Sechs mutmaßliche Dealer sind gestern Morgen verhaftet worden. Ein 26-jähriger Libanese aus Stade soll Kopf der Bande sein.

Stade/Harsefeld. Die Aktion ist seit mehreren Wochen akribisch vorbereitet worden. Die verdächtigen Personen wurden beschattet, die Einsatzkräfte vorbereitet und ausgerüstet, die richterlichen Durchsuchungsbefehle ausgestellt. Kurz vor 6 Uhr morgens ein letztes Durchatmen, eine letzte Kontrolle, dann geht es los: 80 Polizisten aus Stade, Lüneburg und Hamburg, unterstützt von Einsatzkräften des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) und fünf Drogenspürhunden gehen am Mittwochmorgen um punkt 6 Uhr gezielt auf einige Wohnungen im Altländer Viertel in Stade zu. Es wird ein schneller und präziser Zugriff. Die Wohnungen werden gestürmt, die Verdächtigen schnell festgenommen, Widerstand gibt es kaum. Zeitgleich beginnen 20 weitere Polizisten in Harsefeld damit, Lagerhallen, Garagen und ein Geschäft zu durchsuchen. Auch im Landkreis Cloppenburg läuft die Drogenrazzia der Polizei. Um 10.15 Uhr, als der letzte Verdächtige auf der Arbeit festgenommen wird, sind die Polizeibeamten und die Stader Staatsanwaltschaft zufrieden. Ihnen ist einer der größten Coups gegen die organisierte Drogenkriminalität im Raum Stade gelungen.

"Wir konnten heute Morgen den Kopf einer Tätergruppierung, einen bereits wegen Rauschgifthandels vorbestraften 26-jährigen Libanesen aus dem Altländer Viertel, sowie einen 21-jährigen im Libanon geborenen Stader mit ungeklärter Staatsbürgerschaft und vier Deutsche festnehmen", sagt der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Stade, Kai Thomas Breas, im Anschluss an die Aktion. Den vier Deutschen im Alter von 27, 28, 30 und 33 Jahren und den beiden arabischstämmigen Männern wirft die Staatsanwaltschaft vor, bandenmäßig Handel mit Betäubungsmitteln getrieben zu haben, "und das in nicht geringer Menge", wie Breas erklärt.

Der Kopf der Bande gehört, so die bisherigen Ermittlungen, zu einer seit vielen Jahren polizeilich bekannten Stader Familie. Der Clan aus dem Altländer Viertel gilt als gefährlich, mehrere Mitglieder der libanesischen Familie sind immer wieder wegen Drogendelikten, Sachbeschädigung, Diebstahls und Körperverletzung mit dem Gesetz in Konflikt geraten.

Zuletzt sorgte die Familie für Schlagzeilen, als sie mit einer Demonstration vor dem Stader Kreishaus einen Abschiebestopp für ein in Hannover-Langenhagen in Abschiebehaft sitzendes Familienmitglied erwirken wollte. An der nicht angekündigten Demonstration Ende Februar beteiligten sich etwa 50 Mitglieder der Familie, die dafür aus dem gesamten Bundesgebiet angereist waren. Die Polizei befürchtete Auseinandersetzungen und reagierte mit einem Großaufgebot an Einsatzkräften vor Ort, um die Lage unter Kontrolle zu behalten.

Nun haben Justiz und Polizei zum großen Schlag gegen die Familienbande und ihre Hintermänner, die aus Stade und Cloppenburg kommen, ausgeholt. "Die Aktion ist, das sollte jeder wissen, ein vollkommen separater Fall und hat nichts mit dem Abschiebefall zu tun", sagt Breas. Das Ergebnis der koordinierten Aktion: sechs Festnahmen und Arrestbeschlüsse in Höhe von mehr als 200 000 Euro. Über den Umfang der aufgefundenen Vermögenswerte, Betäubungsmittel oder anderer Beweismittel werden derzeit keine Aussagen gemacht. Nur soviel gab Breas bekannt: Es seien bei der Razzia sowohl leichte als auch harte Drogen beschlagnahmt worden sowie 42 500 Euro in einer Wohnung. Die Bande soll im Jahr 2009, so die Ermittlungsergebnisse der Polizei Stade und des Dezernats für organisierte Kriminalität bei der Staatsanwaltschaft Stade, Drogen im Wert von mehr als 200 000 Euro umgesetzt haben.

Wann den Männern der Prozess gemacht wird, ist offen. Im Falle einer Verurteilung wegen massiven bandenmäßigen Drogenhandels drohen den Beschuldigten Haftstrafen von mindestens fünf Jahren. Für den Handel mit Betäubungsmitteln drohen laut Gesetz bis zu 15 Jahre Haft.