nach dem Koran zu leben.

Heute sei sie mit Tuch auf dem Kopf zufriedener: "Es ist ein ganz anderes Gefühl, ein Kopftuch zu tragen. Junge Männer wissen, sie können locker mit mir umgehen, aber es spielt sich bei ihnen nicht gleich ein Film im Kopf ab."

Das Tuch hat ihr aber auch Schwierigkeiten bereitet. In der Schule. Auf der Straße. "Zurückgeblieben im Mittelalter" zähle noch zu den harmloseren Beleidigungen, die ihr Passanten zurufen. Als sie noch die Schule besuchte, hatte ein Lehrer sie gefragt, ob sie bald zwangsverheiratet werde. Eine andere Lehrerin erlaubte es ihr im Sport nicht, sich wegen Kreislaufproblemen kurz zu setzen. "Ich kann ihnen ja nicht erlauben sich auszuruhen, nur weil sie Hitzestau wegen ihres Kopftuches haben", habe die Lehrerin gesagt, so Cansa. Am Ende sei die Muslimin ohnmächtig geworden.

Auch Birgit Esen hat mit zugeraunten Bemerkungen zu kämpfen. Die 47-jährige Deutsche, die in Buxtehude wohnt, seit fast 30 Jahren mit einem Muslim verheiratet und zum Islam übergetreten ist, scheut aber nicht die Konfrontation und versucht, die Leute in ein Gespräch zu verwickeln. Genutzt habe es meist nichts. Kaum jemand sei an einem ernsthaften Dialog interessiert gewesen.

Die Aufregung, die in Deutschland um das Kopftuch gemacht wird, verstehe sie ohnehin nicht. Sie verweist auf die Nonnen in der katholischen Kirche und auf die russisch-orthodoxe Kirche, in der eine Kopfbedeckung während der Zeremonie Pflicht ist. "Warum haben die anderen keine Konflikte?" fragt Birgit Esen.

Trotz dieser Probleme fühle sie sich "beschützter, behaglicher, ruhiger", seit sie ihr Leben nach dem Koran ausrichtet. Mit dieser Lebensweise verbindet sie die Hoffnung, dass Gott sie am Ende mit dem Paradies belohnt. "Ich trage das Kopftuch mit Stolz, was viele nicht verstehen", sagt die Hausfrau und sechsfache Mutter. Das habe nichts mit Unterdrückung zu tun. "Es heißt nicht automatisch, wer ein Kopftuch trägt, hat nichts zu sagen", sagt sie. "Ich bin es, die Erziehungsfragen in unserer Familie entscheidet und nicht mein Mann."

Die 39-jährige Aysegül Esen und die drei Jahre jüngere Emine Alagöz, die neben Birgit Esen auf der Bank im Haus der islamischen Gemeinde Buxtehude sitzen, nicken zustimmend. Für sie alle kommt ein Leben ohne Kopftuch nicht mehr in Frage. Selbst Berichte von Kopftuch tragenden Muslimen, die, wie in Amsterdam geschehen, auf offener Straße niedergestochen werden, schrecken die Frauen aus Buxtehude nicht ab. "Ich mache es für Gott. Mir ist egal, was andere denken", sagt Alagöz.

Auch der 20-jährigen Sultan Cansa ist Gottes Wille wichtiger als alles andere. "Wenn ich wegen der Konflikte mein Kopftuch ablege, messe ich dem Menschen doch mehr Bedeutung bei als Gott selbst." Selbst Modetrends des Kopftuchbindens wie andere muslimische Frauen sie in ihrem Alter mitmachen, kommen für sie nicht in Frage. Sie trägt einen schwarzen, leicht durchsichtig schimmernden Schal, der mit grauen Rosen bedruckt ist. Unter dem Schal lugt ein silbernes Tuch hervor, das mit einer Schleife verziert ist. Wenn sie sich doch irgendwann gegen das Kopftuch entscheiden sollte, dann nur aus einem Grund. Cansa: "Dann war mein Glaube nicht stark genug."