Dichter tragen ihre eigenen Texte vor und stellen sich einer Jury. Noch fehlt eine Szene in der Hansestadt.

Stade. Die Hände zittern, das Papier in der Hand vibriert. Die Stimme klingt aufgeregt. Melissa Yuvali ist sichtlich nervös. Mit weichen Knien geht sie auf die kleine, improvisierte Bühne im Stader "Café Schraders". Die 19-Jährige trägt ihren Text beim Literaturwettbewerb Poetry Slam vor. Angst vor der Jury habe sie keine. Ihre Devise: Hauptsache nicht den letzten Platz belegen.

Yuvali ist eine von zehn Teilnehmern, die am Freitag beim Stader "Elbslam" mitgemacht haben. Der Gastronom Thomas Brückner hat gemeinsam mit Frank Rutkowski den Wettstreit organisiert. Das erste Mal reimten, dichteten und texteten Hobby-Literaten 2005 im "Café Schraders". Nach langer Pause nahmen die Beiden im November vergangenen Jahres einen zweiten Anlauf. Jetzt soll der "Elbslam" regelmäßig ausgetragen werden.

"Die Slam-Szene fehlt in Stade noch. Das wollen wir ändern", sagt Rutkowski. Daher sei der Wettstreit auch "low budget" produziert und der Eintritt frei. In Hamburg wird bereits seit Mitte der 90er-Jahre geslamt. Der Stader "Elbslam" wirkt etwas improvisiert. Die Bühne ist eine Spanholzplatte, die Technik versagt am Anfang, das Moderatorenteam Brückner und Rutkowski braucht einige Zeit, bis sie sich in ihrer Rolle zurecht finden, und die Preise werden in Plastiktüten verteilt.

Dass das Ziel dennoch erreicht werden könnte, zeigt das Publikum, in dem auch viele junge Gäste sind. Die kleine Kneipe am Fischmarkt ist trotzt Schnee und Glatteis rappelvoll. Einige Zuhörer müssen stehen, andere finden gar keinen Platz und ziehen enttäuscht davon. Die Erklärung für den Andrang sei simpel, sagt Brückner: "Ernste und eher biedere Lesungen gibt es genug für die ältere Generation. Doch Junge kommen in Stade bislang zu kurz."

Melissa Yuvali ist nicht enttäuscht. Die fünfköpfige Jury, die spontan aus Zuhörern zusammengestellt wurde, gibt ihr 26,75 Punkte. Die Slamer können maximal 50 Punkte erreichen, denn die Wertnoten orientieren sich am System beim Eiskunstlaufen.

Dann ist Ulrich Kulikel dran. Mit Rhythmus und vor allem Spaß trägt der Deutschlehrer seinen Text vor. Die Wörter überschlagen sich beinahe, so schnell spricht er. Der Stader reimt über den Lehrer für Mathe, Herrn Platte, und seinen Schüler Hein. Dem Publikum gefällt es offensichtlich, denn obwohl er die zentrale Regel bricht, nach der er maximal fünf Minuten vortragen darf, rufen die Zuhörer "weiter". Und so reimt er noch einige Minuten über die Qualen mit der Mathematik. Die Jury honoriert den Auftritt mit 46,5 Punkten - die vorläufige Führung.

Doch dann kommt Heidewitzka - ihren richtigen Namen will die Staderin die hauptberuflich schreibt, nicht nennen. "Beim Poetry Slam tritt man nicht unter dem richtigen Namen an", so ihre Begründung. Sie erzählt über Froteeunterhosen und dem Abschied von diesem, aus der Mode gekommenen Kleidungsstück - wieder ein Thema zum Lachen. Doch für die Führung reicht es trotzdem nicht: 46 Punkte.

Ein weiterer Siegerkandidat ist Karsten Lieberam-Schmidt. Der 44-jährige Agraringenieur ist extra aus Reinbek gekommen. Er zählt zu den Profis unter den Slamern. An etwa 100 Wettbewerben hat er bereits teilgenommen. Im "Schraders" trägt er seinen Text frei vor, gestikuliert und tanzt beinahe dazu. Doch das reicht mit 41,5 Punkte "nur" für Platz drei. Lieberam-Schmidt ist trotzdem zufrieden. Beim nächsten Slam im "Café Schraders" am 7. Mai werde er wieder antreten und das noch junge Slam-Publikum mit einen neuen Text unterhalten - Ideen habe er genug.