Der Historiker und Archivar hat seit 1973 annähernd 30 Bücher über die Geschichte der Stadt Stade geschrieben.

Stade. Aktenordner, Bücher und Berge von Papier stapeln sich auf den Tischen. Wichtige Dokumente liegen irgendwo unter einem halben Meter Papier begraben. Doch den Überblick hat Jürgen Bohmbach in dem organisierten Chaos seines Büros im Stadtarchiv nie verloren. Der Archivar, den viele als das Gesicht der Stader Geschichte bezeichnen, weiß, wo was zu finden ist. Das ist sein Beruf - seit nunmehr fast 30 Jahren. Doch seine Zeit in dem Archiv neigt sich dem Ende entgegen. Spätestens Mitte dieses Jahres geht er in den Ruhestand. Sollte die Stadt Stade aber schon eher einen Nachfolger finden, dann nimmt Bohmbach seinen verbliebenen Urlaub.

Abschied nehmen - das fällt ihm einerseits leicht, da dann die Arbeitsbelastung sinken wird. Andererseits: Bohmbachs wissenschaftliche Karriere ist unzertrennlich mit der Aufbereitung der Stader Geschichte verknüpft, mit der Erforschung der Hanse, der Betrachtung der Schwedenzeit und der Reflexion über das Dritte Reich. "Dass ich zuletzt in Teilzeit gearbeitet habe, macht es etwas leichter, sich auf den Ruhestand einzustellen", sagt Bohmbach. Die Bücher, die Akten und den Bleistift wird er aber auch künftig nicht beiseite legen. Bohmbach will weiter forschen. "Das werde ich dann aber in der Stader Außenstelle des niedersächsischen Staatsarchivs machen", sagt der Archivar und lacht. Schließlich wolle er nicht bei seinem Nachfolger den Eindruck erwecken, dass er ihn im Stadtarchiv kontrollieren wolle.

Derweil sucht die Stadt Stade noch einen Nachfolger für Bohmbach. Mehrere Bewerber sind in der engeren Auswahl. Im Laufe dieses Monats könnte die Entscheidung fallen, wer künftig die Arbeit im Archiv fortsetzen wird und die offenen Baustellen - die digitale Erschließung der Bestände und die Erweiterung der Magazinspeicherfläche - betreut.

Jürgen Bohmbach, der in Hamburg aufwuchs, studierte zunächst Geschichte, Englisch, Philosophie und Pädagogik in Hamburg. Geschichte hatte ihn von klein auf interessiert. Die menschlichen Schicksale, die er in Büchern regelrecht miterlebte, ließen ihn nicht mehr los. "Geschichte habe ich später aus reinem Interesse studiert. Ich wusste ja gar nicht, was ich beruflich einmal werden wollte", sagt der 65-Jährige. Weil er so ziellos umherdriftete und nichts Besseres vorhatte, schrieb er eine, wie er sagt, "knochentrockene Doktorarbeit" über die Braunschweiger Geschichte im Mittelalter. Sein Doktorvater erkannte dabei das wahre Talent Bohmbachs und empfahl ihm, zur Archivschule in Marburg zu gehen. Dort arbeitete der junge Historiker als Referendar, bis er 1973 dem Stader Staatsarchiv zugeteilt wurde. "Der erste Eindruck von Stade war für mich nicht so schlimm. Marburg ist auch klein, so kam ich aus der Provinz und landete in der Provinz", sagt Bohmbach.

In der Kirche knüpfte er bald soziale Kontakte, seine erste Tochter wurde geboren, die Arbeit im Archiv gefiel ihm. Sogar ein Angebot, nach Braunschweig zu wechseln, lehnte er ab. Stade war eine neue Heimat.

Als der damalige Stader Stadtarchivar Bernhard Röttgen 1975 verstarb, brauchte das verwaiste Archiv einen neuen Leiter und neue Räume. Mehrere Jahre betreute Bohmbach die Stadtgeschichte vom Staatsarchiv aus, bis 1983 die Stelle des Stadtarchivars neu ausgeschrieben wurde. Bohmbach bewarb sich - mit Erfolg. Was folgte, war eine Renaissance des Archivs. Er kümmerte sich um den Neubau in der Altstadt und verfasste rund 30 Bücher über die Stader Geschichte. Tatkräftig unterstützt wurde er von zwei Mitarbeitern - eigentlich viel zu wenig, wie der Archivar findet. "Das Archiv braucht mehr Personal", sagt Bohmbach. Doch das koste Geld. Und die Stadt fürchte sich vor den Mehrausgaben. "Das Ergebnis ist, dass bisher leider vieles auf der Strecke blieb, weil es an qualifiziertem Personal mangelt", sagt der Archivar.

Bohmbachs Arbeit wird von Kollegen und der Stadtverwaltung geschätzt. Das freut ihn. Seine Publikationen haben das Selbstbewusstsein der Stader gestärkt - davon ist Bohmbach überzeugt. Dass er bei seinen Recherchen auch mal unangenehme Wahrheiten zu Tage förderte, habe ihm niemand übel genommen. "Das ist Teil meines Jobs", sagt Bohmbach, "und der muss einfach gemacht werden".