Wie lebte es sich vor 200 Jahren im Armenhaus, wie entziffert man alte Handschriften? Stades Archivare führen morgen ihre Arbeit vor.

Stade. Sie verfolgen keine Einbrecher und beschatten auch niemanden, und doch bezeichnen sie sich als Detektive, als Detektive der Geschichte. Die Stader Archivare Thomas Fenner, Christina Deggim, Jürgen Bohmbach und Beate-Christine Fiedler spüren täglich Geheimnisse der Vergangenheit auf. Das ist ihr Job.

Was der alles beinhaltet, zeigen die Historiker morgen im Niedersächsischen Landesarchiv - Staatsarchiv Stade (Am Sande 4c). Das große rot geklinkerte Haus mit den kleinen Fenstern öffnet von 11 bis 16 Uhr zum bundesweiten Tag der Archive seine Türen. Unter dem Motto "Dem Verborgenen auf der Spur" stehen Lesungen, Ausstellungen, Führungen und ein Quiz auf dem Programm.

Besucher können im Keller des Archivs Akten begutachten und bewerten. Archivare zeigen in der Werkstatt, wie Papiere restauriert und aufbewahrt werden, damit die Akten über die Jahrhunderte erhalten bleiben.

"Wir entdecken immer wieder neue Schätze bei unserer Arbeit", sagt Christina Deggim vom Staatsarchiv. Sie fand zum Beispiel eine Akte aus dem späten 16. Jahrhundert, die mit Pergamentpapier umwickelt war. Dieser Umschlag schützte das Dokument. Doch das Pergamentpapier ist beinahe bedeutender als der Inhalt. Es ist stammt dem frühen 15. Jahrhundert und ist einem lateinischen Text sowie mit Noten beschrieben. "Damals war Papier knapp und so wurde es wiederverwertet", erklärt Christina Deggim.

Die Archivarin zeigt aber nicht nur die Arbeit mit Dokumenten, sondern schlüpft selbst in eine historische Rolle. Mit einem zeitgenössischen Kostüm verkleidet, erzählt Deggim vom "Schiffsraub von Misselwarden". Dank einer Inquisitionsakte aus dem späten 18. Jahrhundert weiß sie beispielsweise, wann und in welchem Maße dem Verbrecher die Daumenschrauben angelegt worden sind. Die Besucher hören eine schaurig-spannende Geschichte.

Spannend verspricht auch die Lesung des Stader Stadtarchivars Jürgen Bohmbach zu werden. Er liest aus den Akten der städtischen Armenverwaltung des 19. Jahrhunderts. Die Insassen des Armenhauses konnten sich nicht selbst ernähren. Sie lebten und arbeiteten unter strengem Regime. "Das ist Alltagsgeschichte der Stadt, über die wir bisher nur wenig wissen", sagt Bohmbach. Er führt die Besucher außerdem durch die Ausstellung "Wo die Hände Arbeit nicht reicht...". Die Schau thematisiert ebenfalls die Akten der Armenverwaltung.

Eine individuelle Lebensgeschichte steht auch bei Sylvelin Wissmann von der Universität Bremen im Mittelpunkt. Die Historikerin liest aus der Autobiografie "...für immer an der großen Kette". In dem Buch beschreibt ein Dieb, der von 1789 bis 1834 gelebt hat, seine Straftaten und die Zeit in der Gefangenschaft.

Thomas Fenner vom Archiv der Ritterschaft des Herzogtums Bremen und der Landschaft der Herzogtümer Bremen und Verden in Stade zeigt in der Schreibwerkstatt Besuchern, wie vor 100 Jahren geschrieben wurde. Sie können mit Originalschreibwerkzeug und Tinte die Schrift ihrer Urgroßeltern üben. Fenner zeigt außerdem, wie alte handgeschriebene Texte aus dem 18. und 19. Jahrhundert entziffert werden können. "Das ist zur Ahnenforschung sehr wichtig", sagt der Archivar.

Wer noch mehr zur Familien- und Heimatgeschichte wissen möchte, wendet sich an Robert Gahde. Der Historiker hilft Besuchern, die die Vergangenheit ihrer Familie, Gemeinde oder ihres Hofes erforschen wollen.

Das Niedersächsische Landesarchiv - Staatsarchiv Stade (Am Sande 4c) lädt morgen unter dem Motto "Dem Verborgenen auf der Spur" von 11 bis 16 Uhr zum fünften Tag der Archive. Der Eintritt ist frei.