Kleines Problem: Die Handwerker haben die künstlerisch wertvollen Wände mit unlöslicher Farbe übermalt.

Stade. Das müssen Laien gewesen sein: Wandmalereien wurden mit unlösbarer Farbe übergestrichen, Stuck landete ebenso wie die Deckenvertäfelung und andere Hölzer im Schuttcontainer . "Hier war Holland in Not", sagt Restauratorin Inke Hansen. 2006 hatte sie erstmals das Haus an der Burgstraße 2 am Stader Fischmarkt betreten. Sie war erschüttert über den Zustand des Hauses, das 1662/63 erbaut wurde. Sechs Jahre lang hätten Architekten und Handwerker an dem Fachwerkgebäude in der Innenstadt gepfuscht. Hansen versuchte zu retten, was noch zu retten war.

Die 43-Jährige nahm die historischen Funde in einer sogenannten Notbergung die auf und begann mit der Rekonstruktion. Später kam das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege (NLD) hinzu und unterstützte die Restauratorin. Allerdings hatten die Handwerker bereits einige Hölzer ausgetauscht.

Dennoch sage das alte Haus ganz offensichtlich viel über die Stader Baugeschichte aus. "Es ist ein Goldstück", sagt Klaus Püttmann vom NLD. Schließlich liefere das Gebäude neue Erkenntnisse über die Bau- und Raumkultur nach dem großen Stadtbrand im Mai 1659 in Stade.

Diese Informationen wurden jetzt in einer 100-seitigen Dokumentation zusammengefasst. Demnach habe der Barbier Magister Sebastian Hackmann das Haus nach dem Stadtbrand an der Burgstraße 2 bauen lassen, wo bereits im 13. Jahrhundert ein Haus gestanden haben soll. Hackmann sei ein reicher Mann gewesen und habe viel Geld in sein prächtiges und üppig geschmücktes Gebäude investiert, so Püttmann.

Bislang wurde angenommen, dass lediglich weniger wohlhabende Stader ihre Häuser kurz nach dem Stadtbrand errichten ließen. "Der Barbier Hackmann hat vermutlich Stuckateure und Maler von auswärts nach Stade geholt, die dann in vielen Häusern gearbeitet haben", sagt der 53-Jährige.

Bis zu diesen Erkenntnissen und der Dokumentation war es allerdings ein steiniger Weg. "Vorher herrschte wildes Wühlen. Der Umbau war Kraut und Rüben", sagt Hansen. Handwerker hätten mit der Motorsäge durch Hölzer des 17. Jahrhunderts gesägt: "Das war haarsträubend." Die Decke im Untergeschoss samt Stuck wurde herausgerissen. Maler übermalten eine üppige Rankenmalerei an der Decke des Obergeschosses mit unlöslicher Farbe. "Das Original ist damit tatsächlich verloren. Außerdem stimmt die schwache Kopie im Detail nicht mit dem Original überein", so Püttmann.

Der Fachmann geht davon aus, dass in zahlreichen Häusern, die nach dem Stadtbrand 1659 gebaut wurden, ähnliche historische Funde bislang unentdeckt blieben. "Die Stader sollen jetzt nicht ihre Tapeten von den Wänden reißen und nach Malereien suchen, aber vor einem Umbau sollten Profis hinzugezogen werden, um die wertvolle Baukultur zu erhalten", sagt Püttmann. Viele Architekten, Planer und Handwerker hätten zwar gute Kenntnisse im Neubau von Häusern, seien aber beim Erhalt von historischen Gebäude echte Laien. Das würden auch die Stuckreste zeigen: 15 Farbschichten wurden im Laufe der Jahre auf die Verzierungen aufgetragen. Besitzer sollten neugierig statt ängstlich sein, rät Püttmann: "Was aus den Funden gemacht wird, wird im Zusammenspiel mit den Besitzern entschieden." Wer etwa üppige Deckenmalereien aus dem 17. Jahrhundert nicht in seinem Wohnzimmer haben möchte, kann diese mit Platten abhängen, statt sie unwiderruflich zu übermalen. Vor der Finanzierung der Restaurierung sollten Besitzer ebenso wenig zurückschrecken, denn bei Arbeiten an der Außenfassade gibt es öffentliche Zuschüsse von bis zu 30 Prozent und bei Restaurierungen im Innenbereich von bis zu 50 Prozent. Hauseigentümer sollten sich beraten lassen. Das jedoch garantiert dennoch nicht den Erhalt der Baukultur. Schließlich sei die Besitzerin des Hauses an der Burgstraße2, die das Gebäude 2000 gekauft hatte, falsch beraten worden. "Ihr wurde gesagt, dass es keine Zuschüsse gibt", sagt Püttmann.

Mittlerweile befindet sich in dem Haus am Fischmarkt im Obergeschoss eine Wohnung; im Erdgeschoss und auf der Galerie ist eine Chocolaterie eingezogen. Beim Kauf der Leckereien können daher nicht nur die Pralinen, sondern auch die Deckenmalerei bewundert werden.