Das Quartier bekam schlechte Bewertungen und sollte gefördert werden. Doch bisher wurde wenig umgesetzt.

Stade. "Der vergessene Stadtteil" - so wurde Hahle vor einem Jahr bezeichnet, als die Studie "Sicherheit und Kriminalität in Stade" vorgestellt wurde. Das Gutachten des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KfN) untersuchte die zwölf Stader Stadtteile und verglich sie miteinander. Die Stadtverwaltung und Politiker entdeckten daraufhin Hahle wieder für sich und versprachen Abhilfe. Denn das Quartier war Spitzenreiter - allerdings im negativen Bereich.

72 Prozent der Hahler fühlten sich in ihrem Viertel unsicher. Die Hälfte der befragten Erwachsenen und rund ein Drittel der Schüler bezeichneten den sozialen Zusammenhalt als niedrig. Doch was hat sich seit dem Erscheinen der KfN-Studie tatsächlich getan?

"Nichts" lautet das Fazit von Herbert Ohlandt, der seit 30 Jahren in Hahle wohnt: "Es wurden nur plötzlich die Grünanlagen gepflegt." Er habe zwar keine Angst in seinem Viertel, aber herumlungernde Jugendliche würden ihn nach wie vor stören. Der so genannte Rote Platz am Lerchenweg sei ihr Treffpunkt, den sie vermüllt und beschädigt zurücklassen würden. Die Jugendlichen hätten nicht genügend Angebote im Viertel.

Dem stimmt Marc Rohde, Leiter der Grundschule Hahle, zu: "Es gibt nichts, wo Jugendliche sich austoben können." Der Jugendfreizeittreff "Ampel" der Markus-Kirche sei das einzige Angebot, aber für manche Jugendliche sei er wegen des kirchlichen Hintergrunds nicht ansprechend. Daher sollte es Basketballfelder oder Skateranlagen in dem Viertel geben, sowie einen Ansprechpartner für die Jugendlichen.

Immerhin: Für die Jüngeren wird es vom Sommer an Angebote geben, denn die Grundschule wird den Ganztagsbetrieb aufnehmen. Die Initiative dafür kam aus der Schule selbst. Die Stadt gab bereitwillig grünes Licht und baut der Schule eine Mensa.

Initiative sollten auch die Hahler zeigen, so die Vorstellung der Verwaltung und der Politik. Der Freiwilliger Ordnungs- und Streifendienst (FOSD) "Bürger im Dienst" sollte nicht nur in der Innenstadt, sondern zügig auch Hahle eingesetzt werden - das war das ehrgeizige Vorhaben nach der Veröffentlichung der KfN-Studie.

Doch das Projekt steht vor dem Aus. Denn lediglich drei Hahler meldeten sich für den FSOD. "Das Konzept kann so nicht umgesetzt werden", sagt Ursula Seidelmann, Fachbereichsleiterin Bürgerservice und Ordnung bei der Stadt. Es sei noch offen, ob der FSOD in Hahle umgesetzt werden könne. Schließlich sei es das Ziel, dass Hahler für Hahler auf Streife gehen.

Diesen Ansatz kritisiert Wolfgang Hönisch, Kirchenvorsteher der Markus-Gemeinde, der selbst in Hahle wohnt: "Das Konzept 'wehrt euch selbst' ist falsch. In der Innenstadt sind ja auch Bürger dabei, die nicht dort wohnen." Er beklagt aber noch mehr: Lediglich einen Zaun um die Grundschule zu ziehen, damit weniger Vandalismus herrsche, reiche nicht aus.

Das sagt auch Frank Wilshusen, Geschäftsführer der Wohnstätte, die 550 Wohnungen in Hahle vermietet und etwa 100 weitere verwaltet. Er beteiligte sich ebenso wie Schulleiter Rohde und Kirchenvorsteher Hönisch bei der "Hahler Runde", die erstmals im Juni zusammenkam. Seitdem diskutierten unter anderem Vertreter der Polizei, der Betreuungseinrichtungen, des VfL und des Jobcenters sowie Jugendarbeiter über das Problemquartier und erstellten Konzepte.

Doch diese Aufteilung erwies sich als unpraktikabel. Denn die Entwürfe waren konträr, so der SPD-Ratsherr Kai Holm aus Hahle: "Die Konzepte passen nicht zusammen." Inzwischen hat sich die Hahler Runde aufgelöst.

Dennoch gebe es Pläne, den Roten Platz als Zentrum umzugestalten, sagt Wohnstätten-Chef Wilshusen. Doch das könne angesichts der knappen Haushaltslage der Stadt scheitern. Wilshusen lässt das Argument allerdings nicht gelten. Die Stadt habe angekündigt, dass sie Hahle städtebaulich verändern wolle. Das müsse sie jetzt auch einhalten. Schließlich investiere die Stadt in andere Quartiere wie das Altländer Viertel, das Bahnhofumfeld und die Salztorsvorstadt: "Dann muss auch Geld für Hahle da sein."

Veränderungen wünscht sich auch der SPD-Politiker Holm. Er hat ein Bürgerforum in seinem Stadtteil gegründet. Ziel der zehn Mitstreiter ist es, das Gemeinschaftsgefühl in dem Quartier zu verbessern. Das sei auch dringend notwendig, sagt Manuela Hegene, dieim Kiosk "Blumentritt" am Roten Platz arbeitet: "Die Stimmung hier in Hahle ist seit der Studie nicht besser geworden."